# taz.de -- Temporäre Nutzung: Das Wurst Case Szenario | |
> Es brennt wieder Licht in der Wurstfabrik: In der ehemaligen | |
> Könecke-Fabrik in Hemelingen will die Zwischenzeitzentrale Arbeitsplätze | |
> für Kreative schaffen. | |
Bild: Präsentieren ihr Projekt in echten Könecke-Kitteln: Oliver Hasemann, Pa… | |
BREMEN taz | Seit mehr als einem Jahr ist die Wurstproduktion im Bremer | |
Könecke-Werk in Hemelingen eingestellt. Seit Anfang April ist nun wieder | |
Leben in der Bude – zumindest im Verwaltungsgebäude: Daniel Schnier und | |
Oliver Hasemann von der Zwischenzeitzentrale Bremen (ZZZ), auch bekannt als | |
Autonomes Architektur Atelier (AAA), sind dort eingezogen, in die | |
Chefetage, wo marmorne Treppenstufen und ein Designerwaschbecken an den | |
Vornutzer erinnern. | |
Vier Etagen hat das Gebäude, 1200 Quadratmeter misst es, 40 Räume zwischen | |
zwei und vierzig Quadratmetern sollen in den nächsten Jahren 80 bis 100 | |
Künstlern, Kreativen und anderen Verrückten als Arbeitsplätze dienen. | |
Die ersten drei sind bereits vermietet, unter anderem ein | |
Zwei-Quadratmeter-Kabuff, in dem sich ein Webdesigner einhausen will. Auch | |
ein Musikprojekt und eine Modeschöpferin haben sich schon eingemietet in | |
den neuen Räumen mit dem klangvollen Namen „Wurst Case“. | |
Hemelingen ist mit rund 40.000 Einwohnern Bremens zweitgrößter Stadtteil - | |
und für viele Bremer ganz schön weit draußen. Schnier und Hasemann | |
berichten amüsiert, dass manche Bewerber zwanzig Minuten vor dem | |
vereinbarten Termin vor der Tür stünden – weil sie den Weg überschätzt | |
hätten. Ob der „Wurst Case“ diese Wahrnehmung ändern kann? | |
Das wird auch davon abhängen, wie viel Zeit das Projekt bekommt. Zunächst | |
ist mit dem Eigentümer eine Laufzeit von zwei Jahren vereinbart, allerdings | |
ist beidseitig vorher eine Kündigung möglich. Daniel Schnier sagt aber | |
auch: „Es könnte auch zehn Jahre dauern.“ Denn das Fabrikareal ist nicht | |
unbedingt einfach zu entwickeln. Zwei Bahntrassen flankieren das Gelände, | |
Hafen und Autobahnzubringer sorgen für zusätzliche Geräuschbelastung, für | |
preiswerten Wohnbau nicht unbedingt die besten Voraussetzungen. | |
Interesse an den Wurst-Case-Räumen gibt es hingegen schon, nicht nur von | |
aus teuren Innenstadtlagen verdrängter Kundschaft. Ein Drittel der | |
bisherigen Interessenten sei aus Hemelingen, sagen die ZZZ-Aktivisten. | |
Darunter waren auch Bildungs- und Qualifizierungsträger, die gleich eine | |
ganze Etage mieten wollten. Allerdings ist das nicht das, was Schnier und | |
Hasemann vorschwebt. Sie wollen eine gesunde Mischung aus Alt und Jung, | |
ausdrücklich auch mit „unterschiedlichem Professionalisierungsgrad“. Und: | |
Sie wollen auch keinen neuen Leerstand produzieren, weshalb die Miete mit | |
vier Euro pro Quadratmeter zwar relativ günstig ist, aber kein | |
Dumpingpreis. | |
Auch wenn Schnier und Hasemann vor allem „Alltagsnutzung“ anstreben – für | |
den „Wurst Case“ also Menschen suchen, die hier arbeiten – ist die | |
Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen: Torsten Schott, der in der Neustadt | |
ein portugiesisches Café betreibt, will eine Filiale aufmachen, mit | |
Terrasse hoch über Hemelingen und mit Blick über die Stadt. Die Chefetage | |
wird Allgemeingut. Das „Karmatransforming“, wie Schnier es formuliert, hat | |
begonnen. | |
Dazu kommt ein weiteres ZZZ-Projekt: „bay-Watch“ am Arberger Hafendamm im | |
Hemelinger Hafen versteht sich als Produktions- und Ausstellungsort für | |
temporäre Architektur und Kunst. Veranstaltungen wie ein offenes Dinner, | |
Konzerte, Lesungen und Workshops geben der Öffentlichkeit Gelegenheit, sich | |
mit Künstlern und Organisatoren zu treffen. | |
19 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Andreas Schnell | |
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