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# taz.de -- Olympia in Berlin oder Hamburg: Himmelhoch unjauchzend
> In beiden Städten wollen die BewohnerInnen mehrheitlich Olympia. Wenn man
> der Umfrage glaubt. Begeisterung ist kaum zu sehen.
Bild: Die Ringe am Olympiastadion in Berlin
BERLIN taz | Doch, irgendwas war schon anders als sonst in der Stadt in den
vergangenen Wochen. Der Fernsehturm am Alex blinkte lilafarben und warb um
Facebook-Fans für Olympia in Berlin. Auch beim Geldabheben erschien ein
Logo mit dem Slogan „Wir wollen die Spiele“ auf dem Bildschirm – das
zackige Zeichen in Rot-Grau sieht jedoch eher nach Bundesjugendspielen und
80er aus, als dass man es mit Olympia in Verbindung bringt.
Schließlich gab es hier und da versprengte Grüppchen einer
„NOlympia“-Bewegung, die mehr mit Stinkbomben als Argumenten bei
Diskussionsveranstaltungen auf sich aufmerksam machten.
Ja, irgendwas mit Olympia musste da sein – nur was? Von Begeisterung für
die Spiele 2024 an der Spree kann man allein deshalb nicht sprechen, weil
das Thema in der Bevölkerung weitestgehend nicht vorkommt. Zwar haben
Berliner Vereine und der Senat im Februar 100.000 Unterschriften für
Olympia gesammelt und dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) übergeben,
an der jüngsten Onlineumfrage des Senats zur Berliner Bewerbung nahmen
hingegen nur 1.340 Menschen teil.
Auch auf der vom Berliner Landessportbund (LSB) und dem BUND initiierten
Plattform „[1][www.olympia-diskutieren.de]“ verläuft die Diskussion unter
den gut 500 TeilnehmerInnen zäh. Und Stadtgespräch ist Olympia sowieso
nicht.
## Berlins ohnehin ausgeprägte Skepsis
Die 55 Prozent Zustimmung, die Forsa nun innerhalb der Bevölkerung
ermittelt hat, dürfen die Berliner Olympiabefürworter somit durchaus als
Erfolg werten – ob diese Unterstützung dem DOSB ausreicht und ob Berlin
dann eine neue Chance bekommt, des Volkes Gemüter für Olympia zu erwärmen,
zeigt sich erst bei der DOSB-Entscheidung in der kommenden Woche.
In Straßenbefragungen schien die in Berlin ohnehin ausgeprägte Skepsis
zuletzt groß. Bürger sprachen über die Unwägbarkeiten in der Politik des
Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die Kosten verursache und mit
dem Gewinn weiterziehe. Sie sprachen auch davon, wie realistisch – besser:
unrealistisch – die von Berlin veranschlagten 2,4 Milliarden Euro und das
Konzept der Nachhaltigkeit und temporären Nutzung für die Spiele seien.
Der Breitensport und die maroden Schulen und Sporthallen würden nicht von
Olympia profitieren, argumentierten die Gegner des Weiteren – in Berlin ist
die Lage besonders dramatisch, zurzeit sind etwa 20 sanierungsbedürftige
Turnhallen in der Stadt gesperrt. Andere Stimmen sagten, die Spiele täten
dem Flair der Stadt gut und könnten vor allem die Spiele von 1936 vergessen
machen.
## Unentschieden bis zur CDU
Bis dahin wäre es noch ein weiter Weg, selbst wenn sich der DOSB für Berlin
entscheiden sollte. Denn auch vonseiten der Politik scheint die letzte
Überzeugung zu fehlen: „Berlin steht bereit, wenn der DOSB das will und
glaubt, dass wir mit unserer Bewerbung international erfolgreich sein
können“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller Ende
vergangenen Jahres bei einem Podiumsgespräch. Es folgten weitere Wenn-Sätze
in Richtung IOC, die mit Transparenz und Nachhaltigkeit zu tun hatten.
Die Unentschiedenheit der Bevölkerung spiegelt sich generell in den
Berliner Parteien: Die SPD und die CDU sprechen sich für ein „Ja, wenn …“
aus, während die Piraten und Grünen „Ja, aber …“ sagen. Die Linke ist da
deutlicher: Sie ist bei einem Nein ohne Wenn und Aber.
Andere legen sich entschiedener ins Zeug für Olympia an der Spree.
Zuvorderst der Landessportbund und dessen Chef Klaus Böger. Böger, der bis
2006 Sport- und Bildungssenator Berlins war, eilte zuletzt von Termin zu
Termin, von Podium zu Podium und machte deutlich, dass er für Olympia in
Berlin bis zum Ende kämpfen wird: „Mehrheit ist Mehrheit, egal ob 90
Prozent oder 53 Prozent“, sagte er am Dienstagmorgen dem Tagesspiegel. Mit
seiner Zahl lag er ganz gut – will der DOSB sich aber tatsächlich doch mit
Berlin bewerben, hat dieser Mann noch einiges an Überzeugungsarbeit vor
sich. JENS UTHOFF
## ***
HAMBURG taz | An der Jacke des Taxifahrers prangt eines dieser kleinen
Zeichen, die man in Hamburg derzeit immer öfter sieht: „Feuer und Flamme
für Spiele in Hamburg.“ Warum er für Olympia an der Elbe sei? Kurz überlegt
der Mann, bevor er antwortet. „Jooo“, sagt er, „ich denk mal nich, dass es
so schlimm wird, wie viele behaupten.“
Hamburg im Olympiafieber? Die Reaktion des Taxifahrers ist nicht untypisch.
