# taz.de -- Wortgewitter im Schuldenstreit: Athen droht mit offenen Grenzen | |
> Bleibt Griechenland ohne Hilfe, will Verteidigungsminister Kammenos | |
> Zehntausende Flüchtlinge nach Europa weiterleiten. CSU-Mann Ramsauer | |
> wünscht sich Grexit. | |
Bild: In Athen wird verbal heftigst gegrollt – Berlin und Brüssel blitzen zu… | |
ATHEN/BRÜSSEL/BERLIN dpa/rtr | Das von der Staatspleite bedrohte | |
Griechenland hat erneut mit der Weiterleitung Zehntausender Flüchtlinge | |
nach Europa gedroht. „Wenn sie Griechenland einen Schlag versetzen, dann | |
sollen sie wissen, dass (...) die Migranten (Reise-) Papiere bekommen und | |
nach Berlin gehen“, sagte Verteidigungsminister Panos Kammenos am Sonntag | |
bei einer Sitzung seiner rechtspopulistischen Partei „Unabhängige | |
Griechen“. Sie ist Juniorpartner in der Koalitionsregierung des linken | |
Regierungschefs Alexis Tsipras. | |
Wenn unter den Flüchtlingen auch Mitglieder der Terrormiliz Islamischer | |
Staat (IS) sein sollten, sei Europa durch seine Haltung gegenüber | |
Griechenland in der Schuldenfrage selbst dafür verantwortlich, sagte | |
Kammenos. | |
Bereits vor gut einer Woche hatte Vize-Innenminister Giannis Panousis mit | |
einer ähnlichen Äußerung für Aufsehen gesorgt. Unter anderem hatte die | |
Deutsche Polizeigewerkschaft daraufhin gefordert, Griechenland notfalls aus | |
dem Schengenraum auszuschließen. Der griechische Außenminister Nikos | |
Kotzias hatte am Freitag am Rande des EU-Außenministertreffens in der | |
lettischen Hauptstadt Riga gewarnt, Griechenland könne zum Einfallstor für | |
„Millionen Immigranten und Tausende Dschihadisten“ werden, sollte das Land | |
wirtschaftlich zusammenbrechen. | |
## Zugehörigkeit zur Euro-Zone steht nicht zur Debatte | |
Unterdessen hat Finanzminister Yanis Varoufakis am Wochenende in einem | |
Brief an die Eurogruppe um umgehende Gespräche auf Arbeitsebene gebeten. Er | |
schlug den Gläubigern eine Reihe von Reformen vor und drohte zugleich mit | |
einem Referendum. Sein Ministerium betonte am Sonntag aber, die | |
Zugehörigkeit Griechenlands zur Euro-Zone stehe nicht zur Debatte. Die | |
Reaktionen auf den Vorstoß aus Athen fielen in Brüssel zurückhaltend aus: | |
Der Vorsitzende der EU-Finanzminister, Jeroen Dijsselbloem, nannte | |
Varoufakis' Vorschläge hilfreich, forderte aber zugleich eine Überprüfung | |
der Maßnahmen durch internationale Kontrolleure. | |
Am Montag berät die Eurogruppe, in der die Finanzminister der Währungsunion | |
vertreten sind, über Griechenlands Reformpläne. Als Basis für die Gespräche | |
listete Varoufakis eine Reihe von Vorhaben auf. So plant er unter anderem | |
Steuern auf Internet-Glücksspiel und einen Abbau der Bürokratie, aber auch | |
Hilfen für die ärmsten Griechen. Amateur-Steuerfahnder sollen zudem mit | |
Kameras und Tonaufnahmegeräten Beweise gegen Steuersünder unter | |
Taxifahrern, Handwerkern und Restaurant-Besitzern sammeln. | |
Dijsselbloem betonte in Antwortschreiben an Varoufakis, die Vorschläge | |
müssten noch weiter erörtert werden. Bei der laufenden Überprüfung würden | |
die Geldgeber zudem sämtliche Maßnahmen genau unter die Lupe nehmen. Die | |
Diskussionen könnten wie von Varoufakis vorgeschlagen in Brüssel | |
stattfinden, sie müssten aber durch Arbeit von Kontrolleuren in | |
Griechenland flankiert werden. | |
Bei vielen Griechen sind die Besuche der als „Troika“ bekanntgewordenen | |
Inspektoren von Europäischer Union (EU), Europäischer Zentralbank (EZB) und | |
