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# taz.de -- Die Wahrheit: „Lasst uns roh und munter sein …“
> Die investigative Wahrheit-Reportage: als V-Mann undercover bei der
> Weihnachtsfeier der Fragida-Bewegung in Frankfurt-Heddernheim.
Bild: Nichts lieben die Mitglieder von Fragida mehr als traditionelle Feste
Die Stimmung im Festsaal Heddernheim ist gedämpft wie das Licht. Flackernde
Kerzenstumpen und funzlige LED-Ketten beleuchten die Gesichter der rund
achtzig Anwesenden. In ihnen zeigen sich Sorge und Wut so unverhüllt, wie
das Gemurmel, das dort herauskommt, bekümmert klingt. Wären da nicht die
Weihnachtsdekoration, die Tannenzweige, roten Papierservietten und
dampfenden Glühweinbecher, man würde nicht glauben, dass man sich auf einer
Weihnachtsfeier befindet.
Doch es ist eine, und zwar die des Pegida-Ablegers Fragida aus Frankfurt am
Main. Dieser jüngste Spross der islamkritischen Bewegung, die gegenwärtig
auf den Straßen Deutschlands so viel Furore macht, formiert sich soeben
erst. Genau deshalb bin ich hier – inkognito, als Beobachter einer
verfassungsschützenden Behörde, deren Name nichts zur Sache tut – und suche
das Gespräch.
„Fragida hatte mit krassen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen“, gibt Herfried
Pissner, einer der drei Organisatoren, unumwunden zu. Bei Facebook seien
zunächst mehrere Fragidas gegründet wurden. Man habe sich lange nicht
einigen können. Auch die Planung der obligatorischen Montagsdemo sei noch
nicht weit gediehen: „Wir drei mussten ja erst mal mit unseren
Bewährungshelfern sprechen oder Freigang beantragen.“
Bedeutsamer für die zögerliche Resonanz sei jedoch, erläutert der
korpulente Fleecejackenträger, dass die Islamisierung in der Mainmetropole
schon zu weit fortgeschritten sei: „Die meisten Frankfurter haben sich an
die Rufe des Muezzins gewöhnt, der sie frühmorgens weckt.“ Dass man
allerorten über Gebetsteppiche stolpere und nirgendwo mehr ein ordentliches
Gyros bekomme, sondern stets nur Döner, werde zähneknirschend hingenommen.
## Freigang für Fragida
Viele, so Pissner, fürchteten sich auch bei der Vorstellung, durch die
Innenstadt zu ziehen und vor dem Untergang des Abendlands zu warnen, wenn
sie von der Mehrheit der Leute auf der Straße gar nicht verstanden werden.
„Sind ja alles Ausländer hier in Frankfurt“, lacht er bitter. Darum sei die
Weihnachtsfeier in diesem nördlichen Stadtteil eine sehr schöne
Gelegenheit, sich mal zu treffen, ohne gleich von kriminellen Asylbewerbern
oder gewaltbereiten Gegendemonstranten plattgemacht zu werden.
Genauso formuliert es Pissner auch bei seiner Begrüßungsansprache, die die
Besinnlichkeit ein wenig aufbricht, weil der begabte Redner genügend
Seitenhiebe auf die Wuppertaler Scharia-Polizei und den allgegenwärtigen
Gender-Wahnsinn einflicht.
So manches gramzerfurchte Gesicht lacht hellauf über die aberwitzigen
Versuche, die natürliche Ordnung von Männlein und Weiblein politisch
korrekt auf den Kopf zu stellen. „Ich habe ja nichts gegen
Frauenbewegungen, aber bitte nur beim Tabledance!“, ruft der Mittvierziger;
die Feiergemeinschaft gerät schier außer sich.
Zum Abschluss der Rede prangert Pissner die Frauenunterdrückung im Islam
an, vom Burkazwang bis zur frechen Anmache, vor der unsere Frauen nirgendwo
sicher sind, nicht mal im Urlaub in Marokko. So wird die Stimmung wieder
angemessen wütend.
Nun aber führen die Organisatoren mit ihren Gattinnen ein rasantes
Kurzkrippenspiel auf: Die heiligen drei Könige aus dem Morgenland liefern
ihre Geschenke ab und werden dann ganz schnell und unbürokratisch nach
Hause geschickt. Weil der Applaus so gewaltig aufbrandet, wird die
Abschiebungsszene als Zugabe fünfmal wiederholt.
