# taz.de -- Zwischen China und Indien: Nepals politische Erstarrung | |
> Nepal ist eines der ärmsten Länder Asiens. Die Politiker waren lange | |
> heillos zerstritten. Für Indien und China ist das Land strategisch | |
> wichtig. | |
Bild: Eine Frau in den Trümmern ihres Hauses im Sindhupalchok-Destrikt. | |
NEU DELHI taz | Die Erdbebenkatastrophe trifft ein Land, dessen Politiker | |
und Parteien viele Jahre in politischer Erstarrung verharrten. Seit 1996 | |
kämpft zudem die maoistische Rebellenarmee Peoples Liberation Army gegen | |
das bestehende politische System. Ihr Ziel: eine Volksrepublik. In dem | |
Konflikt sind inzwischen Zehntausende auf beiden Seiten gestorben. | |
2005 schien der Durchbruch geschafft, als ein Bündnis aus den sieben | |
vormals im Parlament vertretenen Parteien (Seven Party Alliance) und die | |
Maoisten ein 12-Punkte-Abkommen unterzeichneten. Die Hoffnungen wurden | |
enttäuscht. Bis heute sind viele der getroffenen Vereinbarungen nicht | |
erfüllt. | |
Noch immer gibt es keine neue Verfassung, keine Aufarbeitung der begangenen | |
Menschenrechtsverletzungen, keine Entschädigung der Opfer. Auch | |
Premierminister Sushil Koirala, 2014 ins Amt gewählt, hat es nicht | |
geschafft, sein Versprechen wahrzumachen, innerhalb eines Jahres ein neues | |
Grundgesetz zu verabschieden. Mit vielen anderen Vorhaben ist es ähnlich | |
gegangen. | |
So waren die Behörden nicht präpariert, obwohl einheimische und | |
internationale Experten vor einem drohenden Beben gewarnt hatten. | |
Kein Wunder, dass die Nepalesen jetzt vor allem vom Ausland Hilfe erwarten | |
können. Noch am Samstagabend – knapp vier Stunden nachdem die Erde gebebt | |
hatte – schickte Indiens Premierminister Narendra Modi einen ersten | |
Militärtransporter mit Hilfsgütern, Rettungsmannschaft und Medikamenten | |
nach Kathmandu. Für viele Inder seien Nepalesen wie Landsleute, sagte Modi | |
tags darauf in einer Radioansprache. In solch einer schweren Stunde wolle | |
man helfen, die Tränen der Menschen in Nepal zu trocknen. | |
Schnell reagierten auch die Chinesen im Norden: Innerhalb weniger Stunden | |
schickte Peking Teams mit Spürhunden, Zelten, Decken und Stromgeneratoren | |
los. Dabei dürften - neben humanitären Motiven - in der prompten | |
Unterstützung auch politische und strategische Überlegungen der beiden | |
großen Nachbarländer zu erkennen sein. Sowohl China als auch Indien | |
versuchen längst, ihren Einfluss auf den kleinen Gebirgsstaat an ihren | |
Rändern auszudehnen. | |
Dabei sind die Beziehungen zu Indien traditionell eng, wurzeln in tiefen | |
geografischen, sprachlichen und kulturellen Gemeinsamkeiten. Allerdings | |
werfen nicht wenige in Nepal Indien eine „semikoloniale“ Haltung gegenüber | |
ihrem Land vor. | |
Für Unmut sorgt etwa die Tatsache, dass zahlreiche indische Unternehmen in | |
lukrativen Bereichen der nepalesischen Wirtschaft Fuß gefasst haben. Kritik | |
erregen auch aktuelle Verträge zur Nutzung der grenzüberschreitenden | |
Flüsse. Viele Nepalesen meinen, Indien werde dabei übermäßig bevorteilt. | |
Gleichzeitig teilen Indien und Nepal eine offene Grenze, suchen viele | |
Nepalesen Arbeit in Indien. Nepalesen dienen weiterhin in den | |
Gurkha-Regimentern der indischen Armee; umgekehrt werden viele Soldaten der | |
nepalesischen Armee in Indien ausgebildet. Zudem ist Indien einer der | |
größten Waffenlieferanten an Nepal. | |
## Chinesische Investitionen | |
China wiederum hat Nepal in seinem Prestigeprojekt „Neue Seidenstraße“ eine | |
wichtige Rolle zugedacht und investiert massiv in nepalesische | |
Infrastrukturprojekte wie Straßen und Kraftwerke. Die Volksrepublik stieg | |
2014 zum größten ausländischen Investor auf. Das ist für Nepal enorm | |
wichtig: Der kleine Gebirgsstaat ist eines der ärmsten Länder der Region, | |
er liegt weit hinter den Nachbarländern Bhutan, Pakistan oder Bangladesch | |
zurück. | |
Die wachsende wirtschaftliche Abhängigkeit hat ihren Preis: Peking fordert | |
von Nepal mehr Zurückhaltung im Umgang mit der tibetischen Minderheit im | |
Land. Der Organisation Human Rights Watch zufolge schickt Nepal vermehrt | |
tibetische Flüchtlinge nach China zurück. | |
Doch in diesen Tagen der Not ist klar: Die Menschen in Nepal brauchen | |
dringend Hilfe. Hauptsache, sie kommt an. Egal aus welchen Gründen. | |
28 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Michael Radunski | |
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