| # taz.de -- „Game of Thrones“ vs. „Mad Men“: Kampf um den TV-Thron | |
| > Ob der neuen Staffel der Serie „Game of Thrones“ vergessen alle, „Mad | |
| > Men“ zu schauen. So geht das nicht. Oder doch? Eine Debatte. | |
| Bild: So sehen Siegerinnen aus. | |
| ## Richtig so! | |
| „Game of Thrones“ blickt nach vorne – trotz seiner Mittelalterlichkeit. | |
| „Mad Men“ aber guckt zurück. Einige Staffeln konnte man amüsiert in der | |
| Werbeagentur der New Yorker Madison Avenue zubringen, Hauptsache, man hatte | |
| Tabak im Haus. Bei „Mad Men“ nicht zu rauchen war ein Ding der | |
| Unmöglichkeit. | |
| Viel konnte man dort studieren, was in den 1960er Jahren begann und bis | |
| heute – wenn auch verschämter – tüchtig fortbesteht: vor allem den | |
| Sexismus, der in der Serie so facettenreich zu bestaunen ist, man könnte | |
| nach der Vorlage ein Lexikon desselben verfassen. | |
| Die unendliche Langeweile der engelsgleichen, aber zu nichts nützen | |
| Hauptdarstellergattin Betty Draper, „Birdy“ genannt, die sich zwar | |
| emanzipatorisch scheiden lässt, dies aber hernach bitter bereut. | |
| Peggy Olson, die sich zur Werbetexterin hochkämpft, jedoch dafür ihr | |
| uneheliches Kind weggeben muss. Oder Joan Harris, die vollbusige Büroperle, | |
| die es zwar bis zur Agentur-Partnerin schafft, für diese Unabhängigkeit | |
| aber auf einen Mann verzichtet. | |
| ## Reichlich dröge | |
| All das ist unterhaltsam, so wie das schicke Interieur, aber spätestens ab | |
| der 5. Staffel ist diese wiederkehrende Rückwärtsgewandtheit auch reichlich | |
| dröge. | |
| Das genau passiert bei „Game of Thrones“ nie. Dort gibt es weder Gewiss- | |
| noch Sicherheiten. Hat man einen Charakter lieben gelernt, kommt er auch | |
| schon aufs Grausamste zu Tode. | |
| Wer eben noch großspurig regierte, würgt am nächsten Tag röchelnd im Dreck. | |
| Und ausnahmslos alle – mögen sie noch so schön und mächtig sein – scheit… | |
| früher oder später schmutzverschmiert. | |
| Wenn in dieser Serie überhaupt jemand gewinnt, so sind es die Frauen, die | |
| mal mit dem Schwert oder Pfeil und Bogen, mal mit politischen Allianzen und | |
| taktischer Klugheit siegen – und in allen sieben Königreichen den von Eros | |
| und Ego getriebenen Männern überlegen sind. | |
| Die Königstöchter Arya und Sansa Stark, die sich als Vollwaisen durch die | |
| Welt kämpfen und allen Feinden ihres Hauses widerstehen. Margaery Tyrell, | |
| die in der Hauptstadt Kings Landing ein um den anderen Königssohn ehelicht | |
| und sie alle überlebt. | |
| Und Daenerys Targaryen, die Mother of Dragons, die mit drei Drachen auf der | |
| Schulter durchs Feuer geht und ganze Völker für sich gewinnt. Sie alle sind | |
| Anwärterinnen auf den umkämpften Eisernen Thron. Oder sie werden sterben. | |
| Wer weiß das schon. | |
| Das ist viel spannender. Und gesünder ist es auch. Denn bei Game of Thrones | |
| wird nicht geraucht. Marlene Halser | |
| ## Skandal! | |
| Wer sich bei „Mad Men“ langweilt, langweilt sich in seinem eigenen Leben. | |
| Es hat etwas Eskapistisches, zu denken, dass eine Serie nach vorne weisen | |
| muss, um spannend zu sein. Wo noch Drachen fliegen und Schwertkämpfe, | |
| Thronfolgekriege, Königstochterleben geführt werden, wird das wahre Leben | |
| erzählt. Wirklich? Das Leben, ein permanenter Cliffhanger? | |
| Nein. Das Leben ist so wie Don Draper es beschreibt: ein Karussel. Hin und | |
| wieder fällt da auch mal jemand runter, verletzt sich und stirbt | |
| vielleicht. Das Karussel aber dreht sich weiter. | |
| Der tödliche Abgrund, in den bei „Game of Thrones“ ständig gestürzt wird, | |
| ist kein Abgrund, vor dem wir als Nichtkönigskinder jeden Tag stehen. Der | |
| Abgrund, in den wir täglich gucken, ist der Abgrund, in den Don Draper im | |
| Vorspann der Serie fällt. Es ist kein existentieller, sondern ein | |
| identitärer Abgrund. | |
| Sicher, es ist der identitäre Abgrund der Kreativwirtschaft, also von | |
| Leuten, die sich selbst erfinden müssen, um sich zu verkaufen. Aber wir | |
| leben in einer Zeit, in der es genau darum geht: um das Selbst, das man | |
| erfinden und vermarkten muss – auf Facebook, auf Twitter, in vielen unserer | |
| Jobs. | |
| ## Ständiges Scheitern | |
| Und ständig scheitern wir noch heute so wie Don Draper, Peggy Olson, Joan | |
| Harris oder Betty Francis: an unseren eigenen Ansprüchen. Die Hindernisse, | |
| an denen wir scheitern, sind vielfältiger, als es oberflächlichen „Mad | |
| Men“-Guckern erscheint. Es geht nicht nur um Äußerlichkeiten, in denen die | |
| Frauen schön und zu Hause sind und die Männer Erfolg haben und in fremden | |
| Betten relaxen. | |
| Es geht in „Mad Men“ nicht nur um Kapitalismus, Feminismus und Rassismus. | |
| Es geht um unsere Beziehungen. Es geht um Anerkennung, es geht um | |
| unheilbare Verletzungen, um unstillbare Sehnsüchte, um das, was man | |
| darstellen will, aber nicht sein kann. | |
| Wer meint, nach ein, zwei Jahren schon alles verstanden zu haben, um was es | |
| in „Mad Men“ geht, der hat nichts verstanden. Wir führen doch auch keine | |
| Beziehungen und sagen nach ein, zwei Jahren: Ich hab alles verstanden, ich | |
| mach jetzt nur noch Schwert- und Drachenkampf. | |
| Man kann sich nach ein paar Episoden auseinanderleben und trennen. Die | |
| Mehrheit von uns versucht es trotzdem immer wieder mit einer neuen | |
| Beziehung, einem neuen Job und viel seltener stattdessen mit Drachenkampf. | |
| Und immer wieder stehen wir vor der Frage von Don Draper: Will ich das | |
| wirklich? Ja, ich will. Acht ganze Jahre lang. Doris Akrap | |
| 15 Apr 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Marlene Halser | |
| Doris Akrap | |
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