Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Null-Toleranz-Zone im Görlitzer Park: Kein Recht auf Rausch
> Seit einem knappen Monat ist der Besitz von Cannabis im Berliner
> Görlitzer Park verboten. Selbst Joints werden von Beamten beschlagnahmt.
> Eine Bilanz.
Bild: Nicht nur so ein Walk in the Görlitzer Park.
BERLIN taz | Vögel singen, der Himmel ist blau. Die Bäume im Görlitzer Park
stehen in zartem Frühlingsgrün. Zwischen zwei Stämmen hängt ein großes
weißes Tuch: „Stopp the cops“ steht darauf. Drei Wochen ist es her, dass
die CDU-Senatoren Frank Henkel und Thomas Heilmann die Grünlage in
Kreuzberg zur Null-Toleranz-Zone erklärt haben. Anders als im Rest der
Stadt gilt dort seither: jeder Krümel Haschisch wird bis zum Kadi verfolgt.
Nicht nur Grüne, Linke, Piraten und Hanfverband haben die Regelung scharf
kritsiert. Auch die Gewerkschaft der Polizei und die Vereinigung Berliner
Staatsanwälte haben Bedenken angemeldet. Nun hat sich auch der frühere
Richter Wolfgang Neskovic in die Debatte eingeschaltet. Jener Mann also,
der 1994 beim Bundesverfassungsgericht mit einem Vorlagebeschluss das
sogenannte „Recht auf Rausch“ erstritten hatte.
Seither gilt: der Besitz geringer Mengen zum Eigenverbrauch bleibt im
Regelfall straffrei. In einem Gastbeitrag für die taz hat sich Neskovic mit
der Anweisung der CDU-Senatoren auseinandergesetzt. Das Fazit: Die
Sonderverbotszone im Görlitzer Park ist rechtswidrig und verstößt gegen die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Henkel und Heilmann seien als
Senatoren nicht länger tragbar, so Neskovic.
Und wie ist die Situation in Kreuzberg, seit der Görlitzer Park am 31. März
zur Null-Toleranz-Zone erklärte wurde? Helga Seyb und Biplab Basu von der
Opferberatung [1][Reach Out] sprechen am Mittwoch auf einer Pressekonferenz
von „regelrechten Jagdszenen im Park“.
## Vorwurf Racial Profiling
Seyb und Basu werfen der Polizei Racial Profiling vor. Die
Null-Toleranz-Politik sei vor allem gegen schwarze Menschen gerichtet. Der
Verfolgungsdruck habe sich seit Anfang des Jahres extrem verschärft. Hinter
dem Arbeitsauftrag der Polizei, Drogenhändler zu bekämpfen, verstecke sich
in Wirklichkeit das politische Ansinnen, schwarze Menschen zu bekämpfen.
„Die Gegend soll komplett schwarzfrei werden“, so Basu.
DenVorwurf des Racial Proflings hatte der Leiter der Polizeidirektion 5,
Stefan Weis, unlängst gegenüber der taz mit dem Worten zurückgewiesen:
„Unsere Erkenntnisse sind nun mal so, dass im Görlitzer Park 95 bis 98
Prozent der Dealer Schwarzafrikaner sind“. An den Zahlen, die die Polizei
aktuell vorlegt ist nicht erkennbar, was sich seit Einführung der
Null-Toleranz-Zone verändert hat. Zwischen dem 1. und 21. April hat die
Polizei eigenen Angaben zufolge 625 Personenüberprüfungen in der Grünanlage
vorgenommen.
Im gesamten März waren es 674. Im April wurden bislang 183 Platzverweise
ausgesprochen, im März waren es 259. Im März wurden 226 Strafanzeigen
erstattet, davon 186 wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
(BtMG). Im April sind es bislang 195 Anzeigen, davon 141 wegen BtMG. Für
eine Bewertung der Lage sei es zu früh, sagt ein Polizeisprecher.
