# taz.de -- Kritik an Olympia: Die Macht der Neinsager | |
> Die Gegner der Spiele agieren in Hamburg und Berlin auf höchst | |
> unterschiedliche Weise. Erstere wollen mit allen reden, letztere auch mal | |
> stören. | |
Bild: Mit Pfannkuchen und Aufklebern: Olympiawerbung- und kritik | |
Ein Büro? „Gibt es nicht“, sagt Dirk Seifert am Telefon. Ein | |
Versammlungsort? „Auch nicht.“ Lediglich im Internet haben die Hamburger | |
Nolympioniken eine feste Adresse. Seit April vergangenen Jahres kann das | |
Portal „(N)olympia Hamburg“ besucht werden. Täglich werden neue Beiträge | |
präsentiert. Jede kleine Meldung, die mit der Hamburger Olympiabewerbung zu | |
tun hat, wird hier archiviert. Mit der Zeit ist daraus eine stattliche | |
Informationsbibliothek entstanden – aber eben an einem digitalen Ort. | |
Seifert schlägt vor, an den Landungsbrücken eines der Schiffe vom Hamburger | |
Verkehrsverbund zu nehmen. Eine Fahrt in dem Gewässer also, wo in ferner | |
Zukunft auf der nahe gelegenen Elbinsel Kleiner Grasbrook das olympische | |
Zentrum erwachsen soll. „Der Senat“, erinnert sich Seifert im Bootsinneren, | |
„war damals bei unserer Bloggründung heilfroh, weil sie endlich einen | |
Ansprechpartner hatten, mit dem sie reden konnten.“ Spätestens seitdem die | |
Münchner Bewerbung für die Winterspiele 2022 am Bürgervotum scheiterte, | |
wissen die Olympiafreunde um die Macht der Neinsager. | |
Auch in Hamburg sorgt man sich aufgrund der Erfahrungen mit den bisherigen | |
Spielen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) um die Kosten für | |
Bürger und Umwelt, um Mietsteigerungen und Gentrifizierungseffekte in der | |
Stadt. Bei der letzten Forsa-Umfrage im September sprachen sich 44 Prozent | |
der Hamburger gegen Olympische Spiele in der Stadt aus. (N)olympia Hamburg | |
ist dennoch das derzeit wohl kleinste politische Aktivistenbündnis | |
Deutschlands. Man ist zu zweit. Wenn der 54-Jährige von „uns“ spricht, | |
meint er sich und seine Mitstreiterin Nicole Vrenegor. „Es ist uns nicht | |
gelungen, zu vermitteln, wie wichtig der Protest ist“, sagt er. | |
Von den Hamburger Politikern aber, die versuchten, die amorphe Gegnerschaft | |
zu begreifen, sind die beiden geradezu hofiert und überallhin eingeladen | |
worden. „Das ist eine Groteske“, sagt Seifert, der hauptberuflich als | |
wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Hubertus Zdebel | |
(Linke) tätig ist. Als er auf einem Senatstreffen einmal erklärt habe, dass | |
er sich nur als Privatperson äußern könne und keine große kritische Masse | |
hinter ihm stünde, seien seinen Gesprächspartnern „die Gesichtszüge | |
entglitten“. Da es an Alternativen mangelt, sind die beiden Nolympioniken | |
jedoch weiter gefragt. | |
Vermutlich erhält das Gespann bald beträchtlichen Zuwachs. In den letzten | |
Tagen würden immer mehr Olympiaskeptiker aufwachen, stellt Seifert fest: | |
„Die realisieren erst jetzt, dass die Stimmung in Berlin ja so scheiße ist, | |
dass wir doch den Zuschlag für die Olympischen Spiele bekommen können.“ Am | |
16. März wird das Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) | |
eine Empfehlung aussprechen, ob sich Hamburg oder die Hauptstadt für die | |
Sommerspiele 2024 und gegebenenfalls 2028 bewerben soll. Der Gradmesser der | |
Entscheidung wird eine Forsa-Umfrage sein, die gerade in beiden Städten mit | |
noch unbekanntem Ergebnis durchgeführt wurde. | |
## Mit allen diskutieren | |
Prognostiziert wird momentan ein Hamburger Vorsprung. Lediglich im | |
Spätsommer, erzählt Seifert, habe es ein einmaliges (N)olympia-Treffen von | |
20 Aktivisten gegeben. Doch die engagierten Leute, erklärt er, hätten in | |
