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# taz.de -- Vogelgrippe und Massentierhaltung: „Stallpflicht ist kontraproduk…
> Vogelgrippe tritt in Massenställen auf. Doch es hält sich die These, dass
> Wildvögel das Virus übertragen. Gänseforscher Johan Mooij klärt auf.
Bild: Hühner hinter Gittern: Bricht die Vogelgrippe aus, wird sofort Stallpfli…
BREMEN taz | taz: Herr Mooij, kann man absolut sicher sein, dass die
Vogelgrippe nicht durch Wildvögel übertragen wird?
Johan Mooij: Nein – es lässt sich nur mit 99,99 prozentiger Sicherheit
ausschließen.
Also doch eher ja?
Es gibt, trotz intensiver und ja mittlerweile jahrzehntelanger Suche keinen
einzigen Beleg dafür, dass jemals eine solche Übertragung passiert ist. Die
Ausbrüche sind in Biosicherheitsställen passiert, in die von außen so gut
wie nichts reinkommt. Was wir hingegen wissen, ist, dass beispielsweise
über deren Abluft Krankheitserreger nach draußen transportiert werden.
Dann wäre die Stallpflicht völlig sinnlos?
Nein, sie dient der Seelenruhe und sie zeigt, dass etwas getan wird.
Aber in der Sache?
Auf die Ausbreitung der Krankheit hat sie keine Auswirkungen. Da ist sie
sogar kontraproduktiv: Die Vogelgrippe tritt in industriellen Ställen auf.
Diese Betriebe bleiben völlig unbehelligt – und werden für Verluste aus der
Tierseuchenkasse entschädigt. Die tierfreundlicher arbeitenden
Freilandproduzenten aber werden bestraft.
Aber das Friedrich-Löffler-Institut (FLI) hat doch bereits eine mit H5N8
belastete Krickente gefunden …
Ob dieser Befund so eindeutig ist, ist fraglich!
Inwiefern?
Soweit ich es weiß, ist eine Gruppe von Enten, die hie und da geschossen
worden sind, ins FLI transportiert und dort beprobt worden. Diese Vögel
können bei der Jagd überall gelegen haben und wurden nicht einzeln, sondern
in irgendeinem Sammelbehälter transportiert. Eine von diesen Proben war
dann zwar positiv, aber es kann durchaus sein, dass der Vogel erst nach
seinem Tod mit H5N8 kontaminiert wurde.
Also beispielsweise aus dem Boden?
Vor allem fehlt jede Gegenprobe: Es ist nur eine einzige Probe von dieser
Ente analysiert worden. Und diese eine Probe zieht eine solche Kette von
Reaktionen nach sich.
Weil die Politik dem FLI folgt: Robert Habeck, der grüne Agrarminister in
Schleswig-Holstein, hat es als „wahrscheinlich“ bezeichnet, dass
Wasservögel das Virus übertrügen.
Wenn das ein Politiker sagt, wundert mich das nicht: Politiker haben
meistens wenig fachliche Ahnung. Die sind da, weil sie eine politische
Funktion haben und sie sollen ein Ministerium leiten. Das heißt doch noch
lange nicht, dass sie die Materie beherrschen. Sie müssen schon ein Stück
weit auf das vertrauen, was man ihnen sagt.
Aber das ist doch das Problem?
Das Problem ist: Das FLI bleibt bei der These, dass Wildvögel dieses Virus
transportieren und auf Kulturvögel übertragen würden, ohne dass es dafür
einen einzigen Beleg gäbe. Vor acht Jahren hatten wir exakt dieselbe
Diskussion wie jetzt. Da hat auch das FLI dieselbe Position vertreten wie
aktuell.
Das ist nur konsequent.
Mittlerweile gibt es aber sehr viele Untersuchungen – auch in anderen
Teilen der Welt. In den USA etwa, wo Millionen Wildvögel untersucht wurden:
Nie wurde ein hochpathogenes Vogelgrippe-Virus gefunden. Oder in Asien, in
Südkorea, Japan und China: In China hat man sechs Enten gefunden, die
hochpathogene Vogelgrippen-Viren hatten.
Also doch?
Nein, selbst diese sechs Enten taugen nicht zum Beleg der
Wildvogelhypothese. Ich war vergangene Woche am Poijang-See, wo diese Enten
gefunden wurden. An den Ufern werden viele Enten gezüchtet. Die Forscher,
die diese infizierten Tiere untersucht haben, wussten nicht, wann die Tiere
das Virus aufgenommen hatten. Wahrscheinlich hatten sie sich ganz frisch
infiziert und wirkten deshalb noch weitgehend gesund.
Das wäre dann aber ein Beleg dafür, dass es doch möglich wäre?
Das ist völlig unwahrscheinlich: Hochpathogene Viren sind bei Wasservögeln
nur bei toten oder sterbenskranken Tieren festgestellt worden. Das ist ja
auch klar: Wenn wirklich ein Wildvogel diese Krankheit hat, hat er ein
Problem mit seinen Atemwegen und dem Darm, dann scheidet er vermehrt
Schleim ab …
… und kann dann auch nicht fliegen?
Genau. Ein Vogel, der fliegt, muss seinen Stoffwechsel verzehnfachen, die
Menge Sauerstoff, die er benötigt, geht um das fünf- bis achtfache hoch.
Ein vogelgrippekranker Vogel mit angeschlagener Lunge voll Schleim kann
nicht fliegen. Der kann weder die notwendige Menge Sauerstoff aufnehmen
noch hat er die nötige Kraft: Im Stall kann er dann vielleicht noch in der
Ecke hocken und überleben. In der Wildbahn kommt dann aber der Fuchs, die
wildernde Hauskatze, oder der Bussard – und beendet die Geschichte.
Aber warum sollte das FLI sowas verbreiten?
Das ist die große Frage. Manchmal verrennt man sich ja in eine Idee und
hängt dann irgendwann so weit aus dem Fenster, dass man den Kopf nicht mehr
zurückziehen kann, ohne das Gesicht zu verlieren. Wahr ist aber auch: Dem
FLI hat 2006 die ganze Aktion mit H5N1 finanziell nicht geschadet. Die
Politik hat danach viele Gelder freigegeben und das FLI hat sehr viele
Aufträge bekommen. Rein menschlich könnte auch so etwas eine Rolle spielen,
das Gleiche noch einmal zu probieren.
Ein harter Vorwurf!
Wenn ich eine Behauptung aufstelle, muss ich irgendwann auch mal ein paar
Belege dafür finden. Ich kann also nicht im Jahr 2005 eine Hypothese
aufstellen über die Wildvögel, diese 2014 noch einmal wiederholen – obwohl
in der Zwischenzeit gar keine Anhaltspunkte gefunden worden sind, die sie
erhärtet hätten. Insofern: Ich weiß wirklich nicht, was in den Leuten vom
FLI vorgeht. Ich weiß nur: Was sie verkünden, ist wissenschaftlich nicht
haltbar.
3 Dec 2014
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Landwirtschaft
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Epidemie
Vogelgrippe
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