# taz.de -- Gericht kippt Erlaubnis für Atomlager: Brunsbüttel offiziell nich… | |
> Ein Bundesgericht hat die Genehmigung für das Atom-Zwischenlager | |
> Brunsbüttel gekippt. Bei der Zulassung wurden Flugzeugabstürze nicht | |
> berücksichtigt. | |
Bild: Was, wenn ein Flugzeug abstürzt? Zwischenlager Brunsbüttel (vorne im Bi… | |
LEIPZIG/BERLIN/KIEL dpa | Die Genehmigung für das Zwischenlager mit hoch | |
radioaktiven Brennelementen am Atomkraftwerk Brunsbüttel ist rechtswidrig. | |
Das hat das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz entschieden, wie | |
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Freitag in Berlin | |
mitteilte. Das Gericht in Leipzig bestätigte die Aufhebung der Genehmigung | |
durch das Oberverwaltungsgericht Schleswig (OVG) vom Juni 2013. | |
Die Atomaufsicht in Berlin und Kiel wurde von der klaren | |
Gerichtsentscheidung überrascht. Schleswig-Holsteins Energieminister Robert | |
Habeck (Grüne) sprach von einem „kleinen Erdbeben“ für die Atomdebatte in | |
Deutschland. Er entschied per Anordnung, dass die weitere Einlagerung der | |
neun Castoren in Brunsbüttel für drei Jahre geduldet wird. Sie müssen also | |
nicht an einen anderen Standort gebracht werden. In dieser Zeit müssen laut | |
Habeck das Bundesamt für Strahlenschutz und Betreiber Vattenfall dafür | |
sorgen, dass wieder eine genehmigungsfähige Situation hergestellt wird. | |
Nach Ansicht der Kieler Atomaufsicht reicht die Zeit dafür aus. | |
Betreiber Vattenfall begrüße, dass die Aufsicht in Kiel umgehend einen | |
rechtskonformen Zustand hergestellt hat, sagte eine Sprecherin. Auch gegen | |
die Lagerungsduldung kann geklagt werden. Zunächst müsse Vattenfall einen | |
neuen Antrag stellen, sagte ein Sprecher des Bundesamtes. | |
Mit dem Beschluss des Bundesgerichts dürfen auch die sich derzeit im | |
Reaktordruckbehälter befindlichen Brennelemente – ihre Menge entspricht der | |
Kapazität von 11 bis 12 Castoren – nicht in das Zwischenlager gebracht | |
werden. Gleiches gilt für die 21 Castoren, die Deutschland in den nächsten | |
Jahren aus Sellafield in Großbritannien aufnehmen muss. | |
## Defizite bei der Sicherheitsbewertung | |
Das Schleswiger OVG hatte 2013 nach fast zehnjährigem Rechtsstreit der | |
Klage eines Anwohners gegen die vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) | |
erteilte Genehmigung stattgegeben. Der Kläger hatte Gefahren durch | |
mangelnden Schutz vor terroristischen Angriffen befürchtet. | |
Die Genehmigung aus dem Jahr 2003 enthalte Ermittlungs- und | |
Bewertungsdefizite, urteilten die Schleswiger Richter damals. So habe es | |
das Bundesamt versäumt, Folgen eines Absturzes eines Airbus A380 auf das | |
Zwischenlager vor der Genehmigungserteilung zu ermitteln, obwohl die | |
erforderlichen Daten vorgelegen hätten. Auch sei bei der Untersuchung der | |
Folgen eines Angriffs mit panzerbrechenden Waffen nur ein älterer Waffentyp | |
aus dem Jahr 1992 berücksichtigt worden. Dabei könnten modernere Waffen | |
eine größere Zerstörungswirkung haben. | |
Die Zwischenlager seien die einzigen atomtechnischen Anlagen, die auf die | |
Folgen von Flugzeugabstürzen geprüft wurden, sagte ein Sprecher des | |
Bundesamtes für Strahlenschutz. Auch der A380 sei später mit aufgenommen | |
worden. | |
Hendricks betonte, beide Gerichte hätten sich nicht zur Frage der | |
tatsächlichen Sicherheit etwa gegen Terrorangriffe geäußert. Vielmehr seien | |
Mängel im Genehmigungsverfahren beanstandet worden. Ein Problem sei | |
gewesen, dass das Bundesamt für Strahlenschutz den Gerichten bestimmte | |
Papiere nicht vorlegen konnte, vor allem geheime Unterlagen zum Schutz des | |
Zwischenlagers gegen Terrorangriffe. | |
## Umweltgruppen: „Alle Zwischenlager sind betroffen“ | |
Habeck sprach von einer einmaligen Situation in der Atomgeschichte: „Wir | |
haben ein nicht genehmigtes Zwischenlager“, sagte der Minister. Eine | |
genehmigte Lagerstätte, an welcher der Atombrennstoff sicherer gelagert | |
werden kann als im Zwischenlager Brunsbüttel, gibt es nicht. Deshalb dulde | |
er die weitere Lagerung. Dies sei notwendig, damit es keinen rechtslosen | |
Raum gibt. Die Atomaufsicht habe keine Erkenntnisse, dass das Lager in | |
Brunsbüttel unsicher wäre. | |
Auf die übrigen Atombrennstoff-Zwischenlager, etwa in Krümmel und Brokdorf | |
habe die Gerichtsentscheidung zunächst keinen Einfluss, sagte Habeck. | |
Allerdings sei jetzt der Bund in der Pflicht, für jeden Standort in | |
Deutschland aktuelle Untersuchungen zum Risiko von Flugzeugabstürzen oder | |
Terrorangriffen in die Wege zu leiten. In Deutschland gibt es an zwölf | |
AKW-Standorten bauähnliche Zwischenlager. | |
Nach Ansicht der Umweltorganisation Robin Wood muss der Gerichtsbeschluss | |
zu Brunsbüttel Konsequenzen für alle Standorte von Zwischenlagern haben. | |
„Die fehlerhafte Risikoermittlung betrifft sämtliche in Deutschland | |
betriebenen Zwischenlager“, sagte auch Ulrich Wollenteit, der den Kläger in | |
den Gerichtsverfahren vertreten hat. „Damit ist das ganze | |
Entsorgungskonzept für die deutschen AKW in sich zusammengebrochen“, | |
kommentierte Jochen Stay für die Anti-Atom-Organisation ausgestrahlt. | |
16 Jan 2015 | |
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