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# taz.de -- Manipulation bei Organvergabe: Münchner Herzensstreit
> Das Klinikum der Universität München verwahrt sich gegen Vorwürfe bei der
> Vergabe von Spenderherzen gezielt manipuliert zu haben.
Bild: In 17 Fällen sollen Ärzte bei Herztransplantationen am Klinikum der Uni…
BERLIN taz | Der Transplantationsskandal geht in eine neue Runde. Nachdem
vor knapp drei Jahren massive Manipulationen bei der Vergabe
lebensrettender Spenderlebern an mehreren deutschen Universitätskliniken
bekannt geworden waren, hatten sich die Prüfer bei der Bundesärztekammer
das Ziel gesetzt, die Transplantationszentren künftig sorgfältiger auf
Einhaltung der Vergabe-Richtlinien zu kontrollieren – und zwar nicht nur
diejenigen, die Lebern verpflanzen, sondern auch die Zentren, an denen
Herzen, Nieren und Lungen transplantiert werden.
Jetzt glauben die Prüfer, am Klinikum der Universität München (LMU) fündig
geworden zu sein: In 17 Fällen zwischen 2010 und 2012 sollen Ärzte dort bei
Herztransplantationen gezielt Medikamententherapien manipuliert haben mit
dem Ziel, ihren Patienten auf diese Weise schneller ein Spenderherz zu
verschaffen, als ihnen zugestanden hätte. Insgesamt waren in dem Zeitraum
in München 101 Herzen transplantiert worden.
„Die Kommission hat den Bericht verabschiedet, jetzt haben die Münchner
Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen“, sagte der Vize-Vorsitzende der
Prüfungskommission, Hans Lippert, der taz. Weitere Details zu den Vorwürfen
wollte er mit Rücksicht auf das laufende Verfahren nicht nennen.
Der Ärztliche Direktor des Klinikums, Karl-Walter Jauch, sagte im Gespräch
mit der taz, er widerspreche „nachdrücklich dieser Darstellung der
Prüfungs- und Überwachungskommission bei der Bundesärztekammer“. Seine
Kollegen hätten sich an geltendes Recht gehalten und insbesondere bei der
Therapie herzkranker Patienten den Stand der Wissenschaft berücksichtigt.
Die Tatsache, „dass nun möglicherweise staatsanwaltschaftliche Ermittlungen
drohen, treffen mich in meinem Selbstverständnis als Arzt, der sich seit
Jahrzehnten mit Transplantationen beschäftigt“, sagte Jauch. „Wir sind
jedoch sicher, dass wir alles entkräften können.“ Der Münchner
Strafrechtsprofessor und Transplantationsexperte Ulrich Schroth sagte der
taz, sollte es hart auf hart kommen, „dann werde ich die Klinik vertreten“.
## Unzulässige Dosierung
Der Vorwurf der Prüfer lautet, vereinfacht gesagt, dass die Ärzte ihren
schwer kranken Patienten jeweils kurz vor der routinemäßigen Überprüfung
ihres Status auf der Warteliste Notfallmedikamente verabreichten in einer –
nach Ansicht der Prüfer – unzulässigen Dosierung. Diese Dosierung habe dazu
geführt, dass die Patienten als hochdringlich eingestuft wurden und sich
ihre Aussicht auf ein Spenderherz verbesserte.
Dabei ist die Notwendigkeit der Gabe der so genannten Katecholamine und
Phosphodiesterase-Hemmer an sich unstrittig zwischen Prüfern und Klinikum.
Der Streit dreht sich vielmehr im Kern um die Frage, ob die Medikamente
während eines bestimmten 48-Stunden-Zeitraums kontinuierlich in einer
bestimmten Höchstdosis hätten gegeben werden müssen (was die Prüfer
behaupten) – oder ob es richtlinienkonform war, die Höchstdosis in dem
besagten 48-Stunden-Zeitraum zwar zu erreichen, aber eben nur punktuell
statt permanent (was das Klinikum behauptet).
Zum Verständnis: Katecholamine sind Herz-Kreislauf unterstützende
Medikamente, die intensivmedizinisch betreuten Patienten in
lebensbedrohlicher Situation zur Stabilisierung gegeben werden. Und die –
neben einer Vielzahl anderer Faktoren – über die Dringlichkeit einer
Operation mit entscheiden. Spenderherzen werden in Deutschland vor allem
nach dem Kriterium der Wartezeit vergeben.
## Verwirrung um Richtlinien
Pikant daran: Die Richtlinie der Bundesärztekammer zur Vergabe von
Spenderherzen legt selbst gar keine Grenzwerte fest, ab welcher
Katecholamin-Dosierung der Status eines Patienten als hochdringlich gelten
soll. Sie macht auch keine Angaben darüber, ob die Katecholamine permanent
oder in Intervallen gegeben werden sollen. Hierzu äußert sich lediglich ein
so genanntes „Manual“ der Organvergabestelle Eurotransplant, das keinerlei
normativen Charakter besitzt. Die Prüfer wiederum hatten den Auftrag, die
Transplantationszentren ausschließlich auf Einhaltung der Richtlinien der
Bundesärztekammer zu kontrollieren.
Die Ärzte in München hätten sich jedoch nicht nur innerhalb der Vorgaben
der Bundesärztekammer-Richtlinie bewegt, sondern auch in der Sache richtig
entschieden, sagte der Strafrechtler Ulrich Schroth der taz: „Die
Interpretation der Münchner Ärzte entspricht dem Text im Manual.“
Der Ärztliche Direktor, Karl-Walter Jauch, bekräftigte, medizinisch sei es
richtig, die Medikamente intermittierend zu verabreichen: „Bei permanenter
Gabe schaden Sie dem Patienten mehr, als dass Sie ihm helfen.“ Zur
Untermauerung seiner Position hat Jauch gleich drei medizinische Gutachten
eingeholt – von Kardiologen des Universitätsklinikums des Saarlands sowie
des Klinikums Augsburg und von Herzchirurgen der Medizinischen Universität
Wien. Sie alle kommen zu dem Schluss, dass Therapie und Dosierung der
Münchner Ärzte korrekt waren.
Ähnliche Vorwürfe – ebenfalls im Zusammenhang mit der Gabe von
Katecholaminen – hatten die Prüfer der Bundesärztekammer übrigens im Sommer
2014 bereits gegen das Deutsche Herzzentrum Berlin erhoben. Das Herzzentrum
hatte sich daraufhin selbst angezeigt, um die Beschuldigungen untersuchen
zu lassen; ein Ergebnis steht noch aus.
Es wäre nicht das erste Mal, dass Vorwürfe der Prüfer bei der
Bundesärztekammer sich im nachhinein als haltlos erweisen. Zuletzt hatte im
Juli 2014 die Staatsanwaltschaft Münster in einem ähnlichen Fall – es ging
um Manipulationsvorwürfe gegen die dortige Uniklinik bei der Vergabe von
Spenderlebern – die Ermittlungen mit der Begründung eingestellt, die
Richtlinien seien „nicht eindeutig“.
15 Jun 2015
## AUTOREN
Heike Haarhoff
## TAGS
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