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# taz.de -- Schiffssicherheit in der Ostsee: Volle Fahrt voraus – aber ohne N…
> Die Lotsenpflicht auf der Ostsee ist völkerrechtlich nicht durchzusetzen,
> auch nicht für besonders gefährliche Gebiete. Damit steigt die Gefahr von
> Ölunfällen.
Bild: Eine verbindliche Lotsenpflicht in den gefährlichen Gebieten der Ostsee …
Hamburg taz | Für Valerie Wilms ist die Sachlage klar: „Die Lotsenpflicht
in der Kadetrinne ist dringender denn je“, kommentiert die grüne
Bundestagsabgeordnete aus dem schleswig-holsteinischen Pinneberg die
Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche kleine Anfrage ihrer
Fraktion. Statt darüber mit den anderen Ostsee-Anrainern zu verhandeln,
„verdrängt die Bundesregierung eine immer größer werdende Gefahr“, lautet
Wilms‘ Vorwurf.
In seiner Antwort stellt der Bund zwar klar, dass er eine Lotsenpflicht in
navigatorisch besonders anspruchsvollen Seegebieten für notwendig hält.
Dazu zählt er auch die schmale Kadetrinne (siehe Kasten), die für große
Tanker und Containerfrachter der einzig schiffbare Weg in die östliche
Ostsee östlich von Rügen und Bornholm ist. Allerdings enthielten, so
bedauert die Bundesregierung, „die derzeitigen völkerrechtlichen Verträge
keine rechtliche Grundlage für eine Lotsenannahmepflicht“.
Und das ist besonders auf der Ostsee ein Problem. Die Hoheitsgebiete der
Anliegerstaaten von jeweils zwölf Seemeilen (gut 22,2 Kilometer) stoßen an
den meisten Stellen aneinander, und wo sie das nicht tun, lassen die bis zu
200 Seemeile breiten Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) der Länder
keinen freien Spalt. Daraus folgt der Zwang zur Einigung – oder es gilt
eben der geringste Standard. Zu einer Übereinkunft über die Lotsenpflicht
aber sei „die Mehrheit der Ostseeanrainerstaaten bislang nicht bereit“,
erläutert die Bundesregierung.
„Vor allem Russland stellt sich quer“, sagt Jörg Feddern von Greenpeace.
Die Hamburger Umweltschutzorganisation hatte im Dezember 2002 und Januar
2003 vier Wochen lang mit einem ihrer Schiffe die Kadetrinne überwacht. Das
Ergebnis: Der deutschen Ostseeküste droht jederzeit eine schwere Ölpest
durch veraltete Tankschiffe. Von 112 überwachten Tankern seien 24
„schwimmende Zeitbomben“ gewesen, urteilte Greenpeace damals.
## Greenpeace fordert bessere Radarüberwachung
„Bislang hat die deutsche Ostseeküste einfach Glück gehabt“, sagte ihr
Schifffahrtsexperte Christian Bussau. Als dringendste Gegenmaßnahmen
forderte Greenpeace eine Lotsenpflicht für die Kadetrinne, eine verbesserte
Radarüberwachung und eine Meldepflicht für alle Schiffe, die das
gefährliche Seegebiet passieren wollen. Nichts davon ist zwölf Jahre später
Realität.
Im Jahr 2014 passierten laut der aktuellen Antwort der Bundesregierung auf
die grüne Anfrage 54.492 Schiffe die Kadetrinne, davon 8.715 Tanker.
Täglich sind dies im Schnitt 149 Tankschiffe, und nicht wenige sind alte
russische Einhüllen-Tanker. Nach diversen Öl-Katastrophen auf den
Weltmeeren in den 1980er-Jahren durften ab 1996 nur noch Tanker mit
mindestens zwei Wänden (Doppelhüllen) gebaut werden, um bei einer Havarie
die Innenhülle um die Öltanks besser zu schützen. Viele der alten
Schrottlauben indes fahren immer noch – auch durch das enge und nautisch
anspruchsvolle Seegebiet der Kadetrinne.
Und das Gefahrenpotenzial wird nicht geringer. „Die Möglichkeit von
Havarien und Kollisionen mit dramatischen Folgen – insbesondere in der
Kadetrinne und im Fehmarnbelt – wird immer wahrscheinlicher“, warnt Jürgen
Rohweder, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der deutschen Nautischen
Vereine auf der Ostsee, in einem aktuellen Aufsatz. Denn die Schiffe würden
immer größer und somit das Navigieren in engen Fahrtgewässern immer
anspruchsvoller.
## Kollisionsgefahr steigt
Besonders sorgenvoll betrachtet Rohweder die russischen Pläne, den Umschlag
im Ölhafen Primorsk bei St. Petersburg zu verdreifachen. Statt 350 Tanker
im Jahr würden bald 1.200 durch die Ostsee in den Atlantik fahren. Damit
steige die Kollisionsgefahr, warnt Rohweder: „Schon ein schwerer Ölunfall
würde verheerenden Einfluss auf das Öko-System der Ostsee und negative
Folgen für die Küstengewässer haben“ – Fischerei und Bädertourismus ad�…
Das gelte im Übrigen auch für den Fehmarnbelt, der 2014 von 38.167
Schiffen, darunter 8.870 Tankern, befahren wurde. Insbesondere während der
siebenjährigen Bauzeit am geplanten Ostseetunnel zwischen Dänemark und
Deutschland seien „besondere Sicherheitsvorkehrungen“ notwendig, sagt
Rohweder. „Das Unfallrisiko auf ein Minimum zu reduzieren“, fordert auch
Konstantin von Notz, ebenfalls grüner Bundestagsabgeordneter aus
Schleswig-Holstein. „Falls das Unsinnsprojekt kommt, muss der Schutz von
Menschen und Meer schon vor dem ersten Spatenstich garantiert sein“,
fordert von Notz.
Eine Lotsenpflicht im Fehmarnbelt könne aber auch während des Tunnelbaus
„aus völkerrechtlichen Gründen“ nicht eingeführt werden, bedauert die
Bundesregierung in ihrer Antwort. Dazu wäre die Zustimmung der Dänen
notwendig. Die aber seien lediglich zur „Bereitstellung von
Schlepperkapazität für Notfälle“ bereit – also zum Aufräumen nach der
Havarie.
3 Aug 2015
## AUTOREN
Sven-Michael Veit
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Schifffahrt
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