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# taz.de -- Korruptionsskandal um Ultrarechte: Chiles Justiz räumt auf
> Die Getreuen des Exdiktators Pinochet verwickeln sich in einen Steuer-
> und Korruptionsskandal. Erstaunlich für viele Chilenen: Ihre Justiz
> funktioniert.
Bild: Carlos Delano im Gericht, windiger Geschäftsmann mit guten Verbindungen …
BUENOS AIRES taz | Chiles Bevölkerung ist hin- und hergerissen: Da ist zum
einen ein Skandal, der ein Ausmaß an Korruption und Steuerbetrug offenbart,
das viele in Chile nicht für möglich hielten. Und zum anderen eine Justiz,
die entgegen der allgemeinen Erfahrung tatsächlich damit aufräumen will.
Das Wort „Penta-Gate“ kennt heute in Chile jedes Kind. Im Oktober 2012 war
dem chilenischen Fiskus aufgefallen, dass 122 Steuerpflichtige in den
Jahren 2007 bis 2010 unrechtmäßige Steuerrückzahlungen erhalten hatten. Ein
Jahr später erhob das Finanzamt Anklage gegen die dafür zuständigen und
mittlerweile entlassenen Steuereintreiber. Einer der Angeklagten schrieb
kurz vor seinem Tod dem zuständigen Staatsanwalt, er habe Verbindungen zur
Penta-Gruppe.
Die Penta-Gruppe ist eine der größten chilenischen Finanzholdings, die von
Banken über Immobilienfirmen, Gesundheitseinrichtungen, Versicherungen und
Bildungsträgern so ziemlich alles unter ihrem Schirm hat, was an
Serviceleistungen Rendite verspricht. Ihr Wert wird auf mindesten 20
Milliarden Dollar geschätzt, manche Quellen geben 30 Milliarden Dollar an.
Ihren Aufstieg begann die Gruppe in der Pinochet-Diktatur, als
Rentenversicherungen, Bildungseinrichtungen und Krankenhäuser privatisiert
wurden.
Im Juli 2014 wurde der damalige Geschäftsführer Hugo Bravo entlassen. Ein
Monat später erklärte er den erstaunten Beamten des
Öffentlichkeitsministeriums, dass die Penta-Eigentümer Carlos Alberto
Délano und Carlos Eugenio Lavín ihn gezwungen hätten, gefälschte
Honorarabrechnungen auf die Namen ihrer Ehefrauen und einiger Politiker
auszustellen. Bei der anschließenden Durchsuchung der Büroräume wurden
erste Beweise sichergestellt.
## Angeklagte in U-Haft
Weitere Ermittlungen ergaben jedoch schnell, dass Penta nicht nur
Honorargeschenke zur persönlichen Bereicherung oder für Wahlkampfzwecke
machte, sondern als Gegenleistung Steuerrückzahlungen und Hilfe bei
Steuerhinterziehung in Millionenhöhe erhielt. Die Staatsanwaltschaft kam zu
dem Schluss: „Es wurden Quittungen und Rechnungen für Dienste ausgestellt,
die nicht geleistet wurden, in einigen Fällen waren es Familienangehörige
der Angeklagten, in anderen ihre Sekretäre. Unrechtmäßige Gelder, die in
einigen Fällen für politische Kampagnen um öffentliche Ämter benutzt
wurden.“ Sie erstattete Anzeige gegen zehn leitende Firmenangehörige,
darunter Délano und Lavín.
Am vergangenen Samstag dann entschied Richter Juan Escobar, sechs
Angeklagte vorsorglich in Gewahrsam zu nehmen – Délano und Lavín gar mit
der Begründung, „die Freiheit dieser Angeklagten stellt ein Gefahr für die
Sicherheit der Gesellschaft dar“. In Chile eine juristische Sensation.
Dass Délano und Lavín der Pinochet-treuen Partei UDI (Unión Democrática
Independiente) mehr als nahestehen, ist kein Geheimnis. Die Auswertungen
von E-Mails der beiden führten die Ermittler zu mindestens zehn Empfängern
von dubiosem Parteispenden vor den Kongress- und Präsidentschaftswahlen
2013. Acht davon gehören der UDI an – darunter zwei Senatoren und eine
Abgeordnete. Am Mittwoch trat der UDI-Vorsitzende Ernesto Silva zurück.
Vier Monate hat die Staatsanwaltschaft nun Zeit für weitere Ermittlungen.
Dann wird das Hauptverfahren eröffnet.
13 Mar 2015
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Affäre
Skandal
Augusto Pinochet
Chile
Chile
Folter
Kabinett
Schwerpunkt Korruption
Militärdiktatur
Südamerika
Michelle Bachelet
Chile
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