| # taz.de -- Fitness-Apps und Apple-Uhr: „Wir suchen durstige Pferde“ | |
| > Was motiviert einen Menschen, sich von einer Fitness-App antreiben zu | |
| > lassen? Angst, sagt ein Entwickler, der sich damit beschäftigt. | |
| Bild: Nach dem Power-Workout: trinkendes Pferd | |
| taz: Herr Hovey, Sie versprechen mit Ihrer Firma Digifit, Fitnesstrainings | |
| perfekt auf ihre jeweiligen Nutzer abzustimmen. Sie sagen, Sie haben 40 | |
| Motivatoren identifiziert, mit denen man Menschen in Bewegung bringt. | |
| Welche sind das? | |
| Dean Hovey: Darf ich Sie auch etwas fragen? | |
| Na gut. | |
| Sie nutzen doch eine Fitness-App, hatten Sie mir geschrieben. | |
| Das stimmt. Sie errechnet meinen Gesundheitsindex. Eine Zahl soll | |
| ausdrücken, wie gut es mir gerade geht. Mein Index ist zurzeit bei 692 von | |
| 1.000. | |
| Haben Sie das Bedürfnis, besser zu werden? | |
| Ein bisschen vielleicht, ja. | |
| Sehen Sie, ich will immer möglichst weit über dem Durchschnitt liegen. Sie | |
| haben diesen Prozess also schon selbst durchgemacht. Das wäre einer der | |
| Motivatoren. Unsere 40 Motivatoren lassen sich in verschiedene Kategorien | |
| aufsplitten. Finanzielle Anreize. Deshalb zahlen Leute Fitnessstudios oder | |
| Coaches. Dann ist da der Wunsch, ein Ziel zu erreichen, das Verlangen, Teil | |
| von etwas zu sein, Anerkennung, Eitelkeit, den Moment empfinden. Vermutlich | |
| laufen Sie ja auch, weil sie aktiv sein wollen. Wir versuchen für jeden | |
| rauszufinden: Wo steht er heute, wo will er hin? Dann entwerfen wir mit den | |
| Motivatoren im Hinterkopf ein Storyboard, einen Plan. Über die Smartphones | |
| werden die Pläne umgesetzt. | |
| Warum machen Sie das? | |
| Unsere Gesundheitssysteme sind ziemlich am Ende. Wir haben leider eine | |
| Gesellschaft geschaffen, die es den Menschen sehr einfach macht, falsche | |
| Entscheidungen zu treffen. Das größte Problem ist unser Verhalten. 70 | |
| Prozent der Patienten, die einen Arzt besuchen, tun das wegen der | |
| Auswirkungen ihres eigenen Verhaltens. Verhalten zu ändern ist aber das | |
| schwerste, was sie machen können. | |
| Auf ihrer Webseite wirkt das alles wie eine Mischung aus Motivationscoach | |
| und Personal Trainer. Sie scheinen auch ein Fan des Nudgings zu sein: Dass | |
| man Leute jeden Tag ein wenig anstupsen muss, damit sie etwas tun. | |
| Genau. Schieb ihn jeden Tag ein wenig an – und er wird sich bewegen. Es | |
| wird eine Herausforderung. Klar ist auch: Menschen, die darum kämpfen, | |
| überhaupt etwas zu essen auf den Tisch zu bekommen, werden sich für solche | |
| Methoden kaum interessieren. | |
| Was ist der stärkste Motivator? | |
| Hm. Einer ist sicher Angst. Sollten Sie beispielsweise erfahren, dass Sie | |
| Krebs haben, wirkt das unglaublich motivierend: Ich muss jetzt etwas tun. | |
| Diese Motivation hält aber nicht lange. Sie müssen sie nutzen, damit Sie | |
| anfangen etwas zu tun und eine Gewohnheit daraus machen. Beobachten Sie | |
| sich mal selbst von Tag zu Tag. Sie trinken morgens immer drei Tassen | |
| Kaffee? Vielleicht ersetzen sie zwei Tassen mit etwas anderem, einem | |
| Powerriegel etwa. So habe ich das gemacht. Damit ich nicht mehr so viel | |
| Koffein zu mir nehme. | |
| Erhöht die Apple Watch, die gerade auf den Markt kommt, die Motivation der | |
| Leute, sich zu bewegen? | |
| Ich verspreche mir davon eine Menge. Natürlich werde ich mir eine besorgen. | |
| Ich habe ja bei Apple mit Steve Jobs mal an der ersten Computermaus | |
| gearbeitet. Die Apple Watch wird eine Bewusstseinswelle anstoßen. Sie wird | |
| den Menschen klar machen, dass sie sich ihres Verhaltens bewusst werden | |
| müssen. Und es ändern. Apple hat ja außerdem ein Forschungsmodul in seine | |
| iPhone-Software eingebaut, das Apple Health Kit. Die Daten fließen in einen | |
| großen Pool. So kann man auf lange Sicht noch mehr über sich herausfinden, | |
| weil Forschung mit der Summe dieser Daten betrieben wird. | |
| Wie gehen Sie vor, wenn Sie Ihre Kunden beraten? | |
| Wir suchen immer nach durstigen Pferden. Man kann ein Pferd zum Trog | |
| führen, aber man kann es nicht zwingen, zu trinken. Wenn Sie verstehen, was | |
| ich meine. Sie können einem Menschen sagen: Das solltest du tun. Tun muss | |
| er es dann allerdings selber. Wenn er aber nicht durstig genug ist, legt er | |
| nicht los. | |
| Den einen universalen Motivator haben Sie noch nicht gefunden. | |
| Das ist wesentlich personalisierter, als Sie sich vielleicht vorstellen. | |
| Schwanger werden, in die Menopause kommen, eine Krebsdiagnose. Wenn ich | |
| Mountainbikefahren gehe, genieße ich es, mit Freunden unterwegs zu sein. | |
| Das treibt mich an. Dann gibt es auch diese College-Verrücktheiten, die | |
| einen loslegen lassen: der Wunsch nach dem Waschbrettbauch, sich gut | |
| fühlen, gut aussehen. | |
| Was motiviert Sie selbst? | |
| Ich habe meine Gene untersuchen lassen. Ich weiß also, dass ich zu einem | |
| hohen Cholesterinspiegel neige. Das hat mich extrem stark motiviert, mehr | |
| zu trainieren. Außerdem war ich immer ein guter Athlet. Natürlich spielt | |
| auch Eitelkeit eine Rolle: Man will ja nicht, dass sich beim Schwimmen | |
| etwas über den Hosenbund rollt. Ein Gesundheitsindex von 692, damit wäre | |
| ich überhaupt nicht zufrieden. | |
| 19 Apr 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Johannes Gernert | |
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