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# taz.de -- Wer wie wählt: Reiche gehn am liebsten wählen
> Die soziale Spaltung bei der Wahlbeteiligung heizt den Streit um das
> Wahlrecht an. Die einen nutzen dessen Möglichkeiten, den anderen ist es
> zu kompliziert.
Bild: Stimmenzählen will gut organisiert sein.
HAMBURG taz | Die Wahlberechtigten haben – wenn sie denn gewählt haben –
fleißig von den Möglichkeiten Gebrauch gemacht, die Hamburgs
Zehn-Stimmen-Wahlrecht bietet. 47 Prozent der Wähler nutzten die Chance,
die auf den Landeslisten der Parteien vorgeschlagene Kandidatenabfolge
durcheinander zu wirbeln.
Am stärksten nutzten die SPD-Wähler die „Personenstimmen“ – allerdings
meist zugunsten des Bürgermeisters. Olaf Scholz konnte 21,8 Prozent aller
Landesstimmen auf sich vereinen und wurde damit als Person öfter angekreuzt
als jede einzelne der fünf Oppositionsparteien. Allerdings gelang es allein
auf der SPD-Liste 15 Kandidaten durch Personenstimmen mehr als zehn
Listenplätze nach oben zu klettern. Sechs Bewerber schossen gar, wie Danial
Ilkhanipour, 20 Plätze oder mehr in die Höhe.
Die Wähler der Linken und der Grünen machten mit 37,8 und 35,7 Prozent weit
unterdurchschnittlich Gebrauch von den Personenstimmen, die AfD-Wähler
(27,7 Prozent) am seltensten. Diese Zahlen legte am Dienstag
Landeswahlleiter Willi Beiß vor.
Die Daten sind wichtig, denn bereits am Tag nach der Wahl hat die Debatte
um Hamburgs Wahlrecht, das in der kommenden Legislaturperiode auch die
Bürgerschaft noch einmal beschäftigen wird, begonnen. Die Frage lautet: Wie
weit ist das neue, verhältnismäßig komplizierte Wahlrecht mit
verantwortlich für die schwindende Wahlbeteiligung, die mit nur noch 56,9
Prozent den historisch tiefsten Stand seit 1949 erreichte.
Während die verbliebenen Wähler freudvoll die Möglichkeiten auskosteten,
die das Wahlrecht bietet, schreckten die dicken Kandidatenverzeichnisse
andere offensichtlich ab. Laut einer Analyse des
Meinungsforschungsinstituts Infratest-Dimap begründete jeder dritte
Nichtwähler sein Fernbleiben von der Wahlurne auch damit, dass das
Wahlrecht zu kompliziert sei.
Hauptgrund bleibt zwar, dass sich die Wahlverweigerer durch keine der
Parteien vertreten fühle, doch der Wahlrechtsstreit hat längst begonnen.
„Das Wahlrecht trägt nicht unbedingt dazu bei, diejenigen an die Wahlurnen
zu bringen, die keine so hohe Affinität zur Politik haben“, gab
Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit noch am Wahlabend den Aufschlag.
Angelika Gardiner von der Bürgerinitiative „Mehr Demokratie“ hingegen ist
sich sicher, dass die Wahlbeteiligung ohne das neue Wahlrecht noch geringer
ausgefallen wäre.
Die von Willi Beiß vorgelegten Zahlen geben darüber keinen Aufschluss,
bestätigen aber: In Stadtteilen, wo Bildung und Geld im Übermaß vorhanden
sind, wird gewählt, wo beides fehlt, eher nicht. Bei mehr als 75 Prozent
lag die Wahlbeteiligung nur in Wohldorf-Ohlstedt, Volksdorf, Nienstedten
und Groß Flottbek, am niedrigsten hingegen war sie mit 26,3 Prozent in
Billbrook.
Hier erreichte auch die AfD mit 13,3 Prozent ihr höchstes Ergebnis. Die
Grünen hingegen schnitten mit 4,1 Prozent am schlechtesten ab. Genau
umgekehrt sieht es in der Sternschanze aus: Hier erzielten die Grünen mit
27 Prozent ihr Top-Resultat, liegen damit aber noch hinter der Linken (29,1
Prozent). Dagegen erzielten die SPD (26 Prozent), AfD (1,3 Prozent) und
auch die CDU (2,9 Prozent) in dem Szene-Stadtteil ihr jeweils schlechtestes
Wahlergebnis.
Am meisten Humor bewiesen die Wähler in St. Pauli: Hier hängte die
Satirepartei „Die Partei“ mit 4,1 Prozent die AfD (3,4 Prozent) und die FDP
(3,2 Prozent) ab. Wie auch im Schanzenviertel ließ rund um den Kiez die
Linke (27,9 Prozent) die SPD (27,0 Prozent) hinter sich.
17 Feb 2015
## AUTOREN
Marco Carini
## TAGS
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