# taz.de -- Finale von „Mad Men“: Tschüss, Boys! | |
> Das Ende der Antihelden: Ab dem 5. April laufen in den USA die letzten | |
> sieben Folgen einer der stilprägendsten TV-Serien der vergangenen Dekade. | |
Bild: Der Anti-Held bei seiner Lieblingsbeschäftigung: depressives Rauchen. | |
Als „Mad Men“ am 19. Juli 2007 auf dem vor sich hin dümpelnden Kabelsender | |
AMC anlief, hätten es wohl selbst die Verantwortlichen kaum zu träumen | |
gewagt, dass ausgerechnet diese Dramaserie, angesiedelt in der Werbewelt | |
Manhattans der 1960er Jahre, für den zweiten großen Boom der | |
US-amerikanischen Qualitätsserien sorgen würde. Bis dahin schien nämlich | |
der Pay-TV-Primus HBO das Monopol auf tiefgründige, hochwertige und | |
zeitgeschichtliche Serienthemen zu haben. | |
Mit Produktionen wie „Deadwood“, „Rome“ und natürlich „Die Sopranos�… | |
man dort für eine Revolution auf dem Feld der folgenübergreifenden | |
Fernseherzählung gesorgt. Vor allem die Geschichte des zweifachen | |
Familienvaters Tony Soprano – Oberhaupt der eigenen Kleinfamilie und einer | |
italienischstämmigen Mafiagang in New Jersey – hatte acht Jahre zuvor den | |
ersten neuen Serienhype ausgelöst – und führt bis heute den Kanon der neuen | |
US-Qualitätsserien an. | |
„Mad Men“-Erfinder Matthew Weiner war ebenfalls Teil des Autorenteams der | |
„Sopranos“. Sein eigenes Serienkonzept hatte HBO allerdings abgelehnt, | |
obwohl der Sender händeringend nach einer erfolgversprechenden | |
Nachfolgeserie suchte. Dass er schließlich bei einem unbedeutenden | |
Abspielsender für alte Filmschinken landete – das Senderkürzel steht für | |
„American Movie Classics“ – ist bezeichnend für diese zweite Ära, in der | |
sich das Rezept für außergewöhnliche und umjubelte Pay-Serienproduktionen | |
herumgesprochen hatte und nun adaptiert wurde: Mit „Mad Men“, und kurze | |
Zeit später auch „Breaking Bad“ hatte plötzlich ein anderer Anbieter zwei | |
der spannendsten neuen Serien im Programm, die man einfach sehen musste. | |
Alle drei Geschichten, die von „Mad Men“, „Breaking Bad“ und „Die | |
Sopranos“, teilen in ihrer Grundprämisse die Merkmale ihrer Hauptfiguren: | |
Sie sind männlich und weiß, tendenziell unsympathische mittelalte | |
Familienväter aus der US-amerikanischen Mittelschicht, die in einer | |
existenziellen Lebenskrise stecken. | |
## Exzessives Rauchen und Trinken | |
Don Draper, der Protagonist von „Mad Men“, sieht aus wie ein klassischer | |
Hollywood-Star seiner Zeit. Der Frauenheld ist smart, cool und dazu | |
ziemlich überzeugend. Er schafft es, den Menschen die unsinnigsten Ideen zu | |
verkaufen. Für den Zigarettenhersteller Lucky Strike erfindet er | |
beispielsweise den bekannten Gaga-Slogan „It’s toasted“, als die | |
Tabakindustrie auf ihre erste große Krise zusteuert, weil sie nicht mehr | |
behaupten darf, ihre Produkte seien gesundheitsfördernd. Unabhängig davon | |
rauchen sämtliche Figuren in „Mad Men“ wie die Schlote. Und sie trinken | |
Hochprozentiges. Von morgens bis abends. Das hatte man in dieser | |
Exzessivität schon Jahrzehnte nicht mehr im Fernsehen gesehen. Weil sie das | |
aber alles mit Stil taten, sorgten ihre Maßlosigkeiten bei den Zuschauern | |
für Begeisterungsstürme. | |
Überhaupt, der Stil. „Mad Men“ gilt als der Inbegriff von Stil, sorgte in | |
seiner detailversessenen Ausstattung und Modeauswahl für eine Retro- und | |
Vintage-Konjunktur. | |
Doch die Faszination von „Mad Men“ geht über Stilfragen hinaus. Wie in kaum | |
einer anderen Serie werden Geschlechterrollen und der Kampf um | |
Gleichberechtigung scheinbar so beiläufig und dennoch eindeutig | |
veranschaulicht wie hier. Dazu kommt ihre Einbettung in den | |
