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# taz.de -- Schlupflöcher beim EU-Klimaschutz: Die Rechentricks der Ministerien
> Interne Dokumente zeigen: Die Bundesministerien für Wirtschaft und
> Finanzen wollen die EU-Ziele zum Klimaschutz verwässern.
Bild: So wird das jedenfalls nichts mit dem Klimaschutz
BERLIN taz | Bei den Klimaschutzzielen der EU „sind mindestens 40 Prozent
für uns bindend“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel am 23.Oktober 2014
nach dem Beschluss des Klimapakets 2030 durch den Europäischen Rat, „und
die werden auch nicht infrage gestellt.“
Ein halbes Jahr später sieht das anders aus. Die Bundesregierung
debattiert, eben dieses EU-weite Ziel im Klimaschutz zu verwässern. Die
Ministerien für Finanzen und Wirtschaft machen intern Druck, um in Brüssel
umstrittene Rechentricks bei der Wald- und Agrarpolitik durchzusetzen, die
das EU-Ziel praktisch absenken würden. In internen Aktennotizen und
E-Mails, die der taz vorliegen, drängen die beiden Ministerien darauf, die
Regeln zu lockern.
Die EU will bis 2030 ihre Treibhausgase um 40 Prozent gegenüber 1990
senken. Wie das konkret aussehen soll, wird erst jetzt geklärt; am Freitag
wollen die EU-Umweltminister die Vorgaben für die Klimakonferenz in Paris
Ende 2015 beschließen. Länder wie Polen und Irland plädieren dafür, die
natürliche Aufnahme von Kohlendioxid durch Wälder und Wiesen mit den
Emissionen zu verrechnen – was die Anstrengungen beim Klimaschutz von
bislang 40 auf rechnerisch etwa 37,5 Prozent reduzieren würde, befürchten
Experten. Weil die Bedeutung der Wälder als Speicher für Treibhausgase (im
UN-Diplomatenjargon: „LULUCF“) schwierig zu vergleichen ist, wird das Thema
bei den UN-Klimaverhandlungen bisher weitgehend ausgeklammert.
## Interne E-Mail
Genau für diese umstrittene Anrechnung machen sich nun aber die Ministerien
für Wirtschaft und Finanzen stark: Eine interne E-Mail fordert für die
deutsche Position der Verhandlungen ein „Einfügen des Zusatzes, dass LULUCF
Bestandteil des mind. 40%-Ziels ist“. In einem anderen Papier wurde der
Satz gestrichen, der auf das 40-Prozent-Ziel verweist: „Die Integrität des
im Oktober beschlossenen Klimaziels muss gewahrt bleiben.“
Ebenso verschwand aus einer weiteren Fassung die Bemerkung, eine Regelung
zu LULUCF müsse „das Anspruchsniveau aufrechterhalten“. Dabei warnt das
federführende Bundesumweltministerium seit Herbst vor einer Aufnahme der
umstrittenen LULUCF-Regel in die Verhandlungsposition der EU. Zusammen mit
der ebenfalls umkämpften Verlängerung von ungenutzten Emissionszertifikaten
nach 2020 könne das Klimaziel dadurch faktisch „von 40 auf 37 bis 35
Prozent sinken“, heißt es in einem Memo.
Mit allen diesen Schlupflöchern würde der Bedarf nach
Emissionsreduzierungen bei Verkehr, Landwirtschaft und Haushalten „sich um
etwa 47 bis 103 Prozent verringern“ – im Extremfall dürften diese Sektoren
dann also sogar mehr Treibhausgase ausstoßen als 1990.
Die Beamten im Umweltministerium fürchten vor allem das internationale
Signal, wenn die EU sich diese Rechentricks erlaubt. „LULUCF beim
40-Prozentziel mitzuzählen, wird wahrscheinlich das Ambitionsniveau
deutlich senken, was wiederum die Glaubwürdigkeit der EU vor der
Paris-Konferenz unterminieren würde“, heißt es in einem „Non-Paper“ aus…
Hause von Umweltministerin Barbara Hendricks. Vor allem gegenüber
Waldländern wie Indonesien und Brasilien, die ihre Wälder bisher nicht als
CO2-Speicher anerkannt bekommen, „verlöre die EU deutlich an
Glaubwürdigkeit“.
Auf Anfrage hielten sich die Ministerien bedeckt. Das Finanzministerium
erklärte, für Festlegungen jenseits des EU-Ratsbeschlusses „besteht
angesichts offener Fragen derzeit kein Spielraum“. Das
Wirtschaftsministerium verwies auf das federführende Umweltministerium. Von
dort – keine Stellungnahme.
3 Mar 2015
## AUTOREN
Bernhard Pötter
## TAGS
Schwerpunkt Klimawandel
Emissionen
Treibhausgase
Klimakonferenz in Dubai
USA
Barbara Hendricks
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Europa
Schwerpunkt Klimawandel
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