An einem Seitentisch sitzt eine Handvoll bessergekleideter Senioren, die
sich ausnehmend gut amüsieren. Sie sind eine Abordnung der Landes-AfD, die
sich „mal ein Bild von der Lage machen“ und gegebenenfalls „ordentlich
mitmischen“ will. Dabei stünden sie Fragida nicht unkritisch gegenüber,
sagt der Älteste, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, wenn es
nicht die Junge Freiheit ist.
Insbesondere das Vorstrafenregister des Orga-Teams sorge bei ihnen für
Stirnrunzeln. Schlimm sei aber auch das aktuelle Positionspapier der
Dresdner Mutterbewegung: Was der Gutmenschenschleim zu Beginn denn solle,
von wegen „Menschenpflicht zur Aufnahme von Flüchtlingen“? Damit schüre m…
doch nur Ängste – nämlich vor Pegida.
## Alkohol als Bollwerk
Wie zum Beweis des Gegenteils tritt indessen Pissners Frau Gudrun ans Mikro
und kündigt als nächsten Programmpunkt das beliebte Wichteln an. „Es war
ein Kraftakt, das per WhatsApp zu organisieren“, flüstert mir ihr Gatte zu:
„Wer beschenkt wen? Wie viel muss es wenigstens wert sein? Darf man Sachen
verschenken, die man selber schon getragen hat, Unterwäsche zum Beispiel?“
Dafür klappt der Austausch der Geschenke allerdings überraschend gut: Jubel
bei den vielen, die Schnaps oder deutsche Orden aus beiden Weltkriegen
auspacken, verhaltener Ärger bei den wenigen, die einen Christstollen
bekommen, als wären sie ostdeutsche Rentner. Ratlos hält ein Hooligan im
Kapuzenpulli eine Bibel hoch und wird von einem Jack-Wolfskin-Wutbürger
belehrt: „Wegen Abendland, junger Mann, christliches Abendland!“ Nur mit
Mühe kann der Heißsporn daran gehindert werden, dem alten Klugschwätzer den
Kopf einzuschlagen.
Bevor die Feier laut Tagesordnung in die „freie Aussprache“ entlassen
werden kann, tritt Pissner vor die Gäste und ermahnt sie, den Getränken
nicht zu sparsam zuzusprechen. Alkohol sei ein Bollwerk gegen den
Islamismus, das Trinken großer Mengen Glühwein eine Widerstandshandlung
gegen Dschihadisten und IS-Terroristen. Wenn man dazu Schweinefleisch esse,
zum Beispiel die Frankfurter Rippchen vom Buffet, stärke das auch
ausnehmend gut gegen Zwangsheirat und Asylbetrug.
Während wir das fettige Fleisch vom Knochen nagen und mit großen Schlucken
Glühwein hinabspülen, erklärt mir Pissner, dass es auch darum gehe, dem
inneren Islamisten in uns allen zu Leibe zu rücken: „Wer hat denn nicht mal
Lust, seine Frau zu verschleiern? In einen heiligen Krieg zu ziehen? Oder
einen Abend lang keinen Alkohol zu trinken?“ Diese schleichende
Islamisierung des eigenen Selbst müsse mit allen Mitteln bekämpft werden,
notfalls auch mit Gewalt.
## Bessere Weihnachtslieder
Im Saal wird es derweil gemütlich. An einigen Tischen stimmt man
Weihnachtslieder mit verbesserten Texten an: „Macht eng die Tür, das Tor
macht zu“, „Lasst uns roh und munter sein“, „An Flüchtlingsheimen die
Dächer brennen“. Bei Letzterem geht allerdings ein vernehmbares Murren
durch den Saal.
Man könne so etwas ja denken, zischt ein angetrunkener Endfünfziger im
Lodenmantel, aber nicht in aller Öffentlichkeit singen. "Wenn wir Deutschen
etwas aus unserer Geschichte gelernt haben sollten, dann doch, dass man in
Ausländerfragen mehr Fingerspitzengefühl zeigen muss als Hitler", poltert
er. Die Umstehenden applaudieren begeistert, wiederholen nachdenklich das
letzte Wort seiner Rede, skandieren immer lauter: „Hitler! Hitler! Hitler!“
Erleichtert verlasse ich die Feier, während die festlichen Rufe durch die
stille Nacht klingen, als sei es schon die heilige Nacht. Dem Amt kann ich
berichten: Wenn das die Menschen sind, die unsere europäischen Werte
verteidigen, muss uns um das Abendland nicht bange sein.
19 Dec 2014
## AUTOREN
Mark-Stefan Tietze
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