| # taz.de -- Journalisten-Massaker auf Philippinen: Massenmord ungesühnt | |
| > Fünf Jahre nach dem größten Massenmord an Journalisten stockt der | |
| > Prozess. Gerade wurde wieder ein Zeuge erschossen. | |
| Bild: Einer der drei Hauptangeklagten, Ampatuan senior, auf dem Weg aus dem Ger… | |
| Dennis Sakal und Butch Saudagal sind am Dienstag dieser Woche im Süden der | |
| Philippinen auf dem Weg zu ihrem Anwalt, als Unbekannte bei der | |
| Provinzhauptstadt Sharrif Aguak (Provinz Maguindanao) das Feuer auf sie | |
| eröffnen. Sakal stirbt auf dem Weg ins Krankenhaus, Saudagal überlebt | |
| schwer verletzt. Der Anschlag findet fast auf den Tag fünf Jahre nach einem | |
| Massaker statt, zu dem die beiden belastende Aussagen zu Protokoll geben | |
| wollten. So berichten es philippinische Medien. | |
| Unter den 58 Toten des „Maguindanao-“ oder auch „Ampatuan-Massakers“ vom | |
| 23. November 2009 sind 32 Journalisten, auch Anwälte, Fahrer und Passanten. | |
| Die meisten der damals Ermordeten hatten die Ehefrau des Lokalpolitikers | |
| Esmael Mangudadatu begleitet. | |
| Sie wollte in der Provinzhauptstadt die Unterlagen für die Kandidatur ihres | |
| Mannes zu den Wahlen 2010 einreichen. Damit forderte Mangudadatu den | |
| Ampatuan-Clan heraus, eine mächtige muslimische Familie in der von Warlords | |
| und feudalistischer Clanherrschaft geprägten Provinz. Die letzten Wahlen | |
| für verschiedene Posten hatten die Ampatuans zum Teil ohne Gegenkandidaten | |
| gewonnen. | |
| Die damals in Manila regierende Präsidentin Gloria Macapal Arroyo stützte | |
| sich in Maguindanao auf die Ampatuans. Bei den vorherigen Wahlen hatten sie | |
| dafür gesorgt, dass Arroyo viele Stimmen bekam. Die Ampatuans versuchten, | |
| Mangudadatu mit Drohungen von der Kandidatur abzubringen. Im Unterschied | |
| zur Ortspolizei, die den Ampatuans nahe stand, nahm Mangudadatu die | |
| Drohungen ernst: Er organisierte für seine Wahlregistrierung einen Konvoi | |
| und lud zahlreiche Journalisten dazu ein. | |
| ## Sie bestreiten die Tat | |
| Er hoffte, die Öffentlichkeit werde die Ampatuans und ihre | |
| zweihundertköpfige Privatarmee von Gewalt abhalten. Ein fataler Irrtum. Der | |
| Konvoi wurde gestoppt, die Insassen wurden verschleppt, einige Frauen | |
| vergewaltigt und alle kaltblütig ermordet. Samt Fahrzeugen wurden sie in | |
| einem Massengrab verscharrt, das die Mörder zuvor mit Baggern ausgehoben | |
| hatten. Fünf Insassen eines Autos, das zufällig vorbeikam, wurden gleich | |
| mit ermordet. | |
| Als mutmaßliche Drahtzieher wurden der Bürgermeister und | |
| Gouverneurskandidat Andal Ampatuan jr., sein Bruder Zaldy Ampatuan, | |
| Gouverneur der autonomen Region Muslim-Mindanao, und der Vater und Clanchef | |
| Andal Ampatuan sr., Maguindanaos Gouverneur, festgenommen. Sie bestreiten | |
| die Tat. | |
| Der jetzt getötete Sakal war der Fahrer des Hauptangeklagten Andal Ampatuan | |
| jr. Er ist schon der vierte Zeuge des Massakers, der getötet wurde. Zudem | |
| wurden schon drei Angehörige mutmaßlicher Zeugen ermordet. Unter den 197 | |
| Angeklagten sind 15 vom Clan der Ampatuans. 111 Angeklagte wurden | |
| festgenommen oder sind auf Kaution frei, 86 sind immer noch auf der Flucht. | |
| „Der jüngste Anschlag verhöhnt die Justiz und zeigt arrogant die Fähigkeit | |
| der Angeklagten, die Schwächen unseres Rechtssystems auszunutzen“, erklärt | |
| der nationale Presserat der Philippinen. Die Sprecherin von Staatspräsident | |
| Benigno Aquino III räumt ein: „Der Anschlag stärkt sicher nicht die | |
| Aussagebereitschaft von Zeugen.“ Der Prozess begann schon im Januar 2010. | |
| Doch ein Urteil erwartet Justizministerin Leila de Lima frühestens 2016. | |
| ## 300 Entlastungszeugen | |
| Dann endet auch die Amtszeit von Präsident Aquino III. Sollte dann wieder | |
| das Lager der früheren Präsidentin Arroyo an die Macht kommen, fürchten | |
| Journalisten eine endlose Urteilsverschleppung. Die Angeklagten haben 300 | |
| Entlastungszeugen benannt, die Staatsanwaltschaft nur gut 100, von denen | |
| schon vier ermordet wurden. Im Sommer wechselten die Ampatuans zudem ihre | |
| Anwälte, was weitere Verzögerungen bewirkte. | |
| „Dass bis heute niemand verurteilt wurde, ist ein Skandal“, sagt Johannes | |
| Icking vom Aktionsbündnis Menschenrechte – Philippinen in Köln. „Das | |
| Strafverfahren zeigt alle Schwächen der philippinischen Justiz deutlich, | |
| besonders die überlangen Prozesse und den mangelnden Zeugenschutz.“ | |
| Das Land ist für seine Kultur der Straflosigkeit und Korruption bekannt. | |
| Formal ist es eine liberale Demokratie mit Pressefreiheit. Doch oft | |
| dominieren Familienclans und es werden vor allem in den Provinzen immer | |
| wieder Journalisten getötet. Die Mörder werden äußerst selten, die | |
| Auftraggeber nie verurteilt. | |
| Der nationale Journalistenverband (NUJP) zählt 197 Journalistenmorde seit | |
| 1986, als die Marcos-Diktatur gestürzt wurde. „Die Journalistenmorde | |
| zeigen, was bei uns schief läuft. Wir müssen die Patronage, die Warlords | |
| und die Straflosigkeit überwinden“, sagt NUJP-Chefin Rowena Paraan. | |
| „Die Morde sind möglich, weil wir Leute wie die Ampatuans haben. Die sind | |
| mächtig, weil sie von Politikern in Manila ermutigt werden, denen sie | |
| Stimmen besorgen.“ Präsident Aquino III hatte ein Ende von Straflosigkeit | |
| und extralegalen Hinrichtungen versprochen. Doch Menschenrechtsgruppen sind | |
| enttäuscht. Seit der Ermordung der 32 Journalisten vor fünf Jahren sind | |
| schon weitere 33 getötet geworden, sagt Paraan. | |
| 21 Nov 2014 | |
| ## AUTOREN | |
| Sven Hansen | |
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