# taz.de -- NSU-Prozess in München: Heikle Zeugen | |
> Kommende Woche wird die Aussage eines früheren V-Manns erwartet. Er | |
> könnte die These, dass das NSU-Trio isoliert arbeitete, zerschlagen. | |
Bild: Wie immer abgeschirmt von ihren Anwälten: Beate Zschäpe im Münchner Ge… | |
HAMBURG taz | Der NSU-Prozess in München wird in der kommenden Woche trotz | |
Befangenheitsantrag gegen den Richter regulär fortgesetzt. Die | |
Hauptangeklagte Beate Zschäpe wird dann erneut mit schnellen Schritten den | |
Saal A 101 betreten und sich von den Kameras wegdrehen. „Der | |
Befangenheitsantrag ihre Verteidigung hat keine Auswirkung“, sagt Gül | |
Pinar, einer der Anwältin der Familie des NSU-Opfers Süleyman Taşköprü. | |
Alexander Hoffmann, Nebenkläger einer Betroffenen des NSU-Bombenanschlags | |
in der Kölner Keupstraße, glaubt, dass der Antrag auch gestellte wurde, um | |
die kommenden Befragungen von Zeugen aus der Szene einzudämmen. | |
Am Donnerstag hatten die Anwälte von Zschäpe den Antrag gegen den | |
Vorsitzenden Richter Manfred Götzl gestellt. Es war bereits der sechste | |
Befangenheitsantrag während der 165 Verhandlungstage. Der Anlass dieses | |
Mal: die Zeugenbefragung eines Kripo-Beamten durch den Vorsitzenden | |
Richter. Der wollte bei dem Thüringer Beamten die Erinnerungen an eine | |
Vernehmung von Zschäpe 1996 durch das Vortragen von Passagen aus dem | |
Vernehmungsprotokoll wieder hervorrufen. Anwalt Wolfgang Heer sah darin ein | |
unzulässiges Mittel mit dem Ziel, das Protokoll als Beweismittel in den | |
Prozess einzubringen. Die Verteidigung des Mitangeklagten Ralf Wohlleben | |
schloss sich dem Antrag an. | |
„Der Antrag hat keinerlei Bedeutung“, sagt Gül Pinar. Die Verteidigung kann | |
zwar die Befragung des Vorsitzenden Richters rügen, aber „er darf das“. Die | |
Verteidigung von Zschäpe könnte sich wegen der geladenen Zeugen der | |
nächsten Verhandlungstage besonders sorgen, sagt Alexander Hoffmann. Denn | |
bei für die kommende Woche sind Michael P. und Carsten S. geladen. Sie | |
sollen zum Netzwerk „Blood & Honour“ (B&H) aussagen. | |
Um die Aussage von Carsten S. musste das Gericht lange mit dem | |
brandenburgischen Innenministerium ringen. Von 1994 bis 2000 diente der | |
schwerkriminelle Rechtsextremist dem Verfassungsschutz Brandenburgs als | |
V-Mann unter dem Decknamen „Piato“. Die Potsdamer Behörde wollte S., der | |
enge Kontakte zur sächsischen „B&H“-Szene pflegte, zunächst nur unter | |
strikten Bedingungen eine Aussagegenehmigung erteilen. Später erklärte sich | |
das Ministerium doch bereit, S. aussagen zu lassen. | |
## 3-Täter-These vor dem Fall | |
Die Aussage von S. könnte aber auch die Bundesanwaltschaft (BAW) in | |
Bedrängnis bringen, sagt Hoffmann. Bisher gehe die weiterhin davon aus, | |
dass die drei mutmaßlichen NSU-Mitglieder isoliert agiert hätten. „Diese | |
These ist längst widerlegt“, sagt Hoffmann – und soll jetzt weiter | |
entkräftet werden. | |
Aus früheren Aussagen von S. sei bekannt, dass er am 9. September 1998 | |
seinen V-Mann-Führern mitteilte, dass der B&H-Kader Jan W. persönlichen | |
Kontakt zu den drei Untergetauchten habe und „die drei Skinheads mit Waffen | |
zu versorgen“ solle. „Hallo, was ist mit der Bums“ soll W. an S. gesimst | |
haben. | |
Bei einer polizeilichen Vernehmung, so Hoffmann, hätte S. zudem gesagt, | |
dass in Chemnitz die Szene wusste, dass das Trio gleich nach dem | |
Untertauchen 1998 in der Stadt war. B&H-Mitglieder und deren Umfeld hätten | |
in der sächsischen Stadt Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe | |
aufgenommen, verschiedene Wohnungen wurden ihnen zur Verfügung gestellt und | |
Ausweispapiere besorgt. | |
Das Trio beteiligte sich an der Erstellung und Produktion von Nazimagazinen | |
und half bei der Produktion von T-Shirts, sagt der Nebenklagevertreter | |
weiter. „Die drei lebten ganz normal, man traf sie beim Grillen, | |
Fahrradfahren – isolierter Untergrund sieht anders aus“, sagt Hoffmann. | |
„Wir werden gezielt fragen“, versichert auch Pinar. | |
29 Nov 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Speit | |
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