# taz.de -- Öffentlich-Private Partnerschaften: Gabriels Milliarden-Angebote | |
> Der Wirtschaftsminister verspricht neue Infrastruktur. Für Steuerzahler | |
> wird das teuer, zeigen interne Papiere. Um das zu kaschieren, soll der | |
> ÖPP-Begriff weg. | |
Bild: Statt Schlaglöchern soll es lauter neue Straßen geben. Aber wer bezahlt… | |
Anfang der Woche fasste sich Sigmar Gabriel ein Herz und sagte den schönen | |
Satz: „Ich glaube, dass es keine soziale Gesellschaft ohne eine soziale | |
Stadt gibt.“ Klingt ursozialdemokratisch. Dem Minister geht es um die | |
Finanzierung der deutschen Infrastruktur, eines seiner wichtigsten Themen. | |
Straßen, Autobahnen, Schulen, Breitbandnetze – an fast allem hapert es. | |
Manche schätzen den Investitionsstau auf 150 Milliarden Euro in den | |
kommenden Jahren. | |
Früher, so der Minister, seien zwei Drittel der öffentlichen Investitionen | |
aus den Kommunen gekommen. Heute habe „die kommunale Finanzschwäche dazu | |
geführt, dass es nur noch die Hälfte ist“. Eine traurige Geschichte: Die | |
Kommunen, heimgesucht von einer Schwäche. Unausweichlich, nicht steuerbar – | |
so wirkt das. | |
Tatsächlich ist die „kommunale Schwäche“ kein Naturphänomen, sondern das | |
Produkt gezielter Politik, unter anderem rot-grüner Steuerpolitik. Die | |
führte zu jenen Einnahmeeinbrüchen, die Herr Gabriel jetzt beklagt. Nicht | |
absehbar, ein ungewollter Effekt? | |
Gerade die Sozialdemokraten erweiterten für die Konzerne die Möglichkeiten, | |
für das geschaffene Problem eine passgenaue Lösung zu liefern: [1][ÖPP, | |
Öffentlich-Private Partnerschaften]. Fehlt das Geld, finanzieren die | |
Konzerne – mit satten Gewinnen und für den Staat viel teurer. „Die Kommunen | |
wurden zum Griechenland Deutschlands gemacht“, kritisiert der | |
Infrastrukturexperte der Organisation Gemeingut in BürgerInnenhand, Carl | |
Waßmuth. | |
## ÖPPs sind in Verruf geraten | |
Das ÖPP-Beschleunigungsgesetz wurde 2002 von der SPD-Bundestagsfraktion | |
initiiert. Geschrieben haben es Vertreter von Banken, Baufirmen und | |
Beraterkonzernen. Das war damals ein kleiner Skandal. | |
Seither hat sich einiges geändert. ÖPPs sind wegen spektakulärer | |
Kostensteigerungen in Verruf geraten – Beispiel Hamburger Elbphilharmonie – | |
und vor allem wegen der Berichte der Rechnungshöfe, die das zwielichtige | |
Modell stets als extrem nachteilig für die Bürgerinnen und Bürger | |
entlarvten. Doch die erzeugte Finanznot der Kommunen besteht fort. | |
Deswegen hat Gabriel eine Expertenkommission einberufen, die irgendwie die | |
frei flottierenden 1,4 Billionen Euro Anlagekapital der | |
Versicherungskonzerne für Investitionen in die Infrastruktur ködern soll. | |
Das Problem: Das Ganze darf wegen des schlechten Images nicht mehr ÖPP | |
heißen. Dabei sind den politisch Beteiligten die Nachteile (für die Bürger) | |
und die Vorteile (für die Konzerne) von ÖPP völlig klar. | |
Das belegt ein Entwurfspapier – „Nur für den INTERNEN Gebrauch“ – von | |
Gabriels Kommissionsvorsitzendem, dem Chef des | |
Wirtschaftsforschungsinstituts DIW, Marcel Fratzscher. Es liegt der taz | |
vor. In dem Dokument geht es darum, wie private Investoren an die kommunale | |
Infrastruktur rankommen. Reflektiert wird dabei „die Skepsis gegenüber ÖPPs | |
nach spektakulären Misserfolgen und öffentlicher Kritik“. | |
## Pseudoobjektive Berater | |
Es heißt, dass „manche öffentlichen Auftraggeber ÖPPs bevorzugen, weil sie | |
fiskalische Belastungen kaschieren“. Übersetzt: Mit ÖPP lässt sich die | |
Schuldenbremse umgehen. Das politische Anreizmodell: Kommunen können ohne | |
Geld wieder investieren. Die enormen Kostensteigerungen durch die Gewinne | |
der Konzerne werden erst Jahrzehnte später deutlich – so weit reichen die | |
ÖPP-Verträge in die Zukunft. | |
Klar ist den Verfassern des Fratzscher-Papiers, dass bisher die „Berater | |
ein Interesse an der Entscheidung zugunsten von ÖPP haben und die Risiken | |
konventioneller Beschaffungen daher übertrieben darstellen“. Immerhin eine | |
Einsicht: Bisher hatte sich die Politik stets hinter einer | |
Pseudoobjektivität der Berater versteckt. | |
Nun heißt es in einem weiteren internen Sitzungsprotokoll der | |
Gabriel-Kommission, das der taz ebenfalls vorliegt: Nötig sei eine | |
„Loslösung vom traditionellen ÖPP-Begriff“, so Fratzscher. Im Politsprech | |
ist nun von einem „öffentlichen Finanzintermediär“ die Rede. Ein | |