Internationalem Währungsfonds (IWF) im eigenen Land verhasst. Griechenland | |
hängt seit Jahren am Tropf dieser Geldgeber. Für die Freigabe weiterer | |
Hilfen verlangen sie die Umsetzung zuvor vereinbarter Spar- und | |
Reformziele. Der neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras gewann | |
die Wahl jedoch gerade mit seinem Widerstand gegen diese Auflagen und ringt | |
nun um eine Einigung, um sein Land vor einem Staatsbankrott zu retten. | |
## „Wir kleben noch nicht an unseren Stühlen“ | |
## | |
Auch die EU-Kommission reagierte zurückhaltend auf die jüngsten Forderungen | |
aus Athen. Der zuständige Vizepräsident Valdis Dombrovskis sagte der | |
Frankfurter Allgemeinen Zeitung laut Vorabbericht vom Sonntag, die | |
ausstehenden Kredite könnten nur ausgezahlt werden, wenn die griechische | |
Regierung die Reformauflagen des Programms einhalte. „Die Regierung in | |
Athen versteht dieses Problem offenbar immer noch anders als wir.“ | |
Auf der Suche nach einen Ausweg aus der Schuldenkrise brachte Varoufakis | |
auch Neuwahlen und eine Volksabstimmung ins Gespräch. Eine Ablehnung der | |
griechischen Pläne in Brüssel könnte Probleme aufwerfen, wurde er von der | |
italienischen Zeitung Corriere della Sera zitiert. „Aber wie mein | |
Ministerpräsident schon gesagt hat, kleben wir noch nicht an unseren | |
Stühlen.“ Worum es in dem ebenfalls angesprochenen Referendum gehen könnte, | |
sagte der Politiker in dem Interview selbst nicht. Sein Ministerium stellte | |
hinterher klar, dass er sich dabei auf Reformen und die Haushaltspolitik, | |
nicht aber auf einen Verbleib in der Euro-Zone bezogen habe. | |
Die Euro-Partner haben Tsipras bis Ende April Zeit gegeben, um die von der | |
Vorgängerregierung zugesagten Reform- und Sparschritte umzusetzen. Dies | |
soll von EZB, EU und IWF überprüft werden, bevor die verbliebenen Kredite | |
aus den bisherigen Hilfsprogrammen im Volumen von insgesamt 240 Milliarden | |
Euro ausgezahlt werden. Anschließend hat Griechenland bis Ende Juni Zeit, | |
um über ein weiteres Hilfspaket zu verhandeln. | |
## Ramsauer: Rückkehr zur Drachme großartige Chance | |
Ex-Minister Peter Ramsauer hat Griechenland den Austritt aus der Euro-Zone | |
nahegelegt. Ein „Weiter so“ könne ganz sicher nicht weiterhelfen, schrieb | |
der CSU-Politiker, der Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses im Bundestag | |
ist, in einem Beitrag für Bild vom Montag. „Mit einem Ausscheiden des | |
Landes aus dem Euro, wie es Finanzminister Schäuble bereits ins Gespräch | |
gebracht hat, bekäme das Land die Möglichkeit, sich mit neuer Drachme | |
währungspolitisch wieder wettbewerbsfähig zu machen“, schrieb er. | |
Griechenland bekäme „eine großartige Chance“, sich ökonomisch und | |
administrativ runderneuern zu können. | |
„Und so manchem starken EU-Land, das heute die Eurozone noch meidet, könnte | |
dadurch der Weg in den Euro schmackhaft gemacht werden“, argumentierte | |
Ramsauer. „Das wäre ein großer Gewinn für den Euro und Europa.“ Ramsauer | |
begründete sein Nein im Bundestag zur jüngsten Verlängerung des geltenden | |
Hilfsprogramms für Griechenland. Einer der Gründe sei gewesen, dass er | |
nicht gegen den Willen und die Zweifel der deutschen Bürger habe handeln | |
wollen. Die könnten immer weniger verstehen, dass die Nicht-Einhaltung von | |
Versprechen der Griechen folgenlos bleiben solle. „Damit muss Schluss | |
sein“, schrieb Ramsauer. | |
9 Mar 2015 | |
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