# taz.de -- Mutmaßlicher Täter von Kopenhagen: „Bei ihm war die Lunte kurz�… | |
> Omar H. ist der mutmaßliche Attentäter von Kopenhagen. Seine Geschichte | |
> entfacht eine Debatte um die Radikalisierung von Tätern in der Haft. | |
Bild: Omar Abdel H. in der Kopenhagener U-Bahn. | |
STOCKHOLM taz | Omar Abdel H. war ein „sehr tüchtiger und begabter | |
Schüler“, berichtet Peter Zinkernagel, Rektor am Erwachsenengymnasium VUC | |
in einem Vorort von Kopenhagen. Im Sommer 2012 hatte H. dort eine | |
zweijährige Ausbildung mit dem Ziel eines studienvorbereitenden Abschlusses | |
begonnen. Im dänischen Rundfunk sagte Zinkernagel, er und die ganze Schule | |
seien schockiert, dass ein ehemaliger Schüler die Terrorattentate am | |
Wochenende in Kopenhagen verübt habe. | |
Seine Ausbildung am VUC hat H. nicht beendet. 1992 in Kopenhagen geboren, | |
die Eltern palästinensische Flüchtlinge, wurde er im Herbst 2013 aus der | |
Schule geworfen. Da war er schon ein paarmal von der Polizei wegen | |
Cannabis-Besitzes und Verstoßes gegen das Waffengesetz festgenommen worden. | |
Und schließlich hatte er an einem Novembernachmittag in einer S-Bahn einen | |
19-Jährigen mit einem Messer niedergestochen. | |
Er hatte „ein ziemliches Temperament“, erinnert sich ein Mitschüler: „Bei | |
ihm war die Lunte kurz.“ Nachdem er sich erst einige Wochen lang seiner | |
Festnahme durch die Polizei entziehen konnte, wurde er eher zufällig in | |
Zusammenhang mit einem Einbruch festgenommen. | |
Die Anklage wegen versuchten Totschlags schrumpfte auf eine Verurteilung | |
wegen grober Körperverletzung: H. konnte sich erfolgreich auf | |
Cannabisgenuss und schwere Angstzustände berufen. Im Dezember 2014 wurde er | |
zu zwei Jahren Haft verurteilt, im Januar wegen langer U-Haft und in | |
Erwartung einer Berufungsverhandlung entlassen. Sein Anwalt zeigte sich in | |
einer SMS „außerordentlich überrascht“ von der Nachricht, H. könne der | |
Attentäter sein. | |
Die Sicherheitspolizei PET gibt, ohne weitere Details zu nennen, an, sie | |
habe H. „auf dem Radar gehabt“. Allerdings offenbar primär wegen seiner | |
kriminellen Aktivitäten – und nicht, weil man in ihm einen potenziellen | |
Terrortäter gesehen hätte. Auch Menschen, die ihn kennen und nun von Medien | |
befragt wurden, kam offenbar nie ein solcher Verdacht. | |
## Antisemitische Äußerungen | |
Er liebte es, über den Islam zu sprechen, sagt ein ehemaliger Mitschüler. | |
Andere berichten, er habe sich in Debatten sehr für die Sache des | |
palästinensischen Volkes engagiert, sich auch antisemitisch geäußert, will | |
die Tageszeitung Politiken erfahren haben. Es sei deshalb kein Zufall | |
gewesen, dass er auf einem Plakat aus dem Jahr 2010, das für eine | |
Thaiboxing-Veranstaltung warb, mit dem schwarz-weißen Palästinensertuch | |
posiert habe. Und dass er für dieses Plakat ausgewählt worden war, habe | |
damit zu tun gehabt, dass er – 1,88 Meter groß und athletisch gebaut – | |
einer der besten Boxer seines Klubs gewesen sei. | |
„Er kam in schlechte Gesellschaft“, meinen mehrere von Medien zitierte | |
Quellen. Unklar bleibt aber, wie genau. Er sei Mitglied in mehreren Gangs | |
gewesen, aber bald wieder hinausgeworfen worden, schreibt Ekstra Bladet. | |
Der schwedische Terrorforscher Magnus Ranstorp spekuliert nun, ob H. | |
während seines Gefängnisaufenthalts radikalisiert worden sein könne. Hans | |
Brun, der am Kings College in London über Terrorismus forscht, sieht einen | |
Zusammenhang zwischen den Milieus krimineller Gangs und gewaltsamem | |
Extremismus. Ebenso wie H. wiesen auch die Täter von Paris solche Profile | |
auf: „Dem Dschihadismus gelingt es offenbar besonders gut, in diesem Milieu | |
zu rekrutieren.“ | |
## Von der Gang zum Extremismus | |
Auch Ranstorp sieht in „Cross-Overs, die aus dem Bandenumfeld zum | |
Extremismus übergehen“, die größte Gefahr. Wichtig sei, nicht nur einen | |
Fokus auf die Radikalisierung im Gefängnis zu richten – sondern mit diesen | |
Menschen auch nach ihrer Haftentlassung Kontakt zu halten. | |
Laut dänischem Rundfunk soll H. auf einer Liste von Inhaftierten mit | |
„extremistischen Haltungen“ der Behörden gestanden habe. Berlingske Tidende | |
berichtete, er habe im Gefängnis geäußert, nach Syrien zu wollen, um mit | |
dem IS zu kämpfen. Ranstorp fragt: „Was passierte mit diesen Informationen? | |
Welchen Kontakt zu ihm gab es nach der Haftentlassung?“ | |
Auf diese Fragen gibt es bislang keine Antwort. Auch nicht auf die nach | |
möglichen Helfern. Zwar verhaftete die Polizei am Sonntag zwei Personen | |
wegen des Vorwurfs, diese hätten H. Unterschlupf gewährt beziehungsweise | |
bei der Beseitigung einer Waffe geholfen. Was die Terrortaten selbst | |
betrifft, geht die Polizei aber von einer Alleintäterschaft H.s aus. | |
16 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Reinhard Wolff | |
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