„Regionaler Infrastrukturfonds (RIF)“ sei denkbar. „Durch die gebündelte | |
Weitergabe an private Investoren könnten private Finanzierungskosten“ | |
gesenkt werden. Der Fonds könnte auch „Wertpapiere emittieren“. Dadurch | |
„könnte private Finanzierung indirekt – über den Fonds, und auch ohne ÖP… | |
in kommunale Investitionen fließen“. | |
Doch genau darin besteht der Nachteil der ÖPPs: Die Kosten der Finanzierung | |
sind bei privaten Investoren uneinholbar höher. Die Versicherungen haben | |
bereits verlauten lassen, dass sie eine Rendite von 7 Prozent erwarten, | |
wenn sie in deutsche Infrastruktur investieren sollen. | |
## 3,5 Milliarden Euro bis 2018 | |
Gabriel hatte im letzten Jahr den Versicherungskonzernen „attraktive | |
Angebote“ versprochen. Ist das von Gabriel Anfang dieser Woche verkündete | |
„größte Investitionsprogramm der letzten Jahrzehnte“ Teil des „attrakti… | |
Angebots“? | |
Eine spärliche Pressemitteilung kündigt einen „kommunalen | |
Investitionsfonds“ an. Bei der Präsentation waren die Journalisten | |
verblüfft: 3,5 Milliarden Euro sollen bis 2018 plötzlich zur Verfügung | |
stehen. Das Modell erinnert stark an den „Regionalen Investitionsfonds“, | |
den Fratzscher in seinem Strategiepapier anregt. Laut Pressemitteilung soll | |
der „kommunale Eigenanteil dabei lediglich 10 Prozent betragen“. Doch wer | |
zahlt die restlichen 90 Prozent? Laut Ministeriumsauskunft von diesem | |
Donnerstag ist „eine Beteiligung privater Mittel nicht geplant“. | |
Doch passgenau kam es nun zu einer Änderung der Anlageverordnung, darin | |
eine Einschränkung des sogenannten Konzernverbots: Versicherungsunternehmen | |
und Pensionsfonds können stärker in Infrastrukturprojekte investieren, wenn | |
sie keinerlei Einfluss auf die Geschäfte nehmen. Das Konzernverbot dient | |
bisher dazu, die Investitionen privatwirtschaftlicher Anleger in sensible | |
Bereiche wie Infrastruktur zu begrenzen. Zudem wurde auch die Kreditvergabe | |
besonders an Infrastrukturprojekte erleichtert. | |
## Risiko für Steuerzahler | |
Susanna Karawanskij, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, kritisiert das: | |
„Es ist hochbrisant, wenn Versicherungen im Rahmen der Anlagemöglichkeiten | |
der Weg geebnet wird, leichter in den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur | |
zu investieren.“ Der Gabriel-Plan sei ein Hochrisikoplan für | |
Versicherungskunden. | |
Und für Steuerzahler: Die Risikoübertragung auf Private „erfolgt nur zum | |
Schein und um eine hohe Garantierendite zu begründen. Der Staat darf | |
Einrichtungen der Daseinsvorsorge aber nicht ausfallen lassen, er wird | |
letztlich haften. Kunden müssen selbst die Konzernrenditen für | |
Infrastrukturinvestments zahlen, wenn sie zum Beispiel bei der Pkw-Maut zur | |
Kasse gebeten werden.“ | |
Doch die öffentlich-privaten Experten haben noch weitere Pläne: Öffentliche | |
Finanzierung könnte unattraktiver gemacht werden. Kommissionsvorsitzender | |
Fratzscher schreibt: „Es sollte geprüft werden, ob es einen fiskalisch | |
neutralen Weg gibt, die umsatzsteuerlichen Begünstigungen von | |
Eigenrealisierung zu reduzieren oder ganz abzubauen.“ (Das zielt darauf, | |
dass der Staat als Auftraggeber bisher keine Umsatzsteuer an sich selbst | |
zahlen muss, Baufirmen diese Mehrwertsteuer hingegen schon). | |
## Ein Geschäft für die Banken | |
Einzelne Infrastrukturprojekte sollen für Privatinvestoren zu Großprojekten | |
gebündelt werden. Im Investorenslang liest sich das so: „Das Portfolio“ | |
könnte „zu einem späteren Zeitpunkt etwa durch eine Verbriefung | |
ausplatziert“ werden. | |
Ein gutes Geschäft für Banken und professionelle Anleger. Und so ist der | |
Entwurf Fratzschers auch „aufbauend auf Beiträgen von T. Mayer“. Thomas | |
Mayer war einmal Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Heute arbeitet er als | |
Direktor für die Flossbach von Storch AG, „eine führende Adresse für die | |
individuelle Verwaltung großer Vermögen in Europa“, wie es in der | |
Eigenwerbung des Unternehmens heißt. | |
Laut dem internen Sitzungsprotokoll der Gabriel-Kommission wird ein „Dr. | |
Mayer“ auch einer Arbeitsgruppe angehören, die eine weitere | |
„Detailkonzeptionierung“ entwirft. Die Vermögensverwalter gestalten den Bau | |
der deutschen Infrastruktur jetzt mit – „soziale Stadt“ eben. | |
6 Mar 2015 | |
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## AUTOREN | |
Kai Schlieter | |
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