Die Zustimmung wächst, doch von Euphorie ist weithin nichts zu spüren.
Komplett unaufgeregt und mit vornehmer hanseatischer Zurückhaltung blickt
die Elbmetropole auf die Entscheidung Hamburg oder Berlin. Kann kommen der
Kram. Muss aber nicht.
Politik, Wirtschaft und Sportvereine versuchen seit Wochen, gute Stimmung
für Olympia zu machen. Keine großen Kampagnen sind angesagt, eher viel
Traffic in den sozialen Netzwerken. Die Politik hält sich finanziell
zurück, weil niemand da im Rathaus sich nachsagen lassen will, Millionen
Euro für eine unnütze Olympia-Bewerbung aus dem Fenster geworfen zu haben,
so wie damals, 2003, als man die nationale Vorentscheidung gegen Leipzig
verlor. CDU, SPD und FDP stehen hinter Olympia, die Grünen bedenken noch
ein wenig und allein die Linke sagt kategorisch nein, weil sie
herausgefunden hat, dass die Spiele zu viel mit Kommerz zu tun haben.
## Farbiger Fernsehturm
Kommerz hat auch Hamburgs Wirtschaft entdeckt und ihre Liebe zu Olympia ist
weit stärker entflammt als die der Politik. Gut 800.000 Euro haben 40
Hamburger Firmen eingesammelt, um die Hamburger auf Olympia einzustimmen.
Nachts strahlt der Fernsehturm in den olympischen Farben, an der Alster
explodiert ein Olympia-Feuerwerk und in den U- und S-Bahnen laufen
Werbespots für das Sportevent. Voller Vorfreude berauscht sich die
Wirtschaft an drei guten Gründen für Olympia: Aufträge, Wachstum, Renditen.
Einfühlsam übersetzt für die breite Öffentlichkeit lauten diese drei
Argumente: Völkerverständigung, Gastfreundschaft, Nachhaltigkeit.
Alexander Otto, Spross der berühmten Versandhausdynastie, wurde zum
Hamburger Olympia-Botschafter gekürt und macht seitdem gemeinsam mit seinem
Halbbruder Michael Otto permanent gute Miene zum glamourösen Spiel. Die
Zwillingsbrüder Frederik und Gerrit Braun, Gründer des Hamburger Miniatur
Wunderlands, stellen einen Webekurzfilm nach dem anderen ins Netz und
inszenierten im Februar gar einen Fackelzug von Olympiabefürwortern an der
Binnenalster. 20.000 Olympiafans kamen statt der erwarteten 5.000 Menschen
und sorgten für ein eindrucksvolles Event.
## Hamburg, die schönste Stadt der Welt
Am meisten aber trommeln Hamburgs Sportvereine für Olympia, getrieben von
der Hoffnung, dass ihnen all die schönen Sportanlagen - wenn die
Olympioniken und Paraolympioniken sich ausgetobt haben - als Beute für den
Breitensport zufallen. Erweckte Sportbegeisterung plus neue
Wettkampfstätten ist eine verheißungsvolle Perspektive.
Die von Politik, Sport und Wirtschaft forcierte Olympia-Begeisterung trägt
Früchte. Von Umfrage zu Umfrage wächst die Zahl der Hamburger
Olympia-Befürworter. Waren gerade mal 53 Prozent der HamburgerInnen im
vergangenen September für Olympia, so wuchs ihre Zahl bei gerade
abgeschlossenen Repräsentativumfragen des Deutschen Olympischen Sportbundes
auf 64 Prozent an. Das reicht locker, um Berlin abzuhängen.
Dass die Zustimmung wächst, mag auch etwas damit zu tun haben, dass die
Olympiabewerbung der Hamburger Großmannssucht entgegenkommt. Der gemeine
Hamburger hält – das ist unumstößlich – Hamburg für die schönste Stadt…
Welt. Nur dass die Welt davon gar nichts weiß, weil Hamburg noch immer nur
in der zweiten Reihe der großen internationalen Metropolen steht und
deshalb leider ständig übersehen wird.
Das könnte Olympia ändern. Wenn man sich dort richtig präsentiert, sollte
danach der ganze Globus die Hamburger um ihre Stadt beneiden. Olympia kann
also kommen. Muss aber nicht. MARCO CARINI
10 Mar 2015
## LINKS
[1] http://www.olympia-diskutieren.de/
## AUTOREN
Jens Uthoff
Marco Carini
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