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# taz.de -- Neue Emissionsregeln für Schiffe: Deutlich sauberer – aber nicht…
> Seit dem 1. Januar dürfen Schiffe auf Nord- und Ostsee weniger Emissionen
> abgeben. Reeder fürchten, dass steigende Kosten den Straßenverkehr
> attraktiv machen.
Bild: Dürfte sich im neuen Jahr aufhellen: Abgasfahne einer Ostseefähre.
HAMBURG taz | Vervierfacht hat sich der weltweite Schiffsverkehr seit 1992.
Das hat die internationale American Geophysical Union (AGU) in Washington
ermittelt. Und der Boom soll sich fortsetzen: Für 2015 wird eine Zunahme
von etwa fünf Prozent erwartet. Und das hat Auswirkungen auf die Umwelt.
Die Schweröle, die in Schiffsmotoren verbrannt werden, erzeugen einen
Schwefelausstoß, der bis zu 1.000-fach höher ist als der von Autodiesel.
Die Millionen Tonnen von Ruß aus den Schornsteinen der Containerriesen und
Kreuzfahrtschiffe gelangen als feine und giftige Luftpartikel in die
Atemwege und als saurer Regen in Böden und Gewässer.
Aus diesem Grund sind die Umweltregeln für die Schifffahrt auf Nord- und
Ostsee zum Jahresbeginn drastisch verschärft worden: Gemäß den Vorgaben der
Internationalen Maritimen Organisation (IMO) in London gelten seit dem 1.
Januar 2015 in den Emissionskontrollzonen Seca (Sulphur Emission Control
Areas) neue und schärfere Grenzwerte für den Schwefelausstoß.
Der erste und bis heute noch international übliche Grenzwert betrug 4,5
Prozent Schwefelanteil im Kraftstoff. Bis 2010 galt auf Nord- und Ostsee
ein Schwefelanteil von 1,5 Prozent, danach von 1,0 Prozent. Jetzt wurde die
Vorgabe für die Abgase nochmals deutlich verschärft: Vor Norddeutschlands
Küsten dürfen Schiffe nur noch Kraftstoffe mit einem Schwefelanteil von 0,1
Prozent verbrennen.
Die UN-Weltschifffahrtsorganisation IMO, das Bundesamt für Seeschifffahrt
und Hydrographie (BSH) in Hamburg und auch Meeresschützer halten die
saubereren Normen für einen „Quantensprung“. Und auch Elke Körner,
Ostseeexpertin des Umweltverbandes BUND in Mecklenburg-Vorpommern, spricht
von „einem riesigen Schritt“. Allerdings sei man damit „noch nicht am
Ende“.
90 Prozent der weltweiten Handelsware wird laut IMO per Schiff
transportiert, dem mit weitem Abstand günstigsten und saubersten
Verkehrsmittel. Zum Vergleich: Lastwagen stoßen etwa die dreifache Menge
CO2 aus, Flugzeuge gar die 30-fache.
Die auf den Schwefel bezogenen Seca-Normen seien jedoch eine „finanzielle
Herausforderung“, beklagte im Dezember Michael Behrendt, der scheidende
Präsident des Verbandes Deutscher Reeder (VDR) und Aufsichtsratschef der
Hamburger Frachtreederei Hapag-Lloyd. Deshalb gilt ausgerechnet der
„schmutzige“ Straßenverkehr nun plötzlich wieder als möglicher Konkurren…
Es drohe eine Verkehrsverlagerung zurück auf die Straße, warnte Behrendt:
„Gutgemeintes wird zum Bumerang.“
Um den neuen Vorgaben in den Seca-Gebieten ab 2015 zu genügen, setzen die
meisten Reeder auf zwei Alternativen: Treibstoffe mit geringerem
Schwefelgehalt und sogenannte Scrubber. Der Einbau einer solchen
Abgasreinigungsanlage rechnet sich, weil das Schiff dann weiterhin mit
herkömmlichem, billigem und schmutzigem Schweröl fahren kann.
Die Investition pro Schiff liegt zwischen drei und fünf Millionen
US-Dollar. Saubererer Kraftstoff ist hingegen deutlich teurer als das
herkömmliche Schweröl, das als Sondermüll bei der Benzinraffinierung
anfällt. Mit steigendem Bedarf könnte der Preis sogar noch steigen.
Dass ein Kostenanstieg unvermeidlich sein wird, davon ist man auch bei der
weltgrößten Frachtreederei Maersk überzeugt. „Wegen Seca wird sich an
unseren Fahrplänen auf der Ostsee nichts ändern“, sagte Jens-Ole Krenzien,
Deutschland-Geschäftsführer von Maersk, im November in einem
Pressegespräch. Die Mehrkosten von 300 US-Dollar pro Tonne Fracht würden an
die Kunden weitergegeben.
Obwohl der Termin der Seca-Revolution seit Oktober 2008 bekannt ist,
zeichnet sich ab, dass viele Schiffe in den ersten Monaten die Grenzwerte
nicht einhalten werden. Der Reederverband VDR fordert deshalb Toleranz
gegenüber Sündern. Zuständig für die Kontrolle ist hierzulande das
Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH).
Die Behörde zeigt sich optimistisch. Seit 2013 werden
„Satellitenfernerkundungsmethoden zur Abgasuntersuchung“ erprobt, die um
Messungen aus Flugzeugen oder in Häfen ergänzt würden. Jörg Kaufmann,
oberster Schifffahrtsfachmann des BSH: „Allein das Wissen, dass man
kontrolliert wird, ist für Reeder abschreckend.“ Auf diese Weise sei in der
Vergangenheit schon die Ölverschmutzung eingedämmt worden.
Weniger eindrucksvoll erscheinen derzeit noch die geplanten Sanktionen
gegen Sünder. Die bislang bekannt gewordenen Geldbußen bewegen sich „in
einem nicht ernst zu nehmenden Bereich“, kritisieren die Analysten der
NordLB. Die Rede ist von 2.000 bis 5.000 Euro. Härter straft Dänemark:
Unser Nachbar will obendrein den erzielten Kostenvorteil einziehen. Das
kann dann richtig teuer werden.
1 Jan 2015
## AUTOREN
Hermannus Pfeiffer
## TAGS
Nordsee
Ostsee
Meeresschutz
Hamburger Hafen
Lkw
Mobilität
Schifffahrt
Reederei
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