# taz.de -- Wirtschaftsforscher über Olympia: „Berlin wird nicht gewinnen“ | |
> Bewerbung für die Sommerspiele 2024 mit Berlin oder Hamburg? Zwei | |
> Ökonomen streiten über den wirtschaftlichen Nutzen des Events. | |
Bild: Berlin, bleib bei deinen Pfannkuchen, statt nach den Ringen zu greifen | |
taz: Herr Quitzau, bei einer Podiumsdiskussion hat Herr Brenke kürzlich | |
verkündet, bei Bewerbungen zu Olympischen Spielen finde sich immer | |
irgendeine Bank, die ein Pro-Olympia-Gutachten schreibt. In Hamburg | |
offensichtlich die Privatbank Berenberg. Was hat denn Ihre Bank von | |
Olympischen Spielen in Hamburg? | |
Jörn Quitzau: Erst mal gar nichts. Ich bin in erster Linie Volkswirt, | |
untersuche volkswirtschaftliche Trends und bin glücklicherweise relativ | |
frei in der Entscheidung, über was ich schreiben darf. Wenn man das Papier | |
von meinem Co-Autor Henning Vöpel vom Hamburger Weltwirtschaftsinstitut | |
(HWWI) und mir liest, wird man feststellen, dass wir beide der Auffassung | |
sind, dass Olympische Spiele volkswirtschaftlich betrachtet nicht allzu | |
viel bringen. | |
Aber für Hamburg unter Umständen schon, sagen Sie, zum Beispiel im | |
Wettkampf um international begehrte Fachkräfte. | |
Quitzau: Ja, das ist ein Nebeneffekt. Ich würde aber jeden einzelnen | |
positiven Effekt nicht so wichtig nehmen, dass ich sage, Hamburg oder | |
Berlin würden wirtschaftlich boomen bzw. gesunden, wenn sie die Spiele | |
bekämen. Unter der Voraussetzung, dass alles gut läuft, sind solche Spiele | |
natürlich für eine Stadt interessant. Barcelona 1992 ist ein positives | |
Beispiel. Das ist inzwischen eine internationale Metropole, die jeder gern | |
besucht und in der viele sogar gerne leben möchten. | |
Sie argumentieren, Hamburg stünde in der zweiten Reihe der internationalen | |
Städte – ebenso wie etwa Amsterdam und Kopenhagen – und bräuchte einen | |
Werbeeffekt, um die Fachkräfte anzulocken. | |
Quitzau: Ja. Hamburg hat international nicht die Prominenz wie Berlin. | |
Berlin braucht diesen Werbeeffekt nicht, genauso wie London 2012 keinen | |
Werbeeffekt mehr brauchte. Aber auch wenn ich als Hamburger meine, dass | |
Hamburg eine der schönsten Städte der Welt ist, wissen das eben nicht alle | |
auf der Welt. | |
Karl Brenke: Berlin hat die Spiele ohnehin nicht nötig – und Hamburg ist | |
auch nicht gerade Winsen an der Luhe und der Welt bekannt. | |
Wir haben hier doch eine paradoxe Situation. Herr Quitzau, Ihre Bank und | |
auch das HWWI sind üblicherweise skeptisch gegenüber Staatsinterventionen | |
in den Markt, treten jetzt aber für staatliche Subventionen der Spiele ein. | |
Und das DIW, das eine keynesianische Tradition hatte, sagt jetzt: Um Gottes | |
willen, keine Staatsgelder für Olympia. Warum? | |
Brenke: Das DIW war schon immer kritisch, was die ökonomischen Effekte von | |
sportlichen Großevents betrifft. Von der Politik werden meist große | |
Erwartungen geweckt, davon bleibt hinterher wenig übrig. Zudem glauben wir, | |
dass man die staatlichen Mittel an anderer Stelle besser verwenden könnte. | |
Gerade in Regionen wie Berlin, das hoch verschuldet ist und bei der | |
Infrastruktur schon jetzt von der Substanz lebt. Kommt Olympia dazu, wird | |
es noch schwieriger. | |
Sie wären aber nicht dagegen, wenn das IOC seine Spiele selbst finanzieren | |
würde? | |
Brenke: Bisher ist es so, dass das IOC die Gewinne einsackt und der | |
Ausrichter das Risiko trägt. Die Erträge werden asymmetrisch aufgeteilt. | |
Das IOC behält beim größten Einnahmeposten, den TV-Geldern, den Löwenanteil | |
für sich, die Städte müssen neue Stadien und die Sicherheit aus eigener | |
Tasche bezahlen. Aber wenn das IOC ein Geschäft machen will, soll es bitte | |
schön auch das Risiko und die Kosten tragen. Im Grunde braucht keine Stadt | |
Olympische Spiele – aber das IOC braucht irgendeinen Austragungsort. Und | |
dann kann es doch gerne die Sportanlagen und Infrastruktur selbst | |
errichten. Die Stadt kann sich daran beteiligen, wenn sie davon hinterher | |
auch einen Nutzen hat. Sie kann auch Grundstücke zu marktgerechten Preisen | |
zur Verfügung stellen. Aber das sollte es gewesen sein. | |
Herr Quitzau, Sie sind aber nicht grundsätzlich gegen eine | |
Staatsfinanzierung? | |
Quitzau: Am Ende wird immer ein bisschen von der öffentlichen Hand kommen | |
