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# taz.de -- Juristin über rassistische Polizeikontrollen: „Du gehörst nicht…
> Ein Deutscher mit indischen Vorfahren klagt gegen rassistische
> Polizeikontrollen. Juristin Petra Follmar-Otto fordert das Ende des
> „Racial Profiling“.
Bild: Protest gegen „Racial Profiling“ in Berlin, August 2013
taz: Frau Follmar-Otto, der Kläger in München sagt, Kontrollen wegen
Merkmalen wie der Hautfarbe würden gegen das Diskriminierungsverbot
verstoßen. Das Urteil könnte ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Racial
Profiling werden. Warum sind solche Prozesse überhaupt noch nötig?
Petra Follmar-Otto: Der Gesetzgeber sendet widersprüchliche Signale.
Einerseits gibt es im Grundgesetz und in zahlreichen internationalen
Konventionen, die Deutschland unterschrieben hat, ganz klar das Verbot
jeder rassistischen Diskriminierung durch staatliche Behörden. Gleichzeitig
ist aber in unseren Gesetzen auch der Auftrag zu anlasslosen Kontrollen an
die Polizei formuliert, der letztlich genauso eine diskriminierende
Kontrollpraxis befördert. Jenseits der Einzelfall-Überprüfung durch
Gerichte meinen wir, dass die Ermächtigungsgrundlage im Bundespolizeigesetz
gestrichen werden sollte.
Sie sprechen von Paragraf 22, Absatz 1 des Bundespolizeigesetzes.
Genau. Grundsätzlich ist es in Deutschland als Rechtsstaat so, dass
polizeilichen Maßnahmen immer ein Verdacht zugrunde liegen muss. Es gibt
nur wenige Ausnahmetatbestände, bei denen dieses Erfordernis eines
konkreten Verdachts nicht existiert und die Polizei zu sogenannten
anlasslosen Kontrollen ermächtigt ist. Paragraf 22, Absatz 1 des
Bundespolizeigesetzes erlaubt es Polizisten, etwa in Zügen, an Bahnhöfen
oder auf Flughäfen in Zusammenhang mit der Bekämpfung illegaler Migration
ohne konkreten Verdacht zu kontrollieren. Dies führt zu einer
Kontrollpraxis, die an äußeren Merkmalen anknüpft.
Wie sähe eine Alternative zu dieser Praxis beim Thema illegale Einwanderung
aus?
Das ist tatsächlich eine schwierige Frage. Mit der Abschaffung der
Binnengrenzen in der EU – einer großen Errungenschaft für die Freizügigkeit
– sind flächendeckende Grenzkontrollen in der EU europarechtlich verboten.
Damit scheidet die Möglichkeit aus, tatsächlich ohne Diskriminierung jede
Person zu kontrollieren – ganz abgesehen davon, dass dies aufgrund des
Aufwandes wohl auch niemand will.
Es gibt Diskussionen, ob es andere verfassungskonforme Vorgaben für die
Kontrollpraxis geben kann, zum Beispiel jede x-te Person zu überprüfen. Ich
habe aber Zweifel, ob das zu einer Veränderung der diskriminierenden Praxis
führen würde. Interessant ist übrigens auch, dass die bisherige
Kontrollpraxis keinesfalls erfolgreich ist. Die Trefferquote der Kontrollen
liegt gerade einmal bei ein bis zwei Prozent.
Hat die Polizei ein Rassismusproblem?
Die Polizei kann nicht allein zum Schuldigen gemacht werden. Die primäre
Verantwortung sehen wir beim Gesetzgeber. Der Gesetzgeber hat diese
Rechtsgrundlagen geschaffen und ist somit auch politisch verantwortlich.
Wichtig ist aber auch, dass die Sensibilisierung für alle Formen
rassistischer Diskriminierung in der Polizeiaus- und Fortbildung verankert
wird und das Ziel diskriminierungsfreien Handelns in der Polizei als
Führungsaufgabe verstanden wird. In den letzten Jahren ist dazu in den
Polizeien durchaus auch eine Auseinandersetzung in den Gang gekommen, das
ist sehr positiv.
Reicht die Sensibilität für das Thema in Deutschland aus?
Ein ganz wichtiger Aspekt ist tatsächlich, dass vielfach noch die Existenz
des Problems geleugnet wird. In letzter Zeit wurde zwar vermehrt über die
Praxis berichtet. Aber wir stehen noch am Anfang eines Prozesses der
Bewusstwerdung des Problems. Das ist auch darin begründet, dass immer noch
die Realität des Einwanderungslandes Deutschland nicht richtig in allen
Köpfen angekommen ist. Nach wie vor glauben viele, anhand äußerer Merkmale
festlegen zu können, wer zu Deutschland gehört und wer nicht. Das ist es
auch, was diese Art von Kontrollen so verletzend für die Betroffenen macht.
Jede Ausweiskontrolle sendet das Signal: „Du stehst unter Verdacht, du
gehörst nicht dazu.“
12 Apr 2015
## AUTOREN
Imre Balzer
## TAGS
Schwerpunkt Rassismus
Polizei
Racial Profiling
Racial Profiling
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Thomas de Maizière
Bundespolizei
Ferguson
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