# taz.de -- Mediziner über Suche nach Impfstoffen: „Das System ist intranspa… | |
> Impfstoffe werden immer teurer. Aber die Pharmafirmen legen ihre | |
> Kalkulationen nicht offen, kritisiert Philipp Frisch von Ärzte ohne | |
> Grenzen. | |
Bild: Ein pakistanisches Kind erhält eine Polioimpfung in Peshawar. | |
taz: Herr Frisch, Ärzte ohne Grenzen macht sich seit Langem für | |
alternative, öffentliche Forschungsmodelle stark. Warum ist die Entwicklung | |
von Impfstoffen bei der Pharmaindustrie nicht gut aufgehoben? | |
Philipp Frisch: Was zunächst festzustellen ist: Das derzeitige System ist | |
vollkommen intransparent. Die Kosten für die Impfungen steigen, die | |
Pharmafirmen legen ihre Kalkulationen nicht offen. Es gibt beispielsweise | |
einen sehr wichtigen Impfstoff gegen Pneumokokken-Erreger, die | |
Lungenentzündung auslösen. An Pneumokokken sterben jedes Jahr bis zu einer | |
Million Kinder. Der komplette Schutz kostet derzeit bis zu 21 Dollar pro | |
Kind. Für arme Länder ist das zu teuer. | |
Die Pharmafirmen sagen, 21 Dollar decken kaum die Herstellungskosten. | |
Das ist für uns sehr schwer zu glauben, vor allem, weil ein indischer | |
Hersteller angekündigt hat, einen Pneumokokken-Impfstoff für 6 Dollar pro | |
geimpftem Kind zu produzieren. Man kann es aber nicht nachvollziehen, weil | |
die Firmen keine unabhängige Prüfung zulassen. Man muss dabei wissen, dass | |
die beiden Hersteller GlaxoSmithKline und Pfizer bereits 19 Milliarden | |
Dollar mit dem Impfstoff umgesetzt haben. Wir haben deshalb einen Preis von | |
fünf Dollar pro Impfschutz vorgeschlagen. | |
Auf diesen Vorschlag wird die Industrie kaum eingehen. | |
Es gibt Beispiele, wie günstige Impfstoffe produziert werden können. Eines | |
davon ist Menafrivac, ein wirksamer Impfstoff gegen die Hirnhautentzündung | |
Meningitis. Die Dosis kostet 50 Cent und ist thermostabil, was beim Einsatz | |
in den Tropen sehr wichtig ist. Menafrivac entstand im Rahmen einer | |
sogenannten Produktentwicklungspartnerschaft unter dem Dach der | |
Non-Profit-Organisation Path. Daran waren vor allem öffentliche | |
Forschungseinrichtungen beteiligt. Das Ziel war von Anfang an: maximaler | |
Schutz für eine maximale Zahl von Menschen, nicht maximaler Gewinn. Um | |
Gewinn geht es aber, wenn die Industrie beteiligt ist. Wir halten solche | |
öffentlich finanzierten Produktentwicklungspartnerschaften für den | |
richtigen Weg. So lässt sich zielgerichtet auf die Bedürfnisse von armen | |
Ländern hin forschen. Es gäbe keine Gewinnmarge, das würde auch die | |
Haushalte der Geberstaaten entlasten. Die zahlen ja heute über die | |
Entwicklungshilfe für die teuren Medikamente mit. | |
Ist es nicht ein ziemlicher Flickenteppich, für jede Krankheit einen | |
solchen Forschungsverbund aufzustellen?Wäre es nicht viel einfacher, die | |
UN-Gesundheitsorganisation WHO wäre zentral für die Koordinierung und | |
Finanzierung solcher Forschungsprojekte zuständig? | |
Genau diesen Plan für ein WHO-Programm für medizinische Innovationen gab | |
es. Es gab aber nicht den politischen Willen, das umzusetzen. | |
Warum nicht? | |
Die WHO-Mitgliedsstaaten haben das abgelehnt. Man kann davon ausgehen, dass | |
die Pharmaindustrie hier ihren Einfluss geltend gemacht hat. Die ärmeren | |
Länder sind als Markt für die Pharmaindustrie sicher nicht der | |
interessanteste. Die Pharmaindustrie fürchtet aber solch einen | |
Präzedenzfall und Auswirkungen auf ihre Kernmärkte. | |
An der Impfallianz GAVI ist nicht nur die Pharmaindustrie beteiligt, | |
sondern mit der Gates-Stiftung auch ein Ehepaar, dass sich | |
Krankheitsbekämpfung als privates Projekt vorgenommen hat. Solches | |
Mäzenatentum ist im Entwicklungsbereich immer öfter zu beobachten. Darf man | |
sich so von privaten Gebern abhängig machen? | |
Wir halten GAVI für eine sinnvolle Einrichtung. Allerdings kritisieren wir, | |
dass die Pharmafirmen im Leitungsgremium zwei Sitze haben, die | |
Zivilgesellschaft jedoch nur einen. Was die privaten Geber angeht: | |
Natürlich ist es nicht nachhaltig und nicht wünschenswert, wenn die | |
Prioritätensetzung so stark vom Wohlwollen einzelner Personen abhängig ist. | |
Auch deshalb ist es wichtig, dass sich die Staaten stärker engagieren. | |
1 Jan 1970 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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