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# taz.de -- G-20-Gipfel zum Finanzmarkt: Jetzt kommt der Crash erst später
> Die wichtigsten Gesetze zur globalen Bankenregulierung sollen auf dem
> Gipfel beschlossen werden. Trotz dieses Fortschritts bleiben Krisen
> möglich.
Bild: „Versteht ihr, was da passiert? Keine Ahnung, aber gerade läuft's noch…
HAMBURG taz | Die weltweite Regulierung der Banken steht vor ihrem
Abschluss. Regierungschefs, Finanzminister und Notenbankchefs der zwanzig
größten Volkswirtschaften wollen auf dem G-20-Gipfel in Brisbane die
wichtigsten Rechtsakte abschließen. Zumindest die Regierungschefs sind mit
ihren Ergebnissen zufrieden.
Das „Vertrauen“, die weiche Grundlage des Bankbusiness, scheint
zurückgekehrt. „Die Finanzmärkte sind außergewöhnlich ruhig“, besänfti…
vorab der Chefökonom der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ),
Claudio Borio. Die BIZ gilt als Zentralbank der Zentralbanken. Hinter
Borios Vertrauensvorschuss stehen durchaus harte Fakten: Ab Sommer 2007
hatten die Staaten auf die Finanzkrise schnell mit nationalen
Erste-Hilfe-Programmen reagiert.
Es dauerte aber mehr als zwei Jahre, bis es zu international koordinierten
Überlegungen kam, wie man die Finanzmärkte besser reguliert. Eine Folge
war, dass die G 20 auf ihrem Pittsburgher Gipfel im September 2009 jene
Leitlinien entwarf, die jetzt maßgeblich für das Regulierungsfinale in
Brisbane sind.
In der EU wurden laut Bundesfinanzministerium inzwischen über 40 Maßnahmen
„ergriffen“. Die spektakulärste davon: Die EZB hat seit November die
direkte Aufsicht über 120 Großbanken übernommen.
Die USA gingen einen anderen Weg: Dort wurden die Krisenbanken mit teils
zweistelligen Milliardenstrafen zur Kasse gebeten. Diese Sanktionen trafen
auch die westeuropäischen und schweizerischen Konkurrenten, die einen Sitz
an der Wall Street hatten. Die USA setzen vorrangig auf stabile heimische
Banken, auf Kosten des internationalen Geschäfts.
## Verschärfte Spielregeln
Aber auch die internationalen Spielregeln wurden verschärft: Banken müssen
weit mehr an Eigenkapital und Liquidität vorrätig halten. Ihr
Geschäftsvolumen – eine wesentliche „linke“ Forderung – wird erstmals
immerhin auf das 33,3fache ihres eigenen Kapitals gedeckelt. Übersetzt: 3
Prozent der Bilanzsumme müssen aus Aktien und einbehaltenen Gewinnen
bestehen.
Außerdem sollen in Brisbane die Kapitalanforderungen nach Größe und Risiko
von Kreditinstituten gestaffelt werden: So sollen „systemrelevante“
Institute wie die britisch-asiatische HSBC (plus 2,5 Prozent), Deutsche
Bank (2,0 Prozent) oder Bank of America (1,5 Prozent) mehr
risikogewichtetes Eigenkapital vorrätig halten als kleinere Institute.
Damit soll verhindert werden, dass der Steuerzahler die Banken retten muss,
die „too big to fail“ sind – also zu groß, um sie scheitern zu lassen.
„Bankentestamente“ sollen ermöglichen, Pleite-Institute volkswirtschaftlich
verträglicher abzuwickeln.
Unklar ist, ob die US-Regierung den Kern der weltweiten Bankenregulierung
in Brisbane mittragen wird. In diesem Vertragswerk namens „Basel III“ sind
die wichtigsten G-20-Regeln festgezurrt. Die EU hat „Basel III“ bereits
umgesetzt, das 2019 starten soll. Die USA waren schon dem Vorläufer „Basel
II“ ferngeblieben, ein Grund für die Finanzkrise.
Das Regelwerk sei „in der Spur“, urteilt die BIZ in ihrem am Mittwoch
veröffentlichten Report an die „G-20-Führer“. Selbst hartnäckige Kritiker
wie der grüne Europaabgeordnete Sven Giegold sehen die weltweite
G-20-Regulierung als großen „Schritt nach vorne“. Aber es gibt auch
Zugeständnisse an die Banklobby und ihre Bündnispartner. So sind die
„Schattenbanken“ weiterhin unreguliert, zu denen etwa die Geldmarktfonds
und Hedgefonds zählen. Andererseits warnen Aufsichtsbehörden vor einer
Überregulierung.
Die Konkurrenz zwischen den internationalen Finanzplätzen ist hart. Zudem
haben die Länder unterschiedliche Finanzsysteme. Manche trennen Geschäfts-
und Investmentbanken, andere verlassen sich vor allem auf Sparkassen oder
öffentliche Banken. Dies wird in Brisbane politische Kompromisse erzwingen.
Auf die Grenze des Zweckmäßigen macht derweil die Chefin der
Bundesfinanzaufsicht Bafin, Elke König, aufmerksam: Absolute Sicherheit
setze so viel Eigenkapital bei den Banken voraus, dass „alles zum
Stillstand käme“.
14 Nov 2014
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
## TAGS
Kapitalismus
Banken
Krise
Finanzmarkt
Finanzen
Streik
EZB
Sparen
Banken
Thomas Piketty
Banken
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