| # taz.de -- Wahlversprechen in Großbritannien: Keine Hilfsgelder mehr für Fet… | |
| > Der britische Premier David Cameron will die Briten zu | |
| > gesundheitsbewusstem Verhalten erziehen. Das bekommen Dicke, Junkies und | |
| > Trinker zu spüren. | |
| Bild: David Cameron macht Wahlkampf auf Kosten von Kranken. | |
| DUBLIN taz | Wer zu viel frisst und säuft oder Drogen konsumiert und | |
| deshalb nicht arbeiten kann, soll keine Hilfsgelder mehr erhalten. Das ist | |
| das Wahlversprechen des britischen Premierminister David Cameron. Betroffen | |
| sind rund 100.000 Menschen, davon 56.000 Alkoholiker und knapp 34.000 | |
| Drogenabhängige. Der Rest sind Fettsüchtige. Jeder von ihnen bekommt | |
| ungefähr 100 Pfund pro Woche, ohne sich einer Therapie unterziehen zu | |
| müssen. | |
| Das Problem des Komatrinkens unter jungen Leuten ist in Großbritannien aber | |
| zurückgegangen. Nur zwei Prozent, zwei Drittel weniger als noch 2005, | |
| bekennen sich zu regelmäßigen Sauforgien. Die Zahl der Menschen zwischen 16 | |
| und 24, die gar keinen Alkohol anrühren, ist von 19 Prozent im Jahr 2005 | |
| auf 27 Prozent gestiegen, ein Drittel aller Londoner ist abstinent. Dennoch | |
| sind die Krankenhäuser vor allem an den Wochenenden nach wie vor voll mit | |
| Alkoholleichen. | |
| „Es ist nicht fair, von schwer arbeitenden Steuerzahlern zu verlangen, | |
| Menschen zu finanzieren, die eine Behandlung verweigern, die ihnen helfen | |
| könnte, zurück ins Arbeitsleben zu finden“, sagte Cameron. Falls die Tories | |
| am 7. Mai die Parlamentswahlen gewinnen, will er konkrete Maßnahmen | |
| beschließen lassen. | |
| Dadurch könnte der Staat 500 Millionen Pfund im Jahr sparen. Finanzminister | |
| George Osborne hatte bereits im Januar angekündigt, die Sozialhilfe in der | |
| kommenden Legislaturperiode um 12 Milliarden Pfund zu kürzen, um das | |
| Haushaltsdefizit zu bekämpfen. | |
| ## Applaus von Rechts | |
| Die rechte Boulevardpresse applaudiert Cameron für seine Pläner gegen | |
| „Sozialschmarotzer“ und schiebt reihenweise Geschichten nach: „Der fette | |
| Aftab konnte sein Haus fünf Jahre nicht verlassen“, lautete eine | |
| Schlagzeile. Ein anderes Blatt polterte: „Stadtrat gibt 3.000 Pfund aus, um | |
| fettes Kind ins Fitnesscamp zu schicken.“ In einer weiteren Schlagzeile, | |
| für ungeübte Leser mit Großbuchstaben, hieß es: „Fettsuchtkrise kostet We… | |
| Midlands 115 MILLIONEN PFUND im Jahr.“ | |
| Auch bei den Wählern ist die Zustimmung groß, rund drei Viertel finden es | |
| richtig, Dicken das Geld zu entziehen und sie auf Nulldiät zu setzen. Nach | |
| neuesten Umfragen von ICM sind die Tories in den vergangenen vier Wochen an | |
| Labour vorbeigezogen und haben vier Punkte Vorsprung. Bei anderen Umfragen | |
| ist allerdings Labour immer noch vorne, wenn auch nur knapp, doch ICM lag | |
| in der Vergangenheit meistens richtig. Bei der Frage nach der Popularität | |
| sieht es noch besser aus für Cameron: 41 Prozent finden ihn gut. Über den | |
| Labour-Chef Ed Miliband sagen das nur 23 Prozent. | |
| Die Hilfsorganisation für Übergewichtige, Big Matters, wies darauf hin, | |
| dass es an guten Therapieangeboten für Dicke und Drogenabhängige mangele. | |
| Der frühere PR-Chef der Labour Party, Alastair Campbell, der jahrelang mit | |
| Alkoholsucht zu kämpfen hatte, bezeichnete Camerons Vorstoß als peinlich. | |
| „In Zeiten, in denen andere Regierungschefs sich auf Themen wie die Kämpfe | |
| in der Ukraine oder die griechische Wirtschaft konzentrieren, kümmert er | |
| sich um solches Zeug“, sagte Campbell. | |
| Cameron focht das aber nicht an. Bei einer Parlamentsdebatte machte er sich | |
| über den früheren Labour-Minister Michael Meacher lustig, der die Regierung | |
| wegen ihrer Investitionspolitik kritisiert hatte. Ob er etwa | |
| bewusstseinsverändernde Substanzen zu sich genommen habe, wollte Cameron | |
| von Meacher wissen. Daraufhin fragte dessen Labour-Kollege Ed Balls den | |
| Premierminister, ob er jemals Kokain konsumiert habe. Cameron verweigerte | |
| die Antwort. | |
| 18 Feb 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Sotscheck | |
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