# taz.de -- Bilder des Trauermarschs von Paris: Solidarität in der Nebenstraße | |
> Die Weltpolitik vereint in Trauer mit den Demonstranten. Das Bild ging am | |
> Sonntag um die Welt. Dabei beruht es auf einer Fehldarstellung vieler | |
> Medien. | |
Bild: Wo sind die Staats- und Regierungschefs denn? | |
BERLIN taz | Die Staats- und Regierungschefs ganz bürgernah, im Demozug für | |
die Opfer der Pariser Anschläge. Vereint in Solidarität mit den Millionen | |
Demonstranten. Diesen Eindruck vermittelten zahlreiche Medien am Sonntag. | |
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete auf ihrer Titelseite, die | |
PolitikerInnen von Abbas bis Netanjahu hätten sich unter den Demonstranten | |
befunden. | |
Die ARD-Tagesschau behauptete, „führende Politiker aus aller Welt […], | |
unter ihnen auch Kanzlerin Merkel“ hätten „so vereint wie nie“ am | |
„republikanischen Marsch“ teilgenommen. | |
Auch die verwendeten Bilder unterstützten diese Botschaft: Politiker an der | |
Spitze der Demo marschierend, der Rest driftet im Hintergrund in Unschärfe | |
ab. Was weder in Bildern noch in Texten deutlich wurde: Die Staatschefs | |
hatten sich für die Aufnahmen nicht etwa an vorderster Front aufgestellt. | |
Sie hatten sich zu einem Fototermin am Platz Léon Blum, abseits des | |
eigentlichen Geschehens, getroffen. | |
Das berichten britische Medien wie [1][Daily News] und [2][The | |
Independent]. Sie verweisen auf Aufnahmen des französischen Fernsehens, | |
welche die Politiker in einem abgesperrten Bereich in der leeren | |
Nebenstraße zeigen. Nach dem Fototermin seien die Politiker wieder in ihre | |
Limousinen gestiegen und davongefahren. Nur Frankreichs Präsident François | |
Hollande und Premierminister Manuel Valls hätten sich im Anschluss zu den | |
Angehörigen der Opfer begeben. | |
Schnell wurde in den sozialen Medien Kritik am „inszenierten Trauermarsch“ | |
laut, den die Medien und die Politik in Absprache arrangiert hätten. | |
## Positionierung der Fotografen | |
Dass sich 40 Staatschefs nicht einfach so in eine große Menschenmenge | |
einreihen können, ist verständlich und angesichts des hohen | |
Sicherheitsrisikos nachvollziehbar. Viele Medien allerdings müssen sich den | |
Vorwurf der Wahrheitsverzerrung durchaus gefallen lassen. Die großen | |
Bildagenturen von dpa und Reuters lieferten keine Bilder, die den | |
abgeschotteten Politikerzug zeigten. Sie verwiesen gegenüber der taz auf | |
die ungünstige Positionierung der Fotografen. | |
Diese hätten in wenigen Minuten zum Ereignis eilen müssen, seien dort | |
eingepfercht zwischen Sicherheitspersonal und nur wenige Meter von den | |
Politikern entfernt gewesen. „Es galt wohl, unter Zeitdruck das wichtigste | |
Bild einzufangen – die untergehakten Staatschefs“, hieß es bei der dpa. | |
Auch Reuters spricht von einer „unglücklichen Situation“. Für ein Bild ü… | |
die Köpfe der Politiker hinweg, das den Blick auf die leere Seitenstraße | |
ermöglicht hätte, habe der Platz gefehlt. Die ARD konnte bis | |
Dienstagnachmittag die taz-Anfrage zu ihrem missglückten Beitrag nicht | |
kommentieren. | |
Dabei hätten alle Medien die wahren Umstände des Politikermarschs sehen | |
können, denn die französische Agentur afp verbreitete ein Bild, das den | |
arrangierten Block der Volksvertreter zeigt. Umgeben allein von Fotografen, | |
Absperrungen und Sicherheitskräften, nicht von Millionen Demonstranten. Die | |
deutschen Medien hätten auf das Bildmaterial zugreifen können. Sie haben es | |
aber nicht getan. | |
13 Jan 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.nydailynews.com/news/world/photo-world-leaders-paris-not-article… | |
[2] http://www.independent.co.uk/news/world/europe/paris-march-tv-wide-shots-re… | |
## AUTOREN | |
Quentin Lichtblau | |
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