# taz.de -- Beisetzung von Terroropfern in Israel: „Wir wollten euch lebend“ | |
> Vier der Opfer aus Paris sind in Jerusalem beigesetzt worden. Israels | |
> Präsident forderte Europa auf, Juden das Gefühl der Sicherheit | |
> zurückzugeben. | |
Bild: „So wollten wir euch nicht willkommen heißen." | |
JERUSALEM taz | Die vier jüdischen Opfer des Terroranschlags von Paris sind | |
am Dienstagmittag in Jerusalem beigesetzt worden. Rund 2.000 Israelis und | |
Franzosen nahmen Abschied von den vier Männern, die in dem koscheren | |
Supermarkt erschossen wurden. | |
„So wollten wir euch nicht willkommen heißen im Heiligen Land“, sagte | |
Israels Staatspräsident Reuven Rivlin sichtlich erschüttert während der | |
Trauerfeier. „Wir wollten euch lebend.“ | |
Rivlin appellierte an die politischen Führungen in Europa, den dortigen | |
Juden das Gefühl der Sicherheit zurückzugeben. „Israel ist ein Land der | |
Wahl“, betonte er und wies damit indirekt Regierungschef Benjamin Netanjahu | |
zurecht, der mit seinem Aufruf an die Juden in Frankreich, „heim nach | |
Israel zu kommen“, scharfe Kritik ausgelöst hatte. | |
Doch Netanjahu ließ sich nicht belehren, sondern wandte sich gestern im | |
Verlauf seiner Trauerrede erneut an die Juden in der Diaspora. Deren | |
„historische Heimat“ sei Israel, ein Staat, „der blüht und sein moralisc… | |
Licht auf die Welt strahlt“. Frankreichs Umweltministerin Ségolène Royal | |
hielt sich ihrerseits an die in den vergangenen Tagen wiederholt von | |
französischen Politikern geäußerte Feststellung, dass „Frankreich ohne | |
Juden nicht Frankreich“ sei. | |
Die sich seit Jahren zuspitzende Verunsicherung der gut eine halbe Million | |
Mitglieder umfassenden französischen jüdischen Gemeinde lässt immer mehr | |
derer Mitglieder über eine Auswanderung nachdenken. „Die Zahl der Anfragen | |
hat sich in den vergangen Tagen noch verdoppelt“, berichtete Avi Meir, | |
Sprecher der offiziellen Einwanderungsorganisation Israels, der Jewish | |
Agency in Jerusalem, auf telefonische Anfrage. | |
## Einwandererzahen werden zunehmen | |
In weniger als einer Woche seien Hunderte Telefonate eingegangen. Dabei | |
handelte es sich „zunächst nur um grundsätzliche Informationen“, meinte | |
Meir, dennoch sei mit einer „bedeutsamen Zunahme der Einwandererzahlen aus | |
Frankreich“ zu rechnen. | |
Natan Scharansky, Chef der Jewish Agency, müsste sich eigentlich über die | |
wachsenden Zahlen freuen. Doch auch er ging auf Abstand zu Premier | |
Netanjahu. „Antisemitismus ist nicht unser Partner“, warnte er und riet, | |
gerade zum jetzigen Zeitpunkt „die Franzosen nicht vor den Kopf zu stoßen“. | |
Ein Kommentar in der liberalen Zeitung Ha’aretz nannte Netanjahus Kampagne | |
gar eine „klare Kapitulation vor dem Terror. Die Ermutigung zur | |
Massenemigration helfe den „terroristischen Fanatikern, die Aufgabe zu | |
erledigen, die die Nazis und ihre Vichy-Kollaborateure einst in Anlauf | |
nahmen: Frankreich judenrein zu machen“. | |
## Die Bitte, nicht nach Paris zu kommen | |
Als hätte Frankreichs Präsident François Hollande geahnt, dass Netanjahu | |
die Gelegenheit nicht ungenutzt vorbeiziehen lassen würde, kam im Vorfeld | |
der großen Solidaritätsveranstaltung die Bitte an Jerusalem, Netanjahu | |
solle nicht nach Paris kommen. | |
Nach Berichten des kommerziellen israelischen TV-Senders Channel 2 und von | |
Ha’aretz lautete die offizielle Begründung, man wolle verhindern, dass die | |
Aufmerksamkeit auf kontroverse Themen abgelenkt wird. Dazu gehöre der | |
israelisch-palästinensische Konflikt. Als Netanjahu dennoch sein Kommen | |
ankündigte, sei schließlich auch der palästinensische Präsident Mahmud | |
Abbas eingeladen worden. | |
Frankreichs Regierung verspricht, mehr Sorge für die Sicherheit der Juden | |
im eigenen Land zu tragen. Mehrere Tausend Wachmänner sind seit Anfang der | |
Woche an Synagogen, Schulen und anderen jüdischen Einrichtungen postiert. | |
„Jerusalem ist auch nicht sicherer als Paris“, stellte ein Kommentar in der | |
Zeitung Times of Israel lakonisch fest. Wer von Frankreich nach Israel | |
umsiedele, um dem Terror zu entkommen, „ersetzt eine Gefahr nur durch eine | |
andere“. | |
13 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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