# taz.de -- taz-Diskussion zu Grünflächen in Berlin: Ganz zart riecht es nach… | |
> Vor 100 Jahren sicherte ein Vertrag den reichen Waldbestand Berlins. Wie | |
> können heute Grünflächen und Freiräume erhalten werden? Eine Debatte im | |
> taz Café. | |
Bild: Ein schönes Fleckchen Berlins, dieser Mauerpark - auch noch, wenn hier W… | |
Irgendwann musste der Satz fallen: „Ich bin kein Politiker“, verteidigte | |
sich Michael Künzel, Referatsleiter in der Senatsverwaltung für | |
Stadtentwicklung, gegen die Anwürfe des Publikums. Eigentlich hätte sein | |
Chef, Andreas Geisel (SPD), am Freitagabend im taz Café sitzen sollen – bei | |
der Veranstaltung der taz.berlin, die fragte: „Beton oder Grün? Braucht | |
Berlin einen neuen Dauerwaldvertrag?“ Aber der Senator kränkelte, und so | |
musste sein Beamter den Kopf für die Berliner Flächenpolitik hinhalten. | |
Eingedroschen wurde auf ihn nicht zu knapp – verbal, versteht sich. Im gut | |
gefüllten Café saßen viele Mitglieder von Bürgerinitiativen – gegen die | |
Bebauung des Mauerparks, des Kreuzberger Dragonerareals oder der | |
Kleingartenkolonie Oeynhausen. Sie alle sind wütend, weil Senat und Staat | |
Grünflächen und Brachen an mehr oder minder solvente Investoren | |
verscherbeln. Und Künzels Einwand, er treffe ja die politischen | |
Entscheidungen nicht, konterte eine Besucherin prompt: „Dann verweigern Sie | |
doch einfach die Arbeit!“ | |
Bevor Moderator Uwe Rada die Runde mit Künzel, mit BUND-Geschäftsführer | |
Tilmann Heuser und der Rektorin der Kunsthochschule Weißensee, Leonie | |
Baumann, eröffnete, gab er etwas Geschichtsnachhilfe – für alle, die den | |
Themenschwerpunkt in der Wochenendausgabe der taz.berlin vor acht Tagen | |
nicht aufmerksam gelesen hatten: Genau 100 Jahre war es am Freitag her, da | |
erwarb der Kommunale Zweckverband Groß-Berlin vom preußischen Staat die | |
großen Forsten an seinen Rändern, den Grunewald, den Tegeler und Köpenicker | |
Forst, und verpflichtete sich, sie zu erhalten. Dieser Dauerwaldvertrag | |
entzog die Flächen der Bodenspekulation. Bis heute ist Berlin die | |
waldreichste Stadt Europas. | |
Alle Diskutanten waren voll des Lobs für diese historische Tat: Von einem | |
„Meilenstein der deutschen Naturschutzbewegung“ sprach Tilmann Heuser. | |
Leonie Baumann skizzierte das damalige Berlin als „extrem belastetes | |
Areal“. Man habe erkannt, wie wichtig Grünflächen seien, um die physische | |
und psychische Gesundheit der Menschen in einer hochindustrialisierten | |
Stadt zu gewährleisten. | |
Und heute? Für BUND-Mann Heuser keine Frage: Inzwischen spielten | |
Flächeneigentümer wie die bundeseigene Bima, aber auch die Post und die | |
Nachfolgegesellschaften der Bahn dieselbe Rolle wie einst der preußische | |
Staat. Referatsleiter Künzel bestritt die Parallele: „Ein Pendant von so | |
großen Flächen in der Hand eines Eigentümers gibt es nicht mehr“, | |
stattdessen mit dem „städtebaulichen Vertrag“ ein Politikinstrument, das | |
für Ausgleich bei großen Bauvorhaben sorge. Höhnisches Gelächter: Das | |
Publikum war nicht überzeugt. Aber es müsse ja gebaut werden, so Künzel, | |
Wohnungen für eine wachsende Stadt. | |
Heusers Vorschlag, statt ständigem Neubau über die Verkleinerung der | |
Wohnfläche pro Kopf nachzudenken („Alte Menschen bleiben in ihren zu großen | |
Wohnungen, weil sie sich eine kleinere nicht leisten könnten“), kam | |
allerdings weniger gut an, auch nicht bei Leonie Baumann, die sich am | |
klarsten an der Seite der wütenden Bürger verortete. Mit Boden dürfe man | |
nicht spekulieren, forderte sie, aber das Land ebne „dämlichen Projekten“ | |
wie der Mediaspree den Weg. | |
Die Frage, ob Berlin eine Neuauflage des Dauerwaldvertrags bräuchte, wurde | |
an diesem Abend nicht abschließend beantwortet. Vielleicht stehen die | |
Zeichen ja auch gar nicht auf Verhandlung. Leonie Baumann warf die Idee in | |
die Runde, man könne sich umstrittene Flächen doch auch, nun ja, nehmen. | |
„Kreuzberg ist heute nur so attraktiv, weil damals Häuser besetzt wurden!“ | |
Als vor dem taz Café dann auch noch Hunderte Radfahrer der „Critical Mass“ | |
mit lautem Geklingel vorbeirollten, roch es für ein paar Sekunden ganz zart | |
nach Rebellion. | |
29 Mar 2015 | |
## AUTOREN | |
Claudius Prößer | |
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