ihren Stadtteilen eben unmittelbarere Probleme zu bewältigen als Olympia. | |
Ortswechsel, Berlin-Wilmersdorf. Judith Demba hat in den Besprechungsraum | |
des Landesverbands der Natur-Freunde Deutschlands e. V. eingeladen. Ein | |
geräumiges, sehr helles Zimmer mit hellen Möbeln. Bioschokolade und Honig | |
liegen aus. Im Wechsel mit einem Standort in Prenzlauer Berg beraten sich | |
hier regelmäßig etwa 15 Nolympioniken. | |
Zum Gespräch hat Demba noch Heiko Benner und Sigrun Franzen gebeten. | |
„Nolympia Berlin“ ist ein Bündnis, zu dem sich 18 Organisationen | |
zusammengeschlossen haben. Den Gründungstag kann Demba genau benennen: 14. | |
Juli 2014. Sie ist mit 57 Jahren die Jüngste in der Runde. Neben „Nolympia | |
Berlin“ kämpfe noch die etwas jünger zusammengesetzte Vereinigung „Olympia | |
verhindern“ gegen die Spiele. | |
Den vergleichsweise hohen Organisationsgrad der Nolympioniken in Berlin | |
erklärt Demba mit der Geschichte. Sie selbst war ebenso wie Benner bereits | |
bei den Protesten gegen Berlins Bewerbung für die Sommerspiele im Jahre | |
2000 dabei, als die Hauptstadt gegen die internationale Konkurrenz mit nur | |
neun Stimmen in der Vorrunde ziemlich kläglich ausschied. Viele | |
Diskussionen wurden in der Stadt bereits geführt, was möglicherweise zu | |
härteren Fronten als in Hamburg geführt hat. | |
Als Berlins Regierender Bürgermeister, Michael Müller, Mitte Februar zum | |
Bürgerforum einlud, um über die Senatspläne zu informieren, versuchten | |
drinnen die Aktivisten von „Olympia verhindern“ die Veranstaltung zu | |
stören. Mit Gebrüll und einer Stinkbombe. Draußen demonstrierten die | |
Nolympia-Berlin-Mitstreiter vor der Tür. „Wir stehen keinen partizipativen | |
Prozessen zur Verfügung, bei denen das Endergebnis sowieso schon klar ist.“ | |
So erklärt Demba die fundamentaloppositionelle Haltung ihres Bündnisses. | |
Einst saß sie für die Grünen im Abgeordnetenhaus, bevor sie dann in die | |
Partei Die Linke wechselte. | |
## Raus aus der Ecke | |
Kritik an den Störaktionen ficht sie nicht an. Man müsse auch mal | |
provokativ sein, wenn man ansonsten nicht in die Öffentlichkeit vordringen | |
könne. Hauke Benner ergänzt: „Wenn politische Willensbildung vom Senat | |
nicht gewollt ist, brülle ich ihn auch nieder.“ | |
Der Hamburger Dirk Seifert verfolgt eine etwas konsensorientiertere | |
Strategie. Bildsprachlich stehen dafür die Klammern bei seinem | |
(N)olympia-Blog. „Ich möchte mit allen diskutieren, die Zweifel haben“, | |
sagt er. „Das kann ich besser, wenn ich mich nicht in eine Ecke stelle.“ | |
Eine solche einseitige Positionierung wirft er aber dem Senat vor, der sich | |
von der Handelskammer ins Olympia-Abenteuer habe treiben lassen. Seifert | |
warnt vor der Gefahr, dass die Stadt so gespalten werde. Nur mit einer | |
offenen Abwägung, was für und gegen die Spiele spricht, könne der Senat | |
glaubwürdig agieren. | |
„Wie sollen sich die Bürger eine Meinung zu Olympia bilden, wenn sie nicht | |
wissen, was die Spiele kosten werden“, fragt Seifert. Als Gunther Bonz, der | |
Chef des Hamburger Hafenunternehmens-Verbands, im September bestätigte, | |
dass der Umzug der Hafenfirmen weg von der vorgesehenen Olympia-Elbinsel | |
Kleiner Grasbrook etwa 5 bis 7 Milliarden Euro kosten könnte, blieb der | |
Senat, der die Übernahme der Umzugskosten bereits versprochen hatte, stumm. | |
Bislang ist nur bekannt, dass insgesamt mit operativen Kosten von 6,5 | |
Milliarden Euro für die Spiele gerechnet wird. | |
Berlins Sportsenator Frank Henkel hat gerade eingeräumt, man könne für den | |
Fall, dass die Hauptstadt den Vorzug erhalte, bis zur dann vorgesehenen | |
Volksbefragung im September keine seriösen Zahlen vorlegen. Demba | |