zeithistorischen und popkulturellen Kontext – von der Kubakrise über den | |
Mord an John F. Kennedy bis zum Attentat auf Martin Luther King werden die | |
gesellschaftlichen Umwälzungen in der westlichen Welt im Leben der | |
Serienfiguren thematisiert. | |
In den letzten Jahren schien das Interesse an „Mad Men“ zu sinken. Lag die | |
Serie lange Zeit an erster Stelle des unverzichtbaren Pflichtprogramms für | |
Serienfans, wurde ihre Popularität irgendwann von der hausinternen | |
Konkurrenz „Breaking Bad“ überholt. Die rasante Geschichte um den | |
lungenkrebskranken Chemielehrer Walter White, der zur finanziellen | |
Absicherung seiner Familie Crystal Meth herzustellen beginnt und zum | |
unbarmherzigen Schurken mutierte, raste auf ihr angekündigtes Ende zu – und | |
die ganze Serienwelt fragte sich plötzlich nur noch, wo und wie die Odyssee | |
dieses Typen enden noch soll. | |
## Keine männlichen Anti-Helden mehr | |
Auch bei der Verleihung des bedeutendsten US-Fernsehpreises Emmy hatte der | |
einstige Academy-Liebling immer häufiger das Nachsehen und wurde zuletzt | |
vollständig übergangen. Draper-Darsteller Jon Hamm, der sich vor Kurzem zum | |
Alkoholismus bekannte, gilt zudem als ewiger tragischer Verlierer in der | |
Kategorie „Bester Hauptdarsteller“. | |
Am Sonntagabend startet in den USA nun der zweite Teil der letzten Staffel | |
von Matt Weiners Serien-Meilenstein. Noch sieben Folgen, dann ist es | |
vorbei. Damit endet auch diese zweite Ära des neuen Serienfernsehens, denn | |
wenn sich Don Draper, nach Tony Soprano und Walter White, vom Bildschirm | |
verabschiedet hat, ist dies das Ende der Dominanz der männlichen | |
Antihelden, die über eine Dekade hinweg die Serienwelt prägten. | |
Denn auch hier haben sich die Frauen emanzipiert, wie Carrie Mathison in | |
„Homeland“ beweist oder Hannah Horvath in „Girls“. Noch stärker zeigen… | |
Ensembleserien wie „Orange Is The New Black“, oder Anthologie-Serien wie | |
„American Horror Story“. Überhaupt ist der Markt an hochwertigen | |
internationalen Serien mittlerweile so unübersichtlich und kurzlebig | |
geworden, dass „Mad Men“ vielleicht auch diejenige Produktion ist, die den | |
verbindlichen klassischen Serienkanon abschließt. | |
## Gnadenlos geköpft | |
Wer nach einem Bild sucht, das den Paradigmenwechsel veranschaulicht, wird | |
bei der derzeit erfolgreichsten HBO-Serie „Game Of Thrones“ fündig, die der | |
Sender seit 2011 nach den Fantasy-Romanen von George R. R. Martin | |
produziert. Dort wird der vermeintliche Hauptcharakter Eddard Stark, auch | |
ein weißer, mittelalter, moralisch ambivalenter Familienvater in einer | |
existenziellen Krise, noch vor dem Ende der ersten Staffel gnadenlos | |
geköpft. Zurück bleibt eine unübersichtliche Anzahl Charaktere, von denen | |
die Erzählung fortgeführt wird, darunter Kinder, Frauen und sogar Zwerge. | |
Die satirische Polit-Serie „House Of Cards“ dagegen hat ihren Antihelden | |
Frank Underwood dermaßen zynisch überzeichnet, dass der Figur jegliche | |
Ambivalenz abgeht. | |
Matthew Weiners „Mad Men“-Serie stand per se schon immer auch für Nostalgie | |
und die Suche nach einer verlorenen Zeit. Jetzt, wo hier der Einbruch der | |
1970er Jahre kurz bevorsteht und uns bewusst wird, dass wir Don Draper wohl | |
nie mehr wiedersehen werden, wird deutlich, dass damit auch eine Ära des | |
Serienfernsehens zu Ende geht, in der alles noch ein bisschen einfacher und | |
übersichtlicher schien. Damit weicht „Mad Men“ letztendlich auch der durch | |
die Serie selbst hervorgebrachten und geförderten Emanzipation. | |
4 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Jens Mayer | |
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