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# taz.de -- Unterbringung von Flüchtlingen: Zwischenlösungen dauern länger
> Turnhallen als temporäre Unterkünfte für Asylbewerber bleiben vorerst
> bestehen. Auch die kirchliche Winterhilfe für Oranienplatz-Flüchtlinge
> wird verlängert.
Bild: Bleibt noch länger offen: FU-Turnhalle in Dahlem.
Eigentlich sollte Ostern Schluss sein. Doch sechs der sieben Turnhallen,
die als Notunterkünfte für Flüchtlinge dienen, bleiben vorerst
zweckentfremdet. Nur die TU-Turnhalle in der Charlottenburger
Waldschulallee wird seit wenigen Tagen wieder als Sportstätte genutzt. Die
anderen würden „in den kommenden Wochen schrittweise aufgegeben“, sagte
eine Sprecherin der Senatssozialverwaltung der taz.
Auch für rund 80 Flüchtlinge vom Oranienplatz, die derzeit von
evangelischen Gemeinden versorgt werden, sollte bis Ostern eine Lösung her.
Man habe diese „Winterhilfe“ aber bis Ende April verlängert, da noch mit
dem Senat verhandelt werde, so eine Kirchen-Sprecherin.
Als das für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständige Landesamt für
Gesundheit und Soziales (Lageso) im Dezember aufgrund der anhaltend hohen
Flüchtlingszahlen die erste Turnhalle als Notunterkunft requirierte, hieß
es, das sei eine Notlösung bis Mitte Februar. Als der Termin näher rückte,
wurde bis Ostern verlängert – und nun noch einmal. Das Gleiche gilt für die
beiden Traglufthallen in Moabit. Nach Informationen des RBB prüft das
Lageso derzeit, ob die Hallen über den April hinaus genutzt werden können.
## Vom Regen in die Traufe
Die Unterbringung in Turnhallen wurde von Opposition und Flüchtlingsrat
wiederholt kritisiert, da sie nicht den gesetzlich vorgeschriebenen
Standards entspricht. Abgesehen von der räumlichen Enge bekommen die
Flüchtlinge dort vieles Notwendige wie Einzelfallhilfe,
Gesundheitsversorgung und Kinderbetreuung nur, wenn sich Ehrenamtliche aus
Nachbarschaftsinitiativen darum kümmern. Zudem leben die Menschen dort oft
viele Wochen, häufig ohne das ihnen zustehende Taschengeld und ohne
Fahrkarten.
Doch die Unterkunft, die eine Turnhalle ersetzt, ist nicht unbedingt
besser, wie das Beispiel Waldschulallee zeigt. Die Flüchtlinge seien von
dem neuen Heim in der Cité Foche in Reinickendorf, in das sie vorigen
Dienstag umziehen mussten, entsetzt gewesen, sagte Amei von Hülsen-Poensgen
von der Nachbarschaftsinitiative „Willkommen im Westend“. In der ehemaligen
Schule, die seit Februar als Notunterkunft dient, würden je 20 Menschen in
Klassenzimmern untergebracht. Es gebe außer Betten keine Möbel, keine
Aufenthalts-, Koch- und Spielmöglichkeit, die Heizungen funktionierten nur
teilweise, Sanitäranlagen gebe es nicht in ausreichender Zahl. Immerhin
habe das Lageso versprochen zu prüfen, was man verbessern kann, so
Hülsen-Poensgen. „Aber viele Flüchtlinge verstehen nicht, warum sie 100
Tage in der Halle leben mussten und jetzt in die nächste Notunterkunft
kommen, während andere nach fünf Tagen in ein gut ausgestattetes Heim
verlegt werden.“
In der Schwebe bleibt auch die Lage der 80 Flüchtlinge vom Oranienplatz.
Nach einem Gespräch mit dem evangelischen Bischof Markus Dröge hatte der
Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) Anfang März erklärt, für sie
werde eine „juristisch akzeptable Lösung“ gesucht. Auf taz-Nachfrage sagte
ein Sprecher der Innenverwaltung, dass die Ausländerbehörde prüfe, ob die
Betreffenden „bereits ein Verfahren hatten“. Wo dies nicht der Fall sei,
„würde dann geprüft werden, ob Berlin zuständig ist“.
Viel herauskommen dürfte dabei nicht, denn die Betroffenen sind schon durch
das Oranienplatz-Verfahren „gefallen“, bei dem sich Berlin nur für 3 von
576 Flüchtlingen als zuständig erklärt hat. Die Kirchensprecherin sagte
dennoch: „Wir hoffen auf eine Lösung.“
6 Apr 2015
## AUTOREN
Susanne Memarnia
## TAGS
Flüchtlinge
Turnhallen
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Protest
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