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# taz.de -- Leerstand trotz Wohnungsnot: „Im Schwebezustand“
> Bremen erwartet 2015 über 3.000 Flüchtlinge. Obwohl der Druck auf die
> Stadt steigt, ist noch immer keine Nutzung des leeren
> Bundeswehrhochhauses absehbar.
Bild: Langjähriger Leerstand: das Bremer Bundeswehrhochhaus
BREMEN taz | Vierzehn unbelebte Geschosse ragen in der Falkenstraße in die
Luft. Seit nunmehr fünf Jahren steht das Bundeswehrhochhaus in der
Bahnhofsvorstadt leer. Es ist zu einem Symbol stadtentwicklungspolitischer
Probleme geworden. Derweil befindet sich Bremen unter steigendem Druck,
Unterbringungsmöglichkeiten für Flüchtlinge zu finden. Im Land Bremen wird
für 2015 mit mindestens 3.000 Flüchtlingen gerechnet, in der Stadt mit
2.400.
Die Übergangswohnheime sind voll, die Zentrale Aufnahmestelle ist
überbelegt. „Teils wurden mit Trennwänden Schlafplätze auf den Fluren
eingerichtet“, sagt David Lukaßen, Sprecher der Sozialbehörde. Drei Monate
müssen Flüchtlinge in einem Übergangswohnheim warten, dann haben sie das
Recht auf eine private Unterkunft. Lukaßen schätzt, dass 2015 mehr als 800
Wohnungen vermittelt werden. Das bedeutet jedoch auch, dass mehr als zwei
Drittel der Flüchtlinge auf unbestimmte Zeit ohne private Wohnung
verbleiben.
Für die Sozialbehörde wird es angesichts des angespannten Wohnungsmarktes
immer schwieriger, geeignete Unterkünfte für Flüchtlinge zu finden.
Währenddessen stehen im Bundeswehrhochhaus circa 6.688 Quadratmeter leer.
Im September 2014 stellte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA)
das Bundeswehrhochhaus zum Verkauf. Bereits vor dem Bietverfahren äußerte
das Sozialressort die Idee, das Hochhaus in den unteren sechs bis sieben
Stockwerken als Übergangswohnheim für Flüchtlinge zu nutzen, möglicherweise
auch längerfristig. Nach einer dringend notwendigen Sanierung könnten hier
kleine Wohnungen entstehen.
Die prekäre Lage der Flüchtlingsunterbringung in den Ländern und Kommunen
mit ohnehin belastetem Wohnungsmarkt brachte den Bund zu dem Entschluss,
diese stärker in die Bauleitplanung einzubinden. Die Ende November 2014
verabschiedete Gesetzesänderung beinhaltet unter anderem eine Erleichterung
des Neubaus von Unterkünften in Gewerbegebieten und die Umnutzung leer
stehender Bürogebäude. Durch diese Änderungen ist die Stadt, die nun laut
BImA die Planungshoheit trägt, direkt in die Verhandlungen um das
Bundeswehrhochhaus eingebunden.
„Das erste Bietverfahren, dass formal noch nicht die Frage der
Flüchtlingsunterbringung einschloss, wurde daher angehalten und befindet
sich im Schwebezustand“, heißt es im Ortsamt Mitte. Bis jetzt müssen die
Investoren warten. Zum konkreten Stand des laufenden Verfahrens gibt die
BImA so wenig Auskunft wie die Gewoba, die sich am Bietverfahren beteiligt.
„Gegenwärtig befinden sich die Stadt und die Bundesanstalt in Verhandlungen
um einen Mietvertrag“, sagt deren Sprecher Manfred Corbach lediglich.
Immerhin soll nach der Zwischennutzung von drei bis vier Jahren als
Übergangswohnheim „die Schaffung neuen, sozialen Wohnraums in zentraler
Lage, den die Stadt dringend benötigt“, laut Corbach in Angriff genommen
werden.
Die Bundesregierung erklärt, dass die neue Gesetzgebung eine „schnelle“ und
„menschenwürdige“ Unterbringung von Flüchtlingen schaffen soll. Marc
Millies vom Bremer Flüchtlingsrat betont allerdings: „Statt an temporären
Übergangswohnheimen, muss an längerfristigen Lösungen gearbeitet werden,
die Lebensperspektiven für die Flüchtlinge schaffen.“ Die übergangsweise
Unterbringungsfrage solle zu einer Wohnfrage werden.
Der Leerstand des Bundeswehrhochhauses hat Symbolcharakter über das Problem
der Flüchtlingsunterkunft hinaus. Er zeugt für die bürokratischen Hürden
einer Umnutzung in sozialen Wohnraum und für das zeitgleiche Problem von
Leerstand und Wohnungsnot. Daniel Schnier von der Zwischen-Zeit-Zentrale
betont: „Das Gebäude gehört dem Bund, uns allen. Aber es passiert nichts.
Trotz Mangel an günstigem Wohnraum.“
Über die Jahre gab es vielfältige Konzepte für das vierzehngeschossige
Gebäude, das bis 2007 von der Bundeswehrverwaltung genutzt wurde. Im Sinne
eines „Redevelopment“ beschäftigt sich etwa eine Studie im Rahmen des
Senatskonzepts „Bremen Innenstadt 2025“ mit der möglichen Umwandlung der
Flächen in Wohnraum. Schnier kritisiert jedoch, dass „eine Transformation
meist im Zuge privater Investitionen stattfindet. Das Resultat:
Luxuswohnungen“. Die Wohnraumschaffung unterliege „falschen Prinzipien“.
Die Linkspartei bevorzugt eine hybride Nutzung des Bundeswehrhochhauses aus
bezahlbarem Wohnraum, Büroflächen und Flüchtlingsunterkunft. Für Bremen sei
es unumgänglich, „kommunalen Wohnraum zu schaffen, wo immer es geht“, sagt
Klaus-Rainer Rupp. Der Flüchtlingsrat sieht die größte Herausforderung in
einer nachhaltigen Lösung, die statt einer weiteren Sammelunterkunft
privaten Wohnraum schafft. Das jedoch erfordere eine höhere
Investitionsbereitschaft der Stadt.
14 Jan 2015
## AUTOREN
Merlin Pratsch
## TAGS
Unterbringung von Geflüchteten
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Stadtplanung
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