# taz.de -- Verhafteter Journalist in Syrien: „Das ist echter Terror“ | |
> Am Mittwoch verhandelt ein Gericht in Damaskus das Schicksal von Mazen | |
> Darwish. Ihm droht die Todesstrafe. Seine Frau Yara Bader spricht über | |
> ihren Kampf im Exil. | |
Bild: Seit 2012 sitzt Mazen Darwish in Assads Knästen. Er hatte zuvor auf das … | |
taz: Frau Bader, Reporter ohne Grenzen, der Pen Club, Amnesty | |
International, Salman Rushdie – zahlreiche Prominente fordern seit Langem | |
Freiheit für Ihren Mann. Aber er und seine beiden Kollegen sind noch immer | |
im Gefängnis. Warum ist es für das Regime so wichtig, sie gefangen zu | |
halten? | |
Yara Bader: Sie repräsentieren den Kampf gegen Gewalt und Extremismus, | |
gegen Terrorismus und Tyrannei. Und sie sprechen für die Mehrheit der | |
SyrerInnen, die die Diktatur ablehnen. Deshalb möchte das Regime, das sie | |
vergessen werden – und das, was sie gesagt haben. | |
Was hat Ihr Mann gesagt, was vergessen werden soll? | |
Er ist Journalist und Menschenrechtsverteidiger. Er hat über die | |
Menschenrechtsverletzungen vor und zu Beginn der syrischen Revolution | |
berichtet. In Syrien sind heute fast nur noch bewaffnete Akteure übrig. | |
Friedliche, zivile Stimmen gibt es kaum noch. Aber nur sie können eine | |
Antwort darauf geben, wie es weitergehen kann. Und davor hat das Regime | |
Angst. | |
Er wird seit drei Jahren gefangen gehalten. Wo befindet er sich jetzt? | |
Er wurde im Februar 2012 verhaftet und war dann neun Monate verschwunden. | |
Die UN hat den Fall damals als „staatliches Verschwindenlassen“ eingestuft. | |
Dann erfuhren wir, dass er ins Gefängnis von Adra nahe Damaskus gebracht | |
wurde. 2013 wurde gegen ihn ein Verfahren wegen Terrorismus eröffnet. Am | |
30. Januar 2015 verlegte ihn das Regime in das Gefängnis von Hama nahe | |
Homs. | |
Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen? | |
Kurz vorher. In Adra konnte ich ihn jede Woche besuchen. Im Januar aber | |
musste ich Damaskus verlassen. Es wurde zu gefährlich. Nach Hamar dürfte | |
ich theoretisch fahren, praktisch ist das aber unmöglich: Die Fahrt dauert | |
sieben Stunden und führt durch IS-Gebiet. Wir können telefonieren, | |
allerdings fallen die Leitungen wegen der Kämpfe oft aus. | |
Für Mittwoch ist der erste Prozesstermin angesetzt. Ihr Mann könnte zum | |
Tode verurteilt werden. Was können Sie tun? | |
Sie werden ihn von Hamar nach Damaskus bringen, die Anhörung findet vor | |
einem Sondergericht für Terrorismus statt. Ich kann nicht dorthin kommen, | |
ich bin dort nicht sicher. Wir glauben aber, dass der für heute angesetzte | |
Verhandlungstermin wieder verschoben wird, weil sie nichts gegen ihn | |
vorbringen können. Das ist in den letzten drei Jahren schon viele Male | |
geschehen. Das ist echter Terror. | |
Haben die europäischen Regierungen, Deutschland, Frankreich, | |
Großbritannien, genug für Ihren Mann getan? | |
Wir hatten uns mehr erhofft, vor allem im Vergleich zu der überwältigenden | |
Anteilnahme der deutschen Zivilgesellschaft. Wir hatten Hoffnung in Frau | |
Merkel gesetzt, sich deutlich stärker für Freiheit und Menschenrechte | |
einzusetzen. | |
Was sind die nächsten Schritte für Sie? | |
Ich muss abwarten, was heute passiert, ob der Richter einen neuen | |
Verhandlungstermin ansetzt. Wenn das geschieht, reise ich Ende der Woche | |
