# taz.de -- Straßenbau in Deutschland: Noch ein Genosse der Bosse | |
> Eine von Sigmar Gabriel einberufene Kommission will große Teile der | |
> Infrastruktur privatisieren. Ist das Werbung für seine Kanzlerschaft? | |
Bild: Durchfahrt: ein Streckenabschnitt der A2 bei Hamburg. | |
BERLIN taz | Geht es nach Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), | |
werden große Teile der Infrastruktur in Deutschland privatisiert. Um diese | |
öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) durchzusetzen, hat Gabriel im | |
Sommer 2014 eine Expertenkommission eingesetzt. Der taz liegt nun der | |
Entwurf des Abschlussberichts der Gabriel-Kommission in Auszügen vor. | |
Weil die Werbedarstellung von ÖPP als effizientes und kostengünstiges | |
Modell nicht mehr überzeugend wirkt – alle Rechnungshöfe kritisieren das | |
Instrument als für die Steuerzahler extrem nachteilig –, möchte Gabriel das | |
Vorhaben verschleiern. Gegenüber der taz weigerte sich sein Ministerium im | |
Dezember, Fragen zu beantworten, warum er ÖPP fördern will. Bei diesen | |
Modellen profitierten bislang fast nur die beteiligten Konzerne. | |
Der Entwurf belegt nun, dass Gabriel die Schaffung einer „Bundes-Autobahnen | |
Infrastrukturgesellschaft“ anschieben will. Diese soll „sämtliche | |
Kompetenzen im Bereich der Straßeninfrastruktur in einer Hand bündeln und | |
verfügt über Schnittstellen zu Staat und Bauwirtschaft sowie privaten | |
Anlegern“. Es gehe dabei um eine „konsequente Umsetzung einer | |
Nutzerfinanzierung“ durch Mautgebühren – die Autofahrer sollen für die | |
Autobahnen zahlen. Der Vorteil liege für die Investoren in „lang laufenden | |
Anlagemöglichkeiten für institutionelle Anleger“. | |
Gabriel möchte den Versicherungskonzernen, die in seiner Kommission | |
prominent vertreten sind, in Zeiten niedriger Zinsen Anlagemöglichkeit | |
verschaffen. Die hocken auf rund 1,4 Billionen Euro. Deswegen ist Gabriel | |
bereit, die Infrastruktur in Form von Anlageprodukten zu veräußern. Über | |
dieses Modell will er den bestehenden Investitionsstau verringern. Der wird | |
im Bericht auf 7,3 Milliarden Euro geschätzt. Allein der Bedarf für die | |
Bundesfernstraßen wird auf jährlich 1,3 Milliarden Euro beziffert. | |
Würde der Staat die Projekte in Eigenregie umsetzen, wäre das deutlich | |
billiger und besser zu kontrollieren. Doch die Schuldenbremse verhindert | |
das – trotz historisch günstiger Haushaltszahlen. ÖPP dagegen tauchen im | |
Haushalt nicht als Schulden auf, obschon Experten wie der | |
Exbundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) sie als Schulden definieren. | |
## Kaum vorstellbare Risiken bei Autobahnen | |
Politiker wie Gabriel können sich über den Umweg ÖPP mit kräftigen | |
Investitionsprogrammen für eine Kanzlerkandidatur empfehlen. Konzerne | |
erhalten staatlich garantierte Renditen, die am freien Markt nicht zu | |
erzielen wären. Im Entwurf heißt es: „Private Anleger erwarten eine | |
angemessene Rendite, die oberhalb der Verzinsung von deutschen | |
Staatsanleihen liegen dürfte.“ Um das argumentativ durchzusetzen, müssen | |
die Investoren formal einen Teil der Risiken tragen. | |
Doch bei Autobahnen sind Risiken kaum vorstellbar. Autobahnen können nicht | |
ausfallen. Carl Waßmuth, Infrastrukturexperte von „Gemeingut in | |
BürgerInnenhand“, sagt: „Die Risikoübertragung erfolgt nur zum Schein und | |
um eine hohe Garantierendite zu begründen. Der Staat darf Einrichtungen der | |
Daseinsvorsorge gar nicht ausfallen lassen.“ Das erklärt den Wunsch des | |
Bankenverbands, der in einem Positionspapier geradezu fordert, die Risiken | |
übernehmen zu dürfen. Würde der Staat das tun, heißt es, könnte „keine | |
attraktive Rendite für die Investoren geboten werden“. Das Papier erreichte | |
die Abgeordneten im Dezember pünktlich zu Gabriels Kommission. | |
An ihr beteiligen sich auch die Gewerkschaften DGB und IG Metall. Einen | |
Teil der Konzernrenditen, heißt es, sollen die Autofahrer bezahlen: „Mit | |
der Lkw-Maut und der Infrastrukturabgabe für Pkw sind bereits wichtige | |
Schritte auf diesem Weg vollzogen.“ | |
27 Feb 2015 | |
## AUTOREN | |
Kai Schlieter | |
## TAGS | |
Infrastruktur | |
Sigmar Gabriel | |
ÖPP | |
Straßenbau | |
Sigmar Gabriel | |
Verbraucherschutz | |
Bundestag | |
ADAC | |
ÖPP | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Öffentlich-private Partnerschaften: „Profitinteressen der Großanleger“ | |
Eine Expertenkommission diskutiert über Investitionen in Infrastruktur. | |
„Öffentlich-private Partnerschaften“ bleiben ausgeklammert – zumindest | |
offiziell. | |
Private Finanzierung von Infrastruktur: Sorgen mit der Expertenkommission | |
Verbraucherschützer sind empört über die Mitglieder einer Kommission, die | |
über private Finanzierung von öffentlicher Infrastruktur berät. | |
Maut-Debatte im Bundestag: Die SPD bremst | |
Datenschutz, Einnahmen, Diskriminierung: Die SPD hat Zweifel an der | |
PKW-Maut und will sich nicht treiben lassen. Der Verkehrsminister lässt | |
sich die Laune nicht verderben. | |
Staurekord in Deutschland: 32 Jahre Stillstand | |
Fast eine halbe Million Mal stand der Verkehr auf Deutschlands Autobahnen | |
laut ADAC 2014 still. Ein neuer Rekord – vor allem aber wegen besserer | |
Messung. | |
IG-Metall-Vorstand über ÖPP: „Der Staat ist in der Verantwortung“ | |
IG-Metall-Vorstand Wolfang Lemb lehnt Öffentlich-Private Partnerschaften | |
nicht ab. Privatkapital sei bei knappen Kassen kein Problem. | |
Neues Verkehrspilotprojekt: Begegnung am Poller | |
In Schöneberg und Kreuzberg sollen zwei Straßen probehalber zu Leuchttürmen | |
der Fußgänger- und Radfahrerfreundlichkeit werden. |