| # taz.de -- Weltgrößtes Massaker an Journalisten: Warten auf Gerechtigkeit | |
| > Vor zehn Jahren starben beim Ampatuan-Massaker auf der Philippinen-Insel | |
| > Mindanao 32 Journalisten und 26 weitere Menschen. Bald steht ein Urteil | |
| > an. | |
| Bild: Protest in Manila am 10. Jahrestag des Massakers | |
| BERLIN taz | Seit fast zehn Jahren ist Richterin Jocelyn Solis-Reyes mit | |
| diesem Fall befasst. 58 Tote, davon 32 Journalisten. 179 Angeklagte, von | |
| denen 80 noch flüchtig sind. Eine einflussreiche Familie, eine Privatarmee | |
| und auffällig wenig politischer Wille zur Aufklärung. Es geht um ein | |
| Massaker in der südphilippinischen Provinz Maguindanao von 2009, das | |
| seitdem als Maguindanao- oder Ampatuan-Massaker bekannt ist. Am Wochenende | |
| war der 10. Jahrestag. | |
| Damals, am Abend des 23. November 2009, griffen Paramilitärs den Konvoi von | |
| Angehörigen eines Gouverneurskandidaten an, töteten 58 Personen, darunter | |
| 32 Journalisten, und vergruben die Leichen am Straßenrand. Laut Reporter | |
| ohne Grenzen ist es das „größte einzelne Massaker an Journalisten der | |
| Geschichte“. | |
| Unter Verdacht steht die lokalpolitisch einflussreiche Ampatuan-Familie | |
| beziehungsweise deren Privatarmee. Die Ampatuans dominierten über viele | |
| Jahre die Provinz Maguindanao – bis ein lokaler Rivale 2009 die Herrschaft | |
| des Clans herausforderte. | |
| Esmael Mangudadatu, ein ehemaliger Verbündeter, kündigte an, bei den | |
| Gouverneurswahlen 2010 gegen die Ampatuans anzutreten. Nach | |
| Einschüchterungsversuchen durch den Clan fuhr er allerdings nicht selbst | |
| zur Registrierung in die Provinzhauptstadt, sondern schickte seine Frau, | |
| Verwandte, Anwälte und viele lokale Journalisten. Mangudadatu nahm an, die | |
| Ampatuans würden es nicht wagen, gegen einen solchen Konvoi vorzugehen. Ein | |
| tragischer Irrtum. | |
| ## Passanten wurden ebenfalls ermordet | |
| Laut Zeugenaussagen nutzten die Ampatuans ihre mehr als hundertköpfige | |
| Privatarmee, die sie zur Bekämpfung muslimischer Rebellen legal unterhalten | |
| durften, für das Massaker. Die Opfer wurden samt Fahrzeugen in | |
| Massengräbern verscharrt, die mit Baggern ausgehoben wurden. Sechs | |
| Passanten, die zufällig vorbeifuhren, wurden gleich mit ermordet, weil sie | |
| für einen Teil des Konvois gehalten wurden. | |
| Mangudadatu verlor bei dem Massaker seine Frau und mehrere Angehörige. Die | |
| Wahl jedoch gewann er und ist inzwischen sogar Kongressabgeordneter. Er | |
| droht jetzt mit Rücktritt, sollten die Clan-Führer nicht verurteilt werden. | |
| Womit wir wieder bei Richterin Solis-Reyes sind, die den Vorsitz über | |
| diesen komplexen und äußerst gefährlichen Fall 2010 zugelost bekam. Seitdem | |
| steht sie unter Polizeischutz. | |
| Nachdem die Beweisaufnahme im August abgeschlossen wurde, bekam Solis-Reyes | |
| Zeit bis zum 20. November, ein Urteil zu sprechen. Sie erwirkte aber eine | |
| Verlängerung um einen Monat beim obersten Gerichtshof. | |
| Deshalb müssen Angehörige und Öffentlichkeit auch nach zehn Jahren noch auf | |
| ein Urteil warten. Zum Jahrestag am letzten Samstag kritisierten | |
| Angehörige, [1][Menschenrechts- und Journalistengruppen] bei | |
| Gedenkveranstaltungen in der Hauptstadt Manila und am Ort des Massakers in | |
| Maguindanao die fortgesetzte Straflosigkeit. | |
| „Wenn niemand für den Mord an Journalisten ins Gefängnis muss, was wird | |
| dann aus der Pressefreiheit?“, fragt die Anwältin der Opferfamilien Nena | |
| Santos im Fernsehsender [2][ABS-CBN]. | |
| ## Straflosigkeit als ein Hauptproblem | |
| Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) mit Sitz in New York führt in | |
| seinem jüngsten [3][Index der Straflosigkeit] für Morde an Journalisten die | |
| eigentlich liberal-demokratisch verfassten Philippinen auf Rang fünf hinter | |
| den Kriegs- und Bürgerkriegsländern Somalia, Syrien, Irak und Südsudan. | |
| Die Aufarbeitung des Falles wird durch die Komplexität, den mangelnden | |
| politischen Willen und einen schwachen Justizapparat erschwert. So gibt es | |
| rund 400 Zeugen, 300 der Verteidigung und 100 der Anklage. Mindestens drei | |
| Zeugen der Anklage sind bereits getötet worden, zahlreiche wurden | |
| eingeschüchtert, Aussagen deshalb zum Teil zurückgezogen. | |
| Ein Hauptangeklagter wechselte schon fünfmal seine Verteidiger, was stets | |
| für Verzögerungen sorgte. Aus Sicherheitsgründen war der Prozess schon früh | |
| von der südlichen Insel Mindanao nach Manila verlegt worden. | |
| Zwar versprach auch die Regierung des derzeitigen Präsidenten Rodrigo | |
| Duterte, das Massaker aufzuklären. Doch gerade in Dutertes dreijähriger | |
| Amtszeit sind in dem von ihm erklärten „Krieg gegen die Drogen“ nach | |
| Schätzung von Menschenrechtsorganisationen bisher über 25.000 Menschen von | |
| Todesschwadronen extralegal hingerichtet worden. | |
| Das verschärft die Straflosigkeit im Allgemeinen und relativiert das | |
| Massaker. Und es zeigt die Zahnlosigkeit der philippinischen Justiz. | |
| 27 Nov 2019 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.rappler.com/move-ph/245634-groups-slam-delayed-justice-victims-… | |
| [2] https://news.abs-cbn.com/news/11/23/19/maguindanao-massacre-quest-for-justi… | |
| [3] https://cpj.org/reports/2019/10/getting-away-with-murder-killed-justice.php | |
| ## AUTOREN | |
| Sven Hansen | |
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