nach Rangun. Marzen bekommt dort den World-Press-Freedom-Hero-Preis des | |
International Press Institute. Ich soll ihn stellvertretend entgegennehmen. | |
Wir sind total von der Öffentlichkeit abhängig. Es ist fast die einzige | |
Möglichkeit, die wir noch haben, um Druck zu machen. | |
Sie leiten jetzt die NGO Ihres Mannes, das Syrian Center for Media and | |
Freedom of Expression, im Exil in Beirut. Worin besteht Ihre Arbeit? | |
Das Regime hat unser Büro in Damaskus und alles, was darin war, | |
beschlagnahmt. Wir konnten nichts mitnehmen, die Lage für uns ist deshalb | |
schwierig. Wir arbeiten vor allem mit syrischen Journalisten im Exil, etwa | |
zwanzig, im Libanon, in der Türkei, Kairo. Wir organisieren Fortbildung, | |
Rechtshilfe, Unterstützung. Neben meinem Mann sind zwei Kollegen, der | |
Blogger Hussein Ghrer und der Universitätsprofessor Hani al-Zeytani, in | |
Haft. Wir kämpfen genauso für deren Freilassung. | |
Die Lage für die Syrer im Libanon wird immer prekärer. Wie wirkt sich das | |
auf die Arbeit aus? | |
Ich fühle mich hier sicher. Der Libanon war sehr großzügig, aber das Land | |
ist anfällig. Es gibt große kulturelle Differenzen, die Lage ist seit jeher | |
kompliziert. Nun sind eine Menge Syrer ins Land gekommen, die ihr Haus, | |
ihre Angehörigen verloren haben. Sie sind wütend und verzweifelt. Eine | |
ganze Generation junger Menschen wird vom Krieg gezeichnet bleiben. Das | |
Leben im Libanon mit all diesen Menschen ist sehr schwer. | |
Was ist Ihre Prognose für den Fortgang des Konflikts? | |
Viel hängt von einer Einigung der USA im Atomstreit mit dem Iran ab. Werden | |
sie sich einig, werden alle wieder nur über Kampf gegen den IS, nicht aber | |
gegen das syrische Regime berichten. Wir werden dann die nächsten US-Wahlen | |
abwarten müssen. | |
Ziad Homsi, der syrische Oppositionelle und Regisseur des Films „Our | |
Terrible Country“ sagte der taz in einem Interview: „Einer unserer Fehler | |
war, dass wir zu wenige Fragen gestellt, sondern zu viele Antworten gegeben | |
und deshalb Gewalt mit Gewalt beantwortet“ haben. Hat er recht? | |
Natürlich muss man sagen, welche Art von Demokratie man will und wie es | |
besser gehen soll. Aber wenn das Blut erst einmal in Strömen fließt, dann | |
ist es sehr schwer, diesen Strom wieder zu stoppen. | |
Durch die Arbeit von Menschen wie Ihnen oder der verschleppten syrischen | |
Anwältin Razan Zeitouneh sind die Gräuel in Syrien gut dokumentiert. | |
Trotzdem gibt es nur wenig internationale Solidarität. Warum ist das so? | |
Die Öffentlichkeit erfährt, dass in Syrien viele Menschen sterben. Es tut | |
ihnen leid. Aber die Medien verkaufen das Ganze als einen Kampf | |
sunnitischer Muslime für eine islamische Revolution. Das syrische Regime | |
hat viel dafür getan, dass die Revolution so gesehen wird. Wir leben in | |
einer Zeit der Islamophobie. Das hat den Blick auf Syrien beeinflusst. In | |
den USA wollen die Leute, dass ihre Kinder aus dem Irak, aus Afghanistan | |
zurückkommen, sie wollen nicht noch eine Front. Der historische Zeitpunkt | |
dieses Kriegs war nicht gut für die Syrer. Und jetzt ist alles noch | |
schlimmer. | |
24 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Ines Kappert | |
Christian Jakob | |
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