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# taz.de -- Debatte Dialog mit Pegida: Die falsche Adresse
> Politische Bildung ohne Haltung normalisiert den rassistischen Diskurs.
> Widerspruch sollte das eigentliche Gebot der Stunde sein.
Bild: Die war umstritten: Pressekonferenz der Pegida-Köpfe in der Sächsischen…
In Dresden werden die Probleme der politischen Kultur in Sachsen in diesen
Tagen besonders schmerzhaft deutlich. Letzter Skandal war die
Bereitstellung von Räumen der Sächsischen Landeszentrale für politische
Bildung (SLpB) für die Pressekonferenz der Pegida-Organisator_innen.
Bundesweit war (mindestens) den meisten Akteur_innen der politischen
Bildung sofort klar: Hier wurde eine rote Linie überschritten. Der Direktor
der SLpB, Frank Richter, hatte der Gruppe einen Rahmen verschafft, in
welchem sie unwidersprochen chauvinistische Parolen (unter anderem „die
momentan gängige, unkontrollierte quantitative Zuwanderung“) verkünden
konnte, und ihr damit zu einem Anschein von Legitimität und Normalität
verholfen.
Was seiner brandenburgischen Kollegin die Schamesröte ins Gesicht trieb,
ficht Christian Piwarz, MdL der sächsischen CDU, nicht an. Er teilt mit,
man sollte der SLpB „danken, weil so ein erster kleiner Schritt zum Dialog
sowie für mehr Verständnis für politische Sachverhalte und Demokratie
angeschoben wurde“. Einzelne Politikwissenschaftler und viele Kommentare im
Netz reagieren ähnlich und weisen Kritik am Vorgehen vehement zurück. Dies
verweist uns auf ein Bündel von Irrtümern und Fehleinschätzungen.
## Irrtümer und brutale Fehler
Der erste Irrtum ist die Interpretation der Pegida-Pressekonferenz selbst:
Pressekonferenzen, in denen deren einseitige ungefilterte Sicht vorgetragen
wird, sind eben keine Form von Dialog im Sinne des Auftrages politischer
Bildung. Die Landeszentrale ist für diese Art unwidersprochener Verkündung
der falsche Ort.
Ein weiterer Irrtum liegt in der Annahme, mit der unmittelbaren
Anhängerschaft der Pegida sei derzeit ein Dialog möglich. Es ist in den
letzten Wochen in allen möglichen Medien belegt worden, wie wenig
Bereitschaft zum Hinterfragen, Zuhören – eben zu Dialog – vorhanden ist,
wie hermetisch deren Weltbilder sind. Den Montags-Marschierenden geht es
nicht um Dialog, sondern um wechselseitige Bestätigung in der Masse, um die
Verschiebung der gesellschaftlichen Stimmung, um eine Anerkennung ohne
Kritik und Zweifel. Für einen politischen Dialog sind sie im Moment die
falsche Adresse.
Ein dritter Irrtum liegt im Gejammer, man wolle doch Dialog, aber keinen
Streit und keine Ausgrenzung der montags Demonstrierenden mit ihren
„Ängsten und Sorgen“. Wer sich aber mit seinen Überzeugungen in den
öffentlichen Raum begibt, der muss Kritik, Widerspruch und auch Streit
aushalten und nicht als Zensur absichtlich missverstehen. Die
Anhängerschaft von Pegida kann und will keinen Widerspruch aushalten,
verzerrt die Auseinandersetzung (Transparente, Gegenkundgebungen oder
Sprechchöre) als „Verbot“ und inszeniert sich als Opfer von Unterdrückung.
Und alle, die Streit und Abgrenzung ablehnen, helfen ihnen dabei.
Eine fatale Fehleinschätzung ist die Beschreibung der Pegida als „normale
Bürgerinnen und Bürger“ oder gar „das Volk“. Normal sind sie im Sinne d…
weiten Verbreitung rassistischer Ressentiments. Dies zur Normalität im
politischen Diskurs zu machen, ist ein brutaler Fehler. Und „Wir sind das
Volk“ sagt mehr über ihre Imagination eines homogenen Volkswillens als über
ihre gesellschaftliche Rolle.
Letzter Irrtum ist die offensichtliche Fehleinschätzung, wer in Dresden in
Not ist, wessen Ängsten (auch) durch politische Bildung Gehör verschafft
werden muss.
Opferberater_innen und Selbstvertretungsverbände von Migrant_innen
berichten über eine Zunahme rassistischer Angriffe in Dresden – auch im
Anschluss an Pegida-Aufmärsche. Dafür scheint Richter blind zu sein, diese
Perspektive fehlt bei den Veranstaltungen der SLpB der letzten Wochen.
Hinter diesen Irrtümern liegt der Unwillen oder die Unfähigkeit, das Wesen
der Pegida zu erkennen und sich klarzumachen, wie sich ein Umgang ohne
strikte Abgrenzung von ihren politischen Positionen auswirkt.
## Die Fehler von Frank Richter
Die [1][Äußerungen Lutz Bachmanns] und seines Umfeldes auf Kundgebungen und
im Netz beschwören Feindbilder und befeuern Ressentiments. Wir haben es in
Dresden derzeit mit einer aggressiven Gruppe zu tun, die ihre Antworten
schon gefunden hat und diese Woche für Woche wiederholt. Der Kern ihrer
Antworten, ihre grundlegende Haltung, ist nationalistisch, völkisch,
rassistisch, chauvinistisch und schürt Angst. Ein unmittelbarer Dialog mit
Pegida wertet diese auf und bringt keine – gute –Veränderung im
demokratischen Klima und Alltag. Die angemessene Reaktion ist deshalb nicht
Verständnis, sondern Abgrenzung und ein widersprechender Mund.
Richter indessen hatte, von allen Seiten gelobt, eine Arbeitsgruppe in
Dresden moderiert, die Gedenk- und Protestformen anlässlich der Jahrestage
der Bombardierung am 13./14. Februar 1945 diskutieren sollte. Allerdings
hatte er auch schon am 3. Dezember unter dem Titel „Wie verteidigen wir das
Abendland?“ ohne Distanz das Vokabular des rechten Montagsaufstandes
übernommen und deren Organisator_innen auch noch eingeladen – nur dass die
absagten.
Insofern ist die Landeszentrale vielleicht wirklich überfordert, mit dem
Phänomen dieser neurechten Bewegung umzugehen. Aber Richter und die SLpB
sind nur ein Symptom für den Zustand vieler politischer Institutionen und
Akteur_innen, die sich auf das scheinbar neutrale Moderieren politischer
Interessen zurückziehen, ohne eine eigene Haltung zu entwickeln, ohne
Position zu beziehen.
Es wird natürlich in den kommenden Monaten öffentliche Diskussionen im
Sinne politischer Bildung geben, die auf die Phänomene regieren. Natürlich
steht vor uns die Aufgabe, wieder und wieder ganz basale Grundlagen
demokratischer Kultur im Dialog zu verdeutlichen. Wir müssen dabei auch
Menschen erreichen, denen die Themen von Pegida anschlussfähig erscheinen.
Dafür gibt es allerdings einen Rahmen.
Politische Bildung hat den Auftrag menschenrechtsorientierter
Demokratiebildung. Deshalb darf sie keine Plattform für
menschenverachtende, Grundrechte negierende Propaganda sein. Wenn Dialog zu
mehr Demokratie führen soll, ist Widerspruch notwendig.
22 Jan 2015
## LINKS
[1] /Lutz-Bachmann-bei-Facebook-und-Twitter/!153239/
## AUTOREN
Stefan Schönfelder
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