müssen. Das kann man in engen Grenzen auch rechtfertigen. Eine Stadt | |
bekommt durch die Ausrichtung Olympischer Spiele für einige Wochen | |
kostenlose Werbung. Die Berichterstattung über die Stadt während der Spiele | |
ist im Grunde Werbezeit, die nicht bezahlt werden muss. Dafür Steuergelder | |
auszugeben ist nicht falsch. | |
Wie sieht denn Ihre Bilanz früherer Spiele aus? Für London 2012 übernehmen | |
Sie in Ihrem Papier die offiziellen Zahlen, wonach Großbritannien dafür | |
8,77 Milliarden Pfund ausgegeben und 9,9 Milliarden Pfund eingenommen | |
hätte. Kritiker wie Stephanie Flanders (BBC) sagen, bei den Einnahmen wären | |
großzügig alle Investments in der Zeit rund um die Spiele eingerechnet | |
worden, ohne zu berücksichtigen, ob diese sowieso erfolgt wären. | |
Quitzau: Bei der Berechnung solcher Sportveranstaltungen kann man im | |
Prinzip herausbekommen, was man herausbekommen möchte. Einfach dadurch, | |
dass es zahlreiche Kosten-und Nutzen-Kategorien gibt, die man entweder | |
hereinrechnen oder eben herauslassen kann. Wenn wir von Nutzen sprechen, | |
dann betrifft das natürlich nicht unbedingt nur monetäre Erträge, sondern | |
auch Imageeffekte oder den Wohlfühleffekt der Bevölkerung, die vier Wochen | |
lang eine Party feiern kann. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass | |
tendenziell die Vorteile im Vorhinein zu positiv dargestellt werden und im | |
Nachhinein die Kosten höher anfallen als ursprünglich veranschlagt. | |
Hamburg und Berlin haben ja immer noch keine konkreten Kostenpläne | |
vorgelegt. | |
Brenke: Der Berliner Senat hat spät angefangen, dieses Thema vorne auf die | |
Agenda zu schieben. Und für Hamburg werden zwar fünf Milliarden Euro | |
gehandelt, aber es dürften eher mehr sein. Hamburg muss ja, was den | |
Sportstättenbau anbelangt, sehr viel mehr tun als Berlin. | |
Kann man dem IOC ernsthaft das Berliner Olympiastadion von 1936 wieder für | |
2024 verkaufen? | |
Brenke: Das bleibt abzuwarten. Aber selbst wenn das kein Problem ist: Die | |
Berliner Vorstellung relativ billiger dezentraler Spiele – also: wir haben | |
die Sportstätten schon, aber die sind in der Stadt verteilt – wirft | |
erheblich höhere Kosten auf, was Transport und Sicherheit belangt. Dazu | |
kommt: Berlin und Hamburg haben bezüglich Großprojekten zuletzt ja ihre | |
Probleme gehabt. Hamburg mit der Elbphilharmonie, Berlin mit dem Flughafen. | |
Ab 2020 gilt die Schuldenbremse des Grundgesetzes. Was machen wir, wenn in | |
der Bauphase die Kosten steigen, wie es bei solchen Projekten üblich ist? | |
Den Bau für Olympia einstellen, mit der Konsequenz, dass die Spiele nicht | |
stattfinden? Weiterbauen und sich nicht an die Gesetze halten? Oder | |
weiterbauen und massiv in anderen Bereichen kürzen? | |
Die Argumentation der Befürworter ist: Wir bekommen für Olympia Zuschüsse | |
vom Bund, damit können wir Projekte realisieren, die sich die Stadt sonst | |
nicht leisten kann. | |
Brenke: Ich würde es umgekehrt sehen: Mit dem Auslaufen des Solidarpaktes | |
II steht die Neuregelung des Länderfinanzausgleichs an. Ich bezweifele, | |
dass sich Berlin eine gute Verhandlungsposition schafft, wenn es sich | |
Luxusprojekte wie Olympia leistet. | |
Jetzt hätte ich gerne zum Schluss von Ihnen noch eine Prognose: Wer gewinnt | |
denn den nationalen Vorentscheid? | |
Brenke: Berlin wird es nicht sein. | |
Quitzau: Ich schließe mich dem an. | |
Wenn Sie sich da beide einig sind: Hat Hamburg Chancen, beim IOC | |
durchzukommen? | |
Brenke: Nö. | |
Quitzau: Da möchte ich widersprechen. Es gibt es ja die These: Beim ersten | |
Mal vielleicht nicht, aber beim zweiten Mal. 2024 und 2028 zusammengenommen | |
ist ein schwieriges Rennen, das Hamburg aber durchaus gewinnen kann. | |
Hat der DOSB nicht das Problem, zwischen zwei Städten wählen zu müssen, von | |
denen die eine – Berlin – international präsentabel wäre, er aber keine | |
Mehrheit in einer Volksabstimmung bekommen wird, und in der anderen – | |
Hamburg – eine Volksabstimmung bestehen könnte, aber beim IOC keinen | |
Blumentopf gewinnen wird, weil die Stadt einfach zu klein ist? | |
Quitzau: Herr Brenke hat ja gesagt, wir sind gar nicht so klein. | |
Brenke: Hamburg macht sich gerne klein, das ist das Problem der Hamburger. | |
9 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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