# taz.de -- Geld statt Haltung: Geschacher um Abschiebungen | |
> Aus Angst um Millionen vom Bund will Niedersachsen nicht auf die | |
> Ausweisung von Flüchtlingen im Winter verzichten. Das kann dramatische | |
> Folgen haben. | |
Bild: Abschiebung ins Elend: Roma-Kinder in einer Belgrader Hütten-Siedlung. | |
HANNOVER taz | Um Abschiebungen ins Ungewisse auch mitten im Winter zu | |
ermöglichen, übt das vom Christdemokraten Thomas de Maizière geführte | |
Bundesinnenministerium offenbar massiven finanziellen Druck auf das Land | |
Niedersachsen aus. „Wir können überhaupt keinen Winter-Abschiebestopp | |
verhängen“, ist aus dem Umfeld von SPD-Landesinnenminister Boris Pistorius | |
zu hören. „Dann müssten wir auf millionenschwere Bundesförderung | |
verzichten.“ | |
Hintergrund ist das Konzept sogenannter „sicherer Drittstaaten“, auf das | |
sich Bund und Länder im September auch mit Unterstützung des von Grünen und | |
SPD regierten Baden-Württemberg geeinigt hatten. Danach gelten etwa | |
Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als frei von politischer | |
Verfolgung – auf den Balkan kann seitdem schnell abgeschoben werden. Im | |
Gegenzug zahlt der Bund den klammen Ländern und ihren Kommunen 2014 und | |
2015 jeweils 500 Millionen Euro. Niedersachsen soll insgesamt 90 Millionen | |
Euro erhalten. | |
Allerdings erwartet Christdemokrat de Maizière dafür politisches | |
Wohlverhalten. Länder wie Schleswig-Holstein oder Thüringen, die trotz der | |
Asyl-Einigung einen Winter-Abschiebestopp verhängt haben, handelten | |
„kontraproduktiv“, meckert der Berliner Minister – und droht kaum | |
verhohlen, damit sei die „Geschäftsgrundlage für die vereinbarte | |
Unterstützung der Länder durch den Bund“ gefährdet. | |
Für Flüchtlinge kann das dramatische Folgen haben: Auf die Frage, ob er | |
„garantieren könne, dass zum Beispiel Roma nicht bei Schnee und Eis in | |
irgendwelchen notdürftig zusammengezimmerten Hütten landen“, musste der | |
Sprecher von Niedersachsens Innenminister Pistorius vor den Journalisten | |
der versammelten Landespressekonferenz mit einen klaren „Nein“ antworten. | |
## Systematisch diskriminiert | |
Denn gerade Roma werden auf dem Balkan systematisch diskriminiert: | |
MenschenrechtsaktivistInnen sprechen von „unbeschreiblichem Elend“. Selbst | |
Zwangsumsiedlungen bei minus 20 Grad seien schon umgesetzt worden; manche | |
Familien hätten sich „aus zusammengesuchten Materialien Behelfshütten | |
bauen“ müssen. | |
Entsprechend empört reagieren Hilfsorganisationen: „Sollte Niedersachsen | |
wirklich aus finanziellen Gründen keinen Abschiebestopp verhängen, verkauft | |
das Land seine Haltung gegen Geld“, kritisiert der Geschäftsführer des | |
Flüchtlingsrats Niedersachsen, Kai Weber. | |
Bundesinnenminister de Maizière versuche, Einwanderung zu einem „guten | |
Geschäft“ zu machen, sagt Weber: Schon 2013 seien maximal 0,6 Prozent der | |
Anträge von oft mittellosen Asylsuchenden vom Westbalkan anerkannt worden. | |
Bei Schutzsuchenden aus Syrien, von denen rund 80 Prozent Akademiker seien, | |
betrage die Anerkennungsquote dagegen rund 80 Prozent. | |
De Maizière, behauptet Weber, wolle besonders Roma damit vor allem eines | |
signalisieren: „Eure Armut kotzt uns an.“ | |
11 Dec 2014 | |
## AUTOREN | |
Andreas Wyputta | |
## TAGS | |
Abschiebung | |
Roma | |
Flüchtlinge | |
Niedersachsen | |
Niedersachsen | |
Emsland | |
Bayern | |
Grüne | |
Roma | |
Grüne | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Flüchtlingspolitik in Niedersachsen: Todkrank, aber reisefähig | |
Zwei Mal im Jahr muss die Roma-Familie Memisevic um ihr Bleiberecht | |
fürchten – obwohl Tochter Anita schwer erkrankt ist, droht die Ausweisung | |
nach Serbien. | |
Suzana S. darf bleiben: Ein besonderer Härtefall | |
Der Landkreis Emsland unterliegt vor Gericht und muss die | |
Aufenthaltsgenehmigung der fünffachen Mutter Suzana S. und ihrer Kinder | |
verlängern. | |
Sichere Herkunftsländer: Bayern will Status ausweiten | |
Die Einstufung soll auf drei weitere Balkanstaaten ausgeweitet werden. Das | |
forderte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. | |
Flüchtlingspolitik in Baden-Württemberg: Grün-Rot schiebt Roma ab | |
Zuletzt hatte Ministerpräsident Kretschmann eine „humane Abschiebepolitik“ | |
versprochen. Nun wurden trotzdem 83 Balkan-Flüchtlinge abgeschoben. | |
Geschichte einer Flucht: Rotenburg–Kosovo und zurück | |
Familie Shala ist wieder in Rotenburg an der Wümme. Bis zu ihrer | |
Abschiebung in den Kosovo 2010 hatte die Romafamilie über 20 Jahre in | |
Niedersachsen gelebt. Im Februar hatten wir sie noch im Kosovo besucht. | |
Protest gegen die Asylrechtsreform: Verschenkte Menschenrechte | |
Flüchtlinge und Unterstützer versammelten sich vor dem Bundesrat. Sie | |
demonstrierten gegen die Erleichterung von Abschiebungen und gegen die | |
Grünen. |