bezeichnet eine Abstimmung auf dieser Grundlage als „gespielte Demokratie“. | |
Die Kräfteverhältnisse im Kampf der Argumente sind sowieso ungleich | |
verteilt. Während der Berliner Senat für seine Kampagne bereits eine | |
sechsstellige Summe ausgegeben hat, berichtet Judith Demba stolz von zwei | |
größeren Plakaten, die man bald in der Stadt aufstellen werde. | |
Das Hamburger Mini-Bündnis hat es da noch schwerer. Aber Seifert kündigt | |
eine andere Gangart an, falls die Hansestadt den Zuschlag vom DOSB bekommt. | |
Die Klammern des (N)olympia würden fallen. „Und das IOC“, sagt er, „biet… | |
für jeden einen hochgradigen emotionalen Faktor, den man leicht aufladen | |
kann.“ Seifert verweist lächelnd auf seine Kampagnenerfahrung. Als im Jahre | |
2010 etwa 120.000 Menschen eine Kette zwischen den Atommeilern Brunsbüttel | |
und Krümmel bildeten, war er im Organisationsteam. Und die kampfeslustige | |
Berliner Nolympionikin Judith Demba erklärt schon einmal vorab: „Wenn der | |
Kelch an uns vorübergeht, unterstützen wir die Hamburger.“ | |
7 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Hamburg | |
Berlin | |
Nolympia | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Protest | |
Parteitag | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
Schwerpunkt Olympische Spiele 2024 | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Olympische Demokratie: Volksentscheid von oben | |
Wegen der Olympia-Bewerbung wollen SPD, Grüne und CDU in Hamburg | |
Volksbefragungen einführen. Der Verein „Mehr Demokratie“ sieht darin eher | |
eine Gefahr. | |
Protest gegen Spiele in Hamburg: Initiative warnt vor Olympia | |
Die Aktivisten von Nolympia intensivieren ihre Kampagne gegen eine | |
Bewerbung für das Großereignis und das geplante Referendum. | |
Parteitag der CDU: Wahlkampf macht Schule | |
Die CDU sperrt sich gegen die Bildungspolitik ihres Koalitionspartners SPD | |
und ruft ganz nebenbei Parteichef Frank Henkel zum Spitzenkandidaten für | |
2016 aus. | |
Forsa-Umfrage zu Olympia: Hamburg vor Berlin | |
Die aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts zeigt: Deutlich mehr | |
Hamburger als Berliner begeistern sich für die Ausrichtung der Spiele in | |
ihrer Stadt. | |
Wirtschaftsforscher über Olympia: „Berlin wird nicht gewinnen“ | |
Bewerbung für die Sommerspiele 2024 mit Berlin oder Hamburg? Zwei Ökonomen | |
streiten über den wirtschaftlichen Nutzen des Events. | |
Olympiadebatte, Teil 1: Turnen in schimmeliger Halle | |
Der Breiten- und Schulsport in Deutschland braucht einen Schub. Aber kann | |
Olympia, ein kommerzialisiertes Event, so ein Impulsgeber sein? | |
Kommentar zur Olympia-Bewerbung: Die genialen Dilettanten | |
Der Senat hat die Spiele und vor allem den dafür nötigen Bürgerentscheid im | |
September nie gewollt. Das hat sich in den vergangenen Monaten immer wieder | |
gezeigt. | |
Berlins Olympiabewerbung: Das erste Finale steht an | |
In den nächsten Tagen verkündet der Deutsche Olympische Sportbund die | |
Ergebnisse seiner Olympia-Umfrage. Mal sehen, wie schlecht Berlin | |
abschneidet. | |
Befragung zu Olympia: 100 Gründe für Olympia | |
Was tun, wenn Sie angerufen werden und keine Argumente für Olympia haben? | |
Die taz kann helfen. | |
Olympia und Berlin: Der Bär ist abgehängt | |
Gut möglich, dass Berlins Olympiabewerbung in einer Woche passé ist. So | |
will sich der DOSB bei der Entscheidung von der Bürgermeinung leiten | |
lassen, die per Umfrage ausgelotet wird. | |
Kommentar zum Olympiaforum: Bürgerbeteiligung ist nicht Anarchie | |
Die Störer beim Olympia-Bürgerforum haben die Regeln des Miteinanders | |
ignoriert und damit die Bürgerbeteiligung ad absurdum geführt. |