# taz.de -- Gleichberechtigung am Arbeitsplatz: Traditionelle Ungleichheit | |
> Es gibt viele Begründungen, warum Unternehmen Frauen weniger zahlen als | |
> Männern. Jetzt will die Politik Firmen per Gesetz auf den Zahn fühlen. | |
Bild: Wieviel werden wohl später einmal im Vergleich zu männlichen Kollegen v… | |
BERLIN taz | Über ihren Lohn sollten sie nicht reden, die Angestellten des | |
Logistikunternehmens Süderelbe in Hamburg. Als sie sich endlich doch | |
trauten, stellten sie fest: Die Männer wurden als „gewerbliche | |
Arbeitnehmer“ bezahlt, die Frauen als „kaufmännische Arbeitnehmer“. Der | |
Unterschied betrug bis zu 300 Euro im Monat. Dabei machten sie alle exakt | |
dieselbe Lagerarbeit. Der Betriebsrat klagte. Mit Erfolg. | |
Ungleicher Lohn für gleiche Arbeit – das kommt öfter vor, als man denkt: | |
Wer länger dabei ist, flexibler einsetzbar und eine bessere Ausbildung | |
habe, verdiene auch bessere Zulagen, fand die dänische Firma Danfoss. Alle | |
drei Kriterien können Frauen mit Familienpflichten benachteiligen, sagte | |
dagegen der EuGH: Die Zulagen mussten angeglichen werden. | |
Die Bundesregierung will Firmen nun mithilfe eines Gesetzes für gerechten | |
Lohn, „Transparenzgesetz“ genannt, auf den Zahn fühlen. Sie sollen | |
offenlegen, in welcher Position welche Löhne gezahlt werden. Der Fall | |
Süderelbe wäre dann ebenso schnell offenbar geworden wie der Fall Danfoss. | |
Aber auch bei den frei verhandelten Gehältern, über die besonders | |
hartnäckig geschwiegen wird, gäbe es endlich Durchblick. Das etwa wäre in | |
Zukunft nicht mehr möglich: Zufällig erfuhr die Leiterin eines | |
wissenschaftlichen Instituts, was ihr Vorgänger verdiente. Tja, schlecht | |
verhandelt, feixen dann die Bessergestellten. | |
## Einfallstor Teilzeitarbeit | |
Bisher jedoch machen viele Frauen die Erfahrung, dass ihnen von Anfang an | |
weniger Gehalt angeboten wird. Das heißt, dass Männer nicht etwa ein | |
legendäres Verhandlungsgeschick haben, sondern schlicht fröhlich | |
akzeptieren, dass der Arbeitgeber ihnen eine Schippe mehr anbietet als der | |
Kollegin. | |
Auf ein zweites Problem bei dieser Sichtweise weist die Soziologin Karin | |
Tondorf hin, Expertin für Entgeltgleichheit: „Es ist die Pflicht der | |
Arbeitgeber, nicht zu diskriminieren – und nicht die Pflicht der | |
ArbeitnehmerInnen, ihr Gehalt hochzuschrauben“, meint sie. Die | |
Vertragsfreiheit, mit der dann viele ArbeitgeberInnen argumentierten, sei | |
nicht sakrosankt: „Die Vertragsfreiheit endet am Grundgesetz“, so Tondorf. | |
Ein weiteres typisches Einfallstor für ungleiche Bezahlung ist die | |
Teilzeit. Teilzeitarbeitsplätze werden oft nicht im Tarifvertrag | |
abgebildet. So zahlte eine Reinigungsfirma den TeilzeitlerInnen 700 Euro | |
weniger als den tariflich abgesicherten Vollzeit-ArbeitnehmerInnen. In | |
einer anderen Firma bekamen die VollzeitlerInnen alle zwei Jahre eine | |
Lohnerhöhung, die TeilzeitlerInnen aber nur alle vier Jahre. | |
Das schwierigste Gebiet aber ist die Arbeitsbewertung, nach der die | |
Eingruppierung ins Tarifsystem vorgenommen wird. In den historisch | |
gewachsenen Arbeitsbewertungen wurden psychische Belastungen oder | |
kommunikative Fähigkeiten oft nicht bewertet, weshalb der Forstarbeiter | |
mehr verdient als die Erzieherin. | |
Fahrer, die Schmutzwäsche transportieren, bekommen einen „Ekelzuschlag“, | |
Altenpflegerinnen aber nicht. Ein Bewertungskriterium im TvÖD lautet etwa | |
„Schwierigkeit und Bedeutung“ der Arbeit. Wenn man die Arbeit der Herren | |
der Schöpfung nun aber per se bedeutend findet, die der Frauen aber nicht? | |
## Bericht über Lohnstruktur | |
Expertin Tondorf plädiert dafür, die Tätigkeiten kleinteiliger und genauer | |
zu beschreiben – und einheitliche Kriterien auf alle Arbeitsplätze | |
anzuwenden. ExpertInnen haben schon lange entsprechende Analyseinstrumente | |
zur Verfügung gestellt, so etwa das vom WSI entwickelte „eg-check“, mit dem | |
auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) arbeitet. | |
Das neue Gesetz für gerechten Lohn soll nun allen Unternehmen, die mehr als | |
500 Beschäftigte haben und nach dem Handelsgesetzbuch berichtspflichtig | |
sind, einen Bericht über die Lohnstruktur abverlangen. Die Hoffnung der | |
ExpertInnen ist dabei, dass der von den Firmen vorgelegte Bericht so | |
detailliert ausfällt, dass man ihn per eg-check auf Diskriminierungen | |
untersuchen kann. | |
Die Arbeitgeber sind schon im Vorfeld alarmiert und warnen vor Unfrieden im | |
Betrieb und Bürokratie. Die Gewerkschaften dagegen möchten mehr: „Uns geht | |
das Vorhaben nicht weit genug. Allein das Kriterium, das nur Unternehmen | |
mit mehr als 500 Beschäftigten zum Bericht verpflichtet sind, schließt zwei | |
Drittel aller fest Beschäftigten aus“, sagt Anja Weusthoff, beim DGB für | |
Frauenpolitik zuständig. | |
Zudem würde der DGB gern die Klagemöglichkeiten bei festgestellter | |
Diskriminierung erweitern: „Im Moment können Betriebsräte und | |
Gewerkschaften den Arbeitgeber nur bei ’groben Verstößen‘ gegen das AGG | |
verklagen. Und das gilt nicht für den öffentlichen Dienst, der ist gänzlich | |
ausgespart“, kritisiert Weusthoff. | |
Tondorf würde dagegen gern sehen, dass die Befugnisse der ADS ausgebaut | |
werden. In Schweden kann eine Ombudsstelle Betriebe auf Diskriminierungen | |
untersuchen – und sie zum Nachzahlen von entgangenem Lohn verpflichten. | |
Eine Lösung, die mit dieser Koalition sicher nicht zustande kommt. | |
19 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
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