| # taz.de -- Alben von The Notwist und Cummi Flu: Zwei Arten, Musik zu denken | |
| > Das neue Album von den scheuen Gesellen um The Notwist ist so | |
| > zurückhaltend wie sie selbst. Und Cummi Flu nutzt in seinem neuen Werk | |
| > „Z“ wieder das Gummiband. | |
| Bild: Lust an verschlungenen Wegen: The Notwist beim Melt-Festival 2014. | |
| Scheue Gesellen sind die Musiker von The Notwist. In Interviews immer | |
| höflich, aber nicht unbedingt gesprächig. Im Zentrum der Aufmerksamkeit zu | |
| stehen: Muss nicht sein. Kaum verwunderlich, dass sie im Theater unsichtbar | |
| bleiben, ihre Musik ausschließlich der näherliegenden musikalischen | |
| Begleitung verpflichtet ist. So können sie als Figuren im Hintergrund | |
| bleiben und doch ihren entscheidenden Teil beitragen. Das tun, was eine | |
| musikalische Untermalung von Theater- oder Hörspielproduktionen auszeichnen | |
| sollte. | |
| Da The Notwist es bei allem Bemühen, Randfiguren zu bleiben, nicht | |
| geschafft haben, ihre musikalischen Künste vor der Welt zu verbergen, da | |
| sie als Künstler anerkannt sind, ist nun eine Auswahl ihrer Musiken zu | |
| Theaterstücken und Hörspielen erschienen. Die Vinylversion lief derart | |
| erfolgreich, dass nun auch eine konventionelle CD-Version erhältlich ist. | |
| Der Sound auf „The Messier Objects“ wirkt etwas strenger, die | |
| Notwist-typische Lust an verschlungenen Wegen tritt seltener hervor. Das | |
| Album ist geprägt von Patterns, die sich ineinanderweben und gelegentlich | |
| verziert werden. Der Groove ist mächtig und hört sich dabei nach | |
| Electronica, Post-Rock und Library Music an. | |
| Da die Stücke wie Versuchsanordnungen von eins bis sechzehn durchnummeriert | |
| sind (mit einer Ausnahme), kann man nicht unbedingt erschließen, wo genau | |
| sie ursprünglich eingesetzt wurden. Oft tragen die „Objects“ – man kennt | |
| das von Soloprojekten von Bandmitglied Martin „Console“ Gretschmann – eine | |
| Art musikalische Patina, als würde das Knarzen bereits in die Aufnahme | |
| integriert sein. Die auf „The Messier Objects“ versammelten Stücke, gerade | |
| die kürzeren, hören sich trotzdem gelegentlich nach kleinen Fingerübungen | |
| an. | |
| ## Zurückhaltung in musikalische Kunst umgewandelt | |
| Hier und da blitzt ein Anfang auf, der sich auch auf dem einen oder anderen | |
| regulären Album gut gemacht hätte. Das Zentrum von „The Messier Objects“ | |
| bildet das epische „Das Spiel ist aus“. Hier wird Zurückhaltung in | |
| musikalische Kunst umgewandelt: Patterns aus Klavier- und Gitarrentönen | |
| verwebend, Percussion und Schlagwerk hinzufügend baut sich das Stück | |
| langsam auf, um schließlich in Rauschen überzugehen und in einem einzigen | |
| Ton zu enden. | |
| Genau an diesem Punkt könnte Oliver Doerell alias Cummi Flu | |
| wiederaufnehmen. Auch er legt mit „Z“ ein Instrumentalalbum vor, das am | |
| besten in das weitläufige Genre Electronica eingeordnet werden kann. Stücke | |
| wie „Sherée“ oder „Watersong“ könnten in ihrer melancholischen | |
| Unaufgeregtheit auch vom Notwist-Album stammen. | |
| Trotz aller Ähnlichkeiten denkt Doerell Musik aber vollkommen anders als | |
| The Notwist. Das liegt zunächst an der Instrumentierung: Doerell ist zwar | |
| Multiinstrumentalist, aber er handelt allein. Sein Mittel ist weniger das | |
| gemeinsam erzeugte Pattern, sondern der Loop, den er mittels Field | |
| Recordings oder Eigenkompositionen erzeugt. Während das Pattern als | |
| musikalisches Muster eher Assoziationen eines verwebten Ganzen auslöst, | |
| kennzeichnet die Ästhetik des Loops eher die Aneinanderreihung autonomer | |
| Schnipsel zu einem Ganzen. | |
| Der Gitarrenloop im titelgebenden Stück „Z“ beispielsweise wiederholt stur | |
| die gleiche Abfolge von Tönen, die eine von Menschenhand gespielte | |
| Gitarrenmelodie so vermutlich nicht imitieren könnte. Damit kombiniert | |
| Doerell, wie öfter auf dem Album, klagende Stimmen, wieder nur Schnipsel, | |
| die stets die gleichen Worte wiederholen, und lässt sein | |
| Lieblingsinstrument, das Gummiband, die Erfindung des Drumcomputers | |
| vergessen. | |
| ## Soundgefüge mit Fallhöhe | |
| Nach wenigen Minuten hat sich so in jedem der Tracks voller Knirschen und | |
| Knarzen ein unglaublich dichtes Soundgefüge entwickelt. Doerell fügt | |
| Schicht um Schicht hinzu, erzeugt Fallhöhe und lässt dann alles zu einem | |
| überraschend leisen Ausklingen zusammenbrechen. Daraus ergibt sich ein | |
| Sound, der manchmal sogar im Club brauchbar wäre und der eher ruhige | |
| Auftakte faszinierend hektisch werden lässt. Je länger ein Track dauert, | |
| desto weiter entfernt sich Doerell von The Notwist, um wieder bei ähnlich | |
| sanften Enden zu landen. | |
| Zwei Arten, Musik zu denken: Gewebe vs. Stapel, Pattern vs. Loop. | |
| Zumindest, wenn man es einmal musikalisch betrachtet. Man könnte es auch | |
| aufs Temperament schieben. | |
| 16 Feb 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Elias Kreuzmair | |
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