## „Die Laune ist schlecht“
Monika Herrmann, grüne Bezirksbürgermeisterin, sagt, viele Händler seien
infolge des massiven Verfolgungsdrucks in die nähere und weitere Umgebung
des Parks bis hin zum Kottbusser Tor abgewandert. Nach wie vor bekomme sie
viele Klagen von Anwohnern über aggressives, anmaßendes Gebaren von
Dealern. Vom Innensenator erwarte sie eine Antwort, wie er das lösen wolle.
„Die Laune ist bei allen schlecht“, sagt ein Anwohner. „Keiner hier hat
Bock auf diese Unruhe durch die ständigen Polizeiaktionen“. Von
Kripobeamten wisse er, dass das Katz und Mausspiel auch innerhalb der
Polizei kritisch gesehen werde. „Die würden sich lieber um wichtigere Dinge
kümmern“.
Ein anderer Anwohner sagt, er sei der Polizei dankbar, dass man im Park
jetzt nicht mehr von Dealern angebaggert werde. Die Kehrseite sei, dass er
sich nicht mehr mit einem „Turnpeace Haschischin der Tasche“ in den Görli
traue. Wider ein anderer erzählt, Zivis hätten unlängst im Park seinen
Feierabend-Joint beschlagnahmt. Dem Prozess sehe er aber gelassen entgegen:
„Die Justiz ist doch nicht blöd.“
23 Apr 2015
## LINKS
[1] http://www.reachoutberlin.de/
## AUTOREN
Plutonia Plarre
## TAGS
Berlin
Görlitzer Park
Cannabis
Null Toleranz
Polizei
Bremen
Coffeeshop
Cannabis
Ausnahmen
Randale
CDU
Drogen
Monika Herrmann
Kiffen
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Cannabisfreigabe in Bremen: Die Richtung stimmt
Verkauf in zwei Apotheken – viel Rauch um nichts? Nein, denn Bremens
Beschluss für legalen Cannabiskonsum wird die bundesweite Debatte befeuern.
Cannabis-Antrag aus Kreuzberg: Rot und Schwarz sind sich nicht grün
Der Senat ist über den Antrag der Kreuzberger Grünen auf einen
Cannabis-Modellversuch uneins. Letztlich entscheidet aber der
Bundesgesundheitsminister.
Drogenkonsum in Deutschland: Die Repression ist gescheitert
Im Rauschmittelbericht der Bundesregierung wird von steigendem Konsum die
Rede sein. Und nicht vom Versagen der deutschen Drogenpolitik.
Verbotskultur in Deutschland: Regeln und ihre Ausnahmen
Entgegen einem weit verbreiteten Klischee sind die Deutschen sehr flexibel.
Solange das Gesetz eingehalten wird und Ordnung herrscht.
Demotourismus am 1. Mai in Berlin: „Autonome aus der Nähe sehen“
Felix K. (24) studiert in München Ethnologie. Doch am 1. Mai will er in
Kreuzberg feiern und demonstrieren. Ein Gespräch über seine Erwartungen.
Cannabis-Verfügung in Berlin: CDU verbietet Lehrern das Kiffen
Eine überarbeitete Regelung der Berliner Justizverwaltung legt nahe: Beim
Kiffen erwischte Lehrer und Erzieher müssen grundsätzlich bestraft werden.
Drogenpolitik in Berlin: Da glimmt kein Gras mehr
Ab 31. März wird der Görlitzer Park zur Null-Toleranz-Zone. Damit schafft
die CDU mitten in Kreuzberg einen Testraum für konservative Drogenpolitik.
Anti-Drogen-Zonen in Berlin-Kreuzberg: Null Toleranz im Görlitzer Park
Berlin will den Besitz von kleinsten Mengen Cannabis ab April in gewissen
Gegenden strenger verfolgen. Für die Bezirksbügermeisterin Herrmann eine
„Luftnummer“.
Medikamente zur Schmerztherapie: Nur 382 Cannabis-Patienten
Nur in Ausnahmefällen dürfen Menschen mit chronischen Leiden Cannabis legal
als Schmerzmittel einsetzen. In Deutschland sind es derzeit gerade einmal
382.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.