# taz.de -- Zehn Jahre Hartz IV: Leben im Suppenküchen-Staat | |
> Die Armut unter den Erwerbslosen ist seit der Einführung von Hartz IV | |
> gestiegen, kritisiert die Linke. Sie will das Konzept durch eine | |
> Mindestsicherung ersetzen. | |
Bild: Die Hartz-IV-Reformen haben die Armutsquote erhöht, kritisiert die Linke… | |
BERLIN afp/dpa | Zehn Jahre nach Einführung der Hartz-IV-Reformen drängt | |
die Linke auf einen „soziapolitischen Neustart“ in Deutschland. „Hartz IV | |
ist eben nicht der Jobmotor, sondern ein Motor für die soziale Spaltung in | |
diesem Land“, sagte Linken-Chefin Katja Kipping am Freitag vor Journalisten | |
in Berlin. | |
Auf der einen Seite sei eine „Hartz-IV-Welt“ entstanden, ein | |
„Fürsorge-Almosen-und-Suppenküchen-Staat“, in dem Menschen in eine geduck… | |
Bittstellerhaltung gezwungen würden. Auf der anderen Seite hätten sich | |
Siedlungen für Reiche und Superreiche herausgebildet, die sich von privaten | |
Sicherheitsdiensten bewachen ließen. | |
Die von Rot-Grün eingeführten Reformen hätten nicht zu einer schnelleren | |
Vermittlung von Erwerbslosen geführt, sondern lediglich zu einer Ausweitung | |
des Niedriglohnbereichs. Die Zahl der Beschäftigten im Niedriglohnsektor | |
ist Kipping zufolge durch die Hartz-IV-Reformen um 1,3 Millionen gestiegen. | |
Der Anteil der Niedriglöhner an allen Beschäftigten ist nach Parteiangaben | |
von 20,6 Prozent im Jahr 2000 auf 23,1 Prozent in 2010 angewachsen. | |
Nach Kippings Worten hat die Einführung der Hartz-IV-Reformen die | |
Armutsquote unter Erwerbslosen drastisch erhöht: Sei 2003 noch die Hälfte | |
aller Erwerbslosen als arm einzustufen gewesen, seien es 2008 bereits 75 | |
Prozent gewesen. Außerdem habe Hartz IV eher zu mehr Bürokratie geführt, | |
anstatt deren Abbau zu fördern. | |
Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers Christoph Butterwegge, der 2005 | |
aus Protest gegen die Hartz-IV-Reform aus der SPD ausgetreten war, | |
gefährden die Hartz-IV-Reformen auch den sozialen Zusammenhalt in | |
Deutschland. Es entstehe eine Parallelgesellschaft mit Sozialkaufhäusern, | |
Lebensmitteltafeln und „Hartz-IV-Kneipen“. Die soziale Spaltung führe auch | |
zu einer politischen Spaltung, weil die Hartz-IV-Empfänger immer weniger | |
zur Wahl gingen. „Wir entwickeln uns bei den Hartz-IV-Betroffenen zu einer | |
Ohne-Mich-Demokratie“, fügte Butterwegge hinzu. | |
Am 1. Januar 2005 war die damalige, einkommensabhängige Arbeitslosenhilfe | |
abgeschafft und mit der Sozialhilfe zusammengelegt worden. Der Regelsatz | |
für Hartz IV ist zum Jahreswechsel von 391 Euro auf 399 Euro angestiegen. | |
Die Linke will Hartz IV durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung | |
ersetzen, „weil unter 1.050 Euro pro Monat Armut droht“, so Kipping. | |
Die Bundesagentur für Arbeit schätzt, dass die Zahl der sogenannten | |
Aufstocker, die aufgrund ihres niedrigen Arbeitseinkommens zusätzlich auf | |
Hartz IV angewiesen sind, mit der Einführung des Mindestlohns zu | |
Jahresbeginn um 60.000 sinken wird. Kipping sieht das kritisch: „Der | |
Mindestlohn sollte ein Sicherheitsnetz sein, aber dieses Netz hat zu viele | |
große Löcher.“ | |
2 Jan 2015 | |
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