# taz.de -- Diskussion um Akademisierung: Gibt es zu viele Studenten? | |
> Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages sieht eine | |
> Überakademisierung. Er fordert, die Studienplätze zu verknappen. | |
Bild: Erstsemester an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz. | |
BERLIN taz | 2,7 Millionen Menschen sind zum gerade gestarteten | |
Sommersemester an den deutschen Hochschulen eingeschrieben. Zu viele, meint | |
der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages Eric | |
Schweitzer. „Die Zahl der Studienplätze kann nicht grenzenlos steigen“, | |
sagte Schweitzer der Berliner Morgenpost am Donnerstag und fordert sogar, | |
die Zahl der Studienplätze zu verknappen. Er halte es für falsch, dass | |
jeder, der studieren will, auch studieren können soll. | |
Schweitzer verweist auf eine Umfrage seines Verbandes, wonach die | |
Unternehmen immer unzufriedener mit ihren studierten Bewerbern seien. Sahen | |
vor vier Jahren noch zwei Drittel der befragten Firmen ihre Erwartungen an | |
Bachelorabsolventen erfüllt, waren es in der aktuellen Umfrage nur noch | |
knapp die Hälfte. „Es studieren zu viele, die besser eine Ausbildung machen | |
würden“, sagt Schweitzer und spricht von einer Überakademisierung. Der Boom | |
bei den Studentenzahlen gehe zulasten der dualen Berufsausbildung. | |
Damit liegt er inhaltlich und rhetorisch auf einer Linie mit dem ehemaligen | |
SPD-Staatsminister und Philosophieprofessor Julian Nida-Rümelin. Dieser | |
hatte vor mehr als einem Jahr den Begriff „Akademisierungswahn“ geprägt. | |
Nida-Rümelin fordert unter anderem die Hochschulen auf, Auswahlverfahren zu | |
entwickeln, um ungeeignete Bewerber auszusieben. Für die taz.am wochenende | |
vom 25./26. April 2015 haben wir mit ihm gesprochen. | |
„Die Unternehmen brauchen Absolventinnen und Absolventen sowohl aus der | |
akademischen als auch aus der beruflichen Bildung“, hält ein Sprecher der | |
Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände dagegen. „Die beiden Bereiche | |
sollten nicht gegeneinander ausgespielt werden.“ Solange immer noch rund 15 | |
Prozent eines Jahrgangs ohne jegliche Ausbildung oder einen | |
Hochschulabschluss blieben, gebe es genügend ungenutzte Potenziale für | |
beide Ausbildungswege – dual wie akademisch. | |
Erst im Dezember haben die Politiker von Bund und Ländern beschlossen, bis | |
zum Jahr 2023 noch einmal bis zu 760.000 zusätzliche Studienplätze zu | |
finanzieren. Im vergangenen Studienjahr hatten sich über 500.000 | |
Erstsemester neu immatrikuliert, darunter auch 107.000 Studierende aus dem | |
Ausland. Die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge betrug 2014 rund | |
520.000 – ein neuer Tiefstand. Dafür sorgt neben der gestiegenen | |
Studierneigung auch die demografische Entwicklung. | |
In der Ganzen Geschichte „Das Versprechen“ lassen wir nicht nur Julian | |
Nida-Rümelin sprechen, sondern auch zwei Bildungsaufsteiger. Jedes Kind | |
kann es nach oben schaffen. Wenn es sich bildet. Das war lange Zeit der | |
Leitsatz die SPD. Kanzlerin Merkel setzte 2008 tatsächlich eine Zielmarke: | |
40 Prozent eines Jahrgangs sollen einmal studieren. Im Jahr 2015 können | |
Schulabgänger unter 9.800 Studiengängen wählen, fast jeder Zweite schreibt | |
sich an einer Hochschule ein. | |
Nur: Wie viele Studenten brauchen wir wirklich? Und wenn so viele | |
studieren, wer backt dann noch die Brötchen? Wer schraubt die Autos | |
zusammen, wer eröffnet uns das Sparkonto? | |
Diskutieren Sie mit! | |
Die Ganze Geschichte „Das Versprechen“ lesen Sie in der taz.am wochenende | |
vom 25./26. April. | |
24 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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