# taz.de -- Erdbeben in Nepal: „Es fehlt an allen Mitteln“ | |
> Die Chancen, weitere Überlebende zu finden, schwinden. Ein deutscher | |
> Nothilfekoordinator warnt vor Spannungen, falls Hilfe ausbleibt. | |
Bild: Nothelfer Felix Neuhaus: „Teilweise graben Helfer mit bloßen Händen i… | |
DELHI taz | Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. Nach dem schweren Erdbeben | |
in Nepal suchen Helfer weiter nach Überlebendem in den Trümmern. Angaben | |
der nepalesischen Polizei zufolge kamen mindestens 3.729 Menschen ums | |
Leben, mehr als 6.500 wurden verletzt. Aus Indien werden 67 Tote gemeldet, | |
im chinesischen Tibet kam es zu 20 Opfern. | |
Felix Neuhaus, Nothilfekoordinator der AWO International in Nepals | |
Hauptstadt Kathmandu, warnt, diese Opferangaben seien noch sehr vorsichtig | |
kalkuliert. „Wir erhalten noch immer nur spärliche Informationen aus den | |
entfernten Bezirken des Landes. Dort sind bis zu 100 Prozent der Häuser | |
zerstört. Ich fürchte, die Zahl der Opfer wird auf mindestens 5.000 | |
steigen.“ | |
Die Chancen, weitere Überlebende zu finden, schwinden. Die unter Trümmern | |
eingeschlossenen Menschen können meist nur wenige Tage überleben. | |
Entscheidend seien die ersten drei Tage, sagen Experten. So lange kann ein | |
Mensch normalerweise überleben, ohne zu trinken. Nur wenn die Verschütteten | |
Zugang zu Flüssigkeit haben, gibt es nach mehreren Tagen noch eine | |
realistische Überlebenschance. | |
Viele Helfer suchen pausenlos nach Überlebenden. Teilweise graben sie mit | |
bloßen Händen in meterhohen Schuttbergen, bohren durch eingestürzte | |
Häuserwände. Noch gelingt es, Überlebende zu bergen. Doch immer häufiger | |
kommt die Hilfe zu spät. Die Regierung hat zu Blutspenden aufgerufen. Zudem | |
werden massenhaft Leichen verbrannt, um den Ausbruch von Seuchen zu | |
verhindern. | |
## Chaos auf Kathmandus Straßen | |
Bislang konzentrieren sich die Bergungsarbeiten vor allem auf die | |
Hauptstadt und das umliegende Tal. Auf Kathmandus Straßen herrsche Chaos, | |
erzählt Neuhaus. „Die Menschen sind auf sich allein gestellt. Sie haben | |
nichts zu essen, nichts zu trinken, müssen ohne Schutz die Nächte | |
überstehen.“ Die meisten Häuser sind ohnehin zerstört. Und wegen der | |
stetigen Nachbeben würden die Überlebenden im Freien übernachten. Doch gibt | |
es kaum Zelte oder Planen gegen den Regen. Trotzdem nennt Neuhaus die | |
Situation in Kathmandu „privilegiert“. | |
Die entlegenen Regionen des Landes sind noch immer ohne jeder Hilfe. Viele | |
Dörfer kann man schon in normalen Zeiten nur zu Fuß erreichen, auf schmalen | |
Pfaden und mit Lasttieren. Doch da es in der Nacht zu Montag stark geregnet | |
hat, gibt es immer wieder Erdrutsche. Sie versperren die schmalen Wege und | |
behindern die Helfer zusätzlich. Der einzige Ausweg ist Hilfe aus der Luft, | |
doch dafür gibt es zu wenig Helikopter. „Und mit den wenigen verfügbaren | |
Hubschraubern werden dann meist Touristen und Bergsteiger am Mount Everest | |
geborgen“, sagt Neuhaus. | |
## Nepal braucht dringend Hilfe aus dem Ausland | |
Zwar erklärte Nepals Militär, 90 Prozent aller Soldaten seien im Einsatz | |
und alle verfügbaren Kräfte würden für Rettungs- und Hilfsarbeiten | |
eingesetzt. Doch der kleine Gebirgsstaat ist mit der Katastrophe völlig | |
überfordert. „Es fehlt an allen nötigen Ressourcen für die Rettung“, so | |
Neuhaus. Sein Team wollte etwa nach Gorkha fahren. Das an der Grenze zu | |
China gelegene Gebiet ist besonders stark vom Beben betroffen. „Wir haben | |
uns Lastwagen organisiert, doch wir konnten nicht fahren. Es gibt kaum | |
Benzin.“ | |
Zudem fehlt Trinkwasser, Nahrungsmittel, Decken sowie Planen gegen den | |
Regen. Seit Samstag ist die Stromversorgung unterbrochen. Nepal braucht | |
dringend Hilfe aus dem Ausland. Doch die meisten Straßen aus Indien und | |
China sind durch Erdrutsche blockiert. So wird der einzige internationale | |
Flughafen des Landes in Kathmandu zum Nadelöhr für die dringend benötigte | |
Hilfe. Eng getaktet landen hier inzwischen riesige Militärtransporter mit | |
Hilfsgütern. | |
„Noch halten die Menschen zusammen“, sagt Neuhaus. Suppenküchen würden | |
organisiert, Planen und Zelte für die Nacht aufgestellt. „Doch verbessern | |
sich die Bedingungen nicht bald deutlich, könnte es zu Spannungen kommen.“ | |
Schon der Wetterbericht verheißt nichts Gutes: Die nächsten Tagen soll es | |
in Nepal heftig regnen und gewittern. | |
27 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Michael Radunski | |
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