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# taz.de -- Die Verbreitung der Vogelgrippe: Ein Laster und die toten Tiere
> Die Keulung der pommerschen Puten hatte Anfang November ein Cloppenburger
> Spezial-Unternehmen besorgt. Jetzt herrscht dort Vogelgrippe.
Bild: Übertragung per Lkw? Hier wurde 2007 in Mittelfranken zumindest alles mi…
BREMEN taz | Nicht wie vom Friedrich-Löffler-Institut (FLI) favorisiert
Zugvögel, sondern Laster des mit der Keulung der Greifswalder Puten
beauftragten Stallhygiene-Unternehmens könnten den Vogelpest-Virus von
Mecklenburg-Vorpommern nach Cloppenburg transportiert haben. Darauf weist
das Wissenschaftsnetzwerk Aviäre Influenza hin. „Wir haben Videos von der
Maßnahme ausgewertet“, sagt dessen Sprecher Werner Hupperich der taz, „und
sind auf diese Spur gestoßen."
Tatsächlich lässt sich in einem Film der Delmenhorster
„Nonstopnews“-Video-Nachrichtenagentur über den Vogelpest-Ausbruch in
Heinrichswalde die Herkunft der Laster erkennen. „Von uns sind da keine
Archivmaterialien reingeschnitten worden“, bestätigt deren Redaktion die
Beweiskraft der Bilder. „Das sind ausnahmslos Originalaufnahmen.“
Dass mit der Vogeltötung dort ein Cloppenburger Spezial-Betrieb beauftragt
war, ist brisant: Denn am Dienstag hatte sich dort, in Barßel-Harkebrügge,
der Verdacht auf einen vom H5N8-Erreger ausgelösten Vogelpest-Ausbruch in
einer Puten-Mastanlage bestätigt. Die Behörden hatten daraufhin neben der
Keulung der 19.000 Truthähne in Harkebrügge angeordnet, 121.500 weitere
Tiere zu vergasen, die in einem Umkreis von nur einem Kilometer gehalten
wurden: Cloppenburg gehört nach dem benachbarten Emsland zu den Landkreisen
mit der höchsten Geflügeldichte. In Südkorea, wo Anfang des Jahres der
erste H5N8-Virus auftrat, waren im Verlauf der Epidemie gut zwölf Millionen
Vögel gekeult worden.
Der Cloppenburger Laster auf der Greifswalder Farm ist kein Beweis. Aber
nach der Einschätzung des Kieler Zoologie-Professors Sievert Lorenzen „eine
heiße Spur“. Ähnlich äußert sich auch Siegfried Ueberschär, emeritierter
Professor der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Zumal der Abtransport der
getöteten Vögel nach seiner Einschätzung einen Beitrag zur Streuung des
Erregers leisten kann: „Die Gefahr ist riesengroß“, sagt er.
## Wie ein Zirkus-Magier
Beide Wissenschaftler blicken mit großer Skepsis aufs FLI, Lorenzen sogar
mit Empörung wie er sagt: „Es ist schon erstaunlich, dass man über solche
entscheidenden epidemiologischen Erkenntnisse vom FLI nichts hört.“
Andererseits grenze deren Verhalten ohnehin „an arglistige Täuschung“ so
Lorenzen. Er wirft dem Bundesinstitut für Tiergesundheit vor, wie ein
Zirkus-Magier die Aufmerksamkeit auf die Wildvögel zu lenken, "damit
niemand aufs eigentliche Problem achtet". Das sei die Geflügelindustrie.
„Wenn uns unterstellt wird, eine Hypothese zu bevorzugen, finde ich das gar
nicht lustig“, sagt FLI-Sprecherin Elke Reinking. Dass der – sie empörende
– Eindruck entstehen kann, liege möglicherweise daran, „dass diese Sachen
so schnell abgeklärt sind“, so Reinking. So habe das Greifswalder
Unternehmen Einstreu und Futter aus der Region bezogen, auch sei es nicht
durch die Unternehmensstruktur mit den betroffenen Farmen in den
Niederlanden und England verbunden.
Ob den FLI-Experten der durch die Keulungs-Logistik hergestellten Beziehung
zwischen Ausbruchsort Heinrichswalde und Ausbruchsort Barßel bereits
bekannt war,hat sich bis Redaktionsschluss nicht ermitteln lassen können.
Und dass die Zugvogelroute und das Ausbruchsgeschehen einfach nicht
zusammenpassen, „das sehen wir nicht so“.
Ornithologen „haben da große Bedenken“, erinnert dagegen Ueberschär. So
lägen die räumlich extrem entfernten Krankheitsereignisse zeitlich viel zu
nah beieinander – von Korea über Nordpolarregion nach Europa, „das würde
mindestens drei Jahre dauern, bis das Virus hier wäre“.
Dass H5N8 desselben Stamms wie in Cloppenburg am 16. Dezember auch an einem
Volièren-Falken im US-Bundesstaat Washington festgestellt wurde, bestärkt
solche Zweifel, auch wenn der mit geschossenen Wildvögeln gefüttert worden
ist: Zuvor hatte die Pest im benachbarten British Columbia Station gemacht,
in zwei Putenfarmen. Wenn man sehe, „wie der Kot aus der Geflügelhaltung
fast ohne jede Kontrolle und oft unabgedeckt auf Felder ausgebracht wird“,
so Ueberschär, könne man sich indes sehr wohl „vorstellen, dass sich
Wildvögel dort infizieren“.
18 Dec 2014
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
## TAGS
Vogelgrippe
Entsorgung
Erreger
Virus
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Vogel
Krankheit
Massentierhaltung
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Landwirtschaft
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Wildvögel.
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