# taz.de -- Stellungnahme des Ethikrats: Wann das Leben aufhört | |
> Ist ein Mensch tot, wenn sein Gehirn versagt? Der Ethikrat ist sich da | |
> nicht einig. Doch für die Organspende soll der Hirntod trotzdem | |
> ausreichen. | |
Bild: Ist der Hirntod ein verlässliches Indiz für einen Tod? Jein. | |
BERLIN taz | Zu Jahresanfang war es ein Krankenhaus aus Bremerhaven, das | |
wegen einer schlampigen Hirntoddiagnostik in die Schlagzeilen geriet: Ärzte | |
hatten bei einer Patientin den für die Diagnose des Hirntods | |
obligatorischen Atemstillstand offenbar nicht nach den Regeln der | |
Bundesärztekammer festgestellt, die geplante Organentnahme musste deshalb | |
abgebrochen werden. „Klinik bricht OP ab – Spender lebte noch“, titelte | |
Bild. | |
Solche Fälle taugen dazu, das Vertrauen der Bevölkerung in die Organspende | |
zu erschüttern. Insgesamt elf Fälle möglicherweise regelwidriger | |
Hirntoddiagnosen in zehn Krankenhäusern lässt die Bundesärztekammer derzeit | |
überprüfen. Gegenüber der taz hatten bereits 2012 kritische Mediziner | |
beklagt, in rund einem Drittel aller Fälle sei der Hirntod zumindest | |
fehlerhaft dokumentiert. | |
Nicht zuletzt diese Verunsicherung hat nun auch den Deutschen Ethikrat, das | |
wichtigste Beratergremium von Regierung und Parlament in bioethischen | |
Fragen, auf den Plan gerufen. In seiner am Dienstag vorgelegten, 189 Seiten | |
starken „Stellungnahme zum Thema Hirntod und Entscheidung zur Organspende“ | |
beschäftigt sich der Rat mit der Frage, die sowohl Befürworter wie Gegner | |
der Organspende umtreibt: Ist der Hirntod ein verlässliches Indiz für einen | |
Tod? | |
Jein, lautet – verkürzt – die Positionierung des in sich gespaltenen | |
Ethikrats. Einigen konnten sich alle 25 Wissenschaftler lediglich auf die | |
Auffassung, dass der Hirntod „ein ausreichendes Kriterium für die Entnahme | |
von Organen“ zur Spende an Kranke sei. | |
## „Sicheres Todeszeichen“ | |
Ansonsten aber gehen die Bewertungen auseinander. Für eine Mehrheit von 18 | |
Mitgliedern ist der unwiederbringliche Ausfall sämtlicher Hirnfunktionen | |
ein „sicheres Todeszeichen“. Eine Minderheit von sieben Mitgliedern, | |
darunter die Ethikratsvorsitzende und Medizinerin Christiane Woopen, „hält | |
dagegen den Hirntod nicht für den Tod des Menschen“, heißt es in der | |
Stellungnahme. Schließlich besitze der menschliche Körper auch nach dem | |
Ausfall der Hirnfunktionen noch gewisse Steuerungsfunktionen – wenngleich | |
nur unter dem Einsatz intensivmedizinischer Geräte. | |
Die mit der Information über Organspende befassten Stellen, etwa die | |
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, sollten über die | |
unterschiedlichen Auffassungen zum Hirntod transparenter aufklären, | |
forderte der Ethikrat. Bislang ist in den Infobroschüren vom Hirntod als | |
sicherem Todeszeichen zu lesen. | |
Der Münchner Neurologe Heinz Angstwurm, Vizevorsitzender eines | |
Arbeitskreises bei der Bundesärztekammer, der derzeit die Richtlinien zur | |
Feststellung des Hirntods überarbeitet und sich daneben für eine bessere | |
Qualifikation der untersuchenden Ärzte einsetzen will, warnte im Gespräch | |
mit der taz davor, dem Hirntod das Kriterium des sicheren Todeszeichens | |
abzusprechen. „Folgt der Gesetzgeber dieser Auffassung, dann würden Ärzte, | |
die Organe entnehmen, sich womöglich strafbar machen“, sagte Angstwurm. | |
Nach dem Transplantationsgesetz müssen Organspender in Deutschland | |
eindeutig tot sein. | |
24 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Heike Haarhoff | |
## TAGS | |
Organspende | |
Organtransplantation | |
Hirntod | |
Ethikrat | |
Organtransplantation | |
Klaas Heufer-Umlauf | |
Transplantation | |
Hirntod | |
Hirntod | |
Sterbehilfe | |
Sterbehilfe | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Berichterstattung zur Organentnahme: taz siegt beim Bundesgerichtshof | |
Die Karlsruher Richter geben Redakteurin Heike Haarhoff Recht. Ihr Text | |
über eine unprofessionelle Organentnahme sei nicht zu beanstanden. | |
Moderator Klaas Heufer-Umlauf über Organspende: „Geht nicht darum zu mission… | |
Der Verein „Junge Helden“ wirbt auf Partys und im Kino für Organspenden. | |
Für Heufer-Umlauf hat das Thema mehr mit Leben als dem Tod zu tun. | |
Manipulation bei Organvergabe: Münchner Herzensstreit | |
Das Klinikum der Universität München verwahrt sich gegen Vorwürfe bei der | |
Vergabe von Spenderherzen gezielt manipuliert zu haben. | |
Kommentar Transplantationsgesetz: Mein Hirntod ist mir egal | |
Das Problem sind nicht frisierte Laborwerte, sondern dass zu wenige Organe | |
gespendet werden. Weil sie zu knapp sind, kommt es zu Verteilungskämpfen. | |
Stellungnahme des Deutschen Ethikrates: Der Hirntod bleibt umstritten | |
Der Ethikrat streitet, ob der Hirntod der Tod des Menschen ist. Einig ist | |
er sich, dass eine Organspende nach Herzstillstand nicht erlaubt sein soll. | |
Ethikrat gegen Sterbehilfe-Regelung: „Sterben ist nicht normierbar“ | |
Suizidbeihilfe ist für den Ethikrat keine Aufgabe des Arztes. | |
Gewissensentscheidungen müsse man aber respektieren. Ein Statement für | |
Sterbehilfe ist das nicht. | |
Streitgespräch zur Sterbehilfe: „Anfang und Ende sind unverfügbar“ | |
Ärzte dürfen nicht zum Töten ermächtigt werden, sagt Gerhard Steier. | |
Bewusste Abschiede seien das Beste, was Sterbenden passieren könne, | |
entgegnet Gita Neumann. | |
Vorraussetzungen für Organspende: Das System Hirntod | |
Voraussetzung für eine Organentnahme ist der Tod des „Spenders“. Doch wann | |
ein Mensch tot ist, darüber gehen die Meinungen auch bei den Experten | |
auseinander. | |
Ethikrat debattiert über Hirntod-Konzept: Das funktionelle „Nichts“ | |
Der Deutsche Ethikrat holte sich für sein Forum „Hirntod und Organentnahme“ | |
einen Kritikerstar aufs Podium. Angehörige und Pflegekräfte wurden nicht | |
gefragt. |