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# taz.de -- 1. Mai in der Türkei: Der Taksim bleibt gespenstisch ruhig
> Die Polizei löst eine Gewerkschaftsdemonstration mit Wasserwerfen und
> Tränengas auf. In den übrigen Großstädten blieb es friedlich.
Bild: Pause: Demonstranten im Stadtteil Okmeydani von Istanbul.
ISTANBUL taz | Stundenlang hatten sie ausgeharrt, am Ende ging die Polizei
mit Gewalt gegen die 1. Mai Demonstranten in Istanbul vor. Mit
Wasserwerfern und Tränengas löste die Polizei am Nachmittag die zentrale
Gewerkschaftsdemonstration auf, die zuvor seit 10 Uhr vormittags auf einem
Platz im Stadtteil Besiktas vergeblich darauf gewartet hatte, zum zentralen
Taksim Platz marschieren zu können.
Trotzdem blieb die ganz große Eskalation aus. Es bliebt über Stunden in
Besiktas friedlich, weil die Gewerkschaftsführung der linken Konföderation
DISK ihre Anhänger immer wieder zu Geduld aufrief. Gleichzeitig versuchte
sie, die Polizeiführung davon zu überzeugen, den Demonstrationszug
losziehen zu lassen. Lediglich in zwei Kilometer Entfernung vom
eigentlichen Sammelpunkt der Demonstranten kam es den ganzen Tag über immer
wieder zu Zusammenstößen. Weil die Polizei den Durchgang zum
Versammlungsplatz sperrte, flogen Steine und die Beamten schossen mit
Tränengasgranaten zurück.
Auch am Okmaydan, einem Platz in einem der größten Armenviertel Istanbuls,
kam es den ganzen Tag über zu Scharmützeln und Zusammenstößen. Insgesamt
seien 18 Demonstranten und 6 Polizisten verletzt worden, sagte Istanbuls
Gouverneur Vasip Sahin am Freitagabend. 203 Menschen seien festgenommen
worden. Nach Angaben der Polizei wurden am Maifeiertag mehr als 20.000
Polizisten in der Millionenmetropole eingesetzt.
Am zentralen Taksim Platz, der für die Demonstranten gesperrt war, blieb es
den ganzen Tag über gespenstisch ruhig. Lediglich eine Abordnung
Gewerkschaften durfte am Vormittag Blumen niederlegen, ansonsten gelang es
nur einem kleinen Grüppchen Kommunisten die Polizeisperren zu überlisten
und für eine Minute auf den Platz zu laufen, bevor sie festgenommen wurden.
## Die Besonnenheit der Gewerkschaften
Viele Leute hatten befürchtet, dass es während der Mai-Demonstrationen zu
schweren Zusammenstößen kommen könnte, weil angesichts der bevorstehenden
Parlamentswahlen die Stimmung in der Türkei sowieso schon aufgeheizt ist.
Doch eine Übermacht von rund 25.000 Polizisten und die Besonnenheit der
Gewerkschaftsführung sorgte dafür, dass es bis zum späten Nachmittag
relativ ruhig blieb.
Auch in den anderen Großstädten der Türkei hielten sich die Demonstranten
an die Vorgabe, Provokationen möglichst aus dem Weg zu gehen. Aus Ankara,
Izmir, Antalya und Adana waren deshalb trotz massiver Polizeipräsenz
überwiegend friedliche Bilder zu sehen.
In der Türkei wird am 7. Juni gewählt. Die seit 13 Jahren regierende AKP
von Präsident Tayyip Erdogan ist das erste Mal seit 2002 in den Umfragen
zurückgefallen und könnte ihre absolute Mehrheit verlieren. Im Vorfeld war
vielfach darüber spekuliert worden, dass die Regierung versucht sein
könnte, mit Provokationen am 1. Mai Zusammenstöße herbeizuführen, um die
Opposition als gewalttätig zu denunzieren und die eigene, müde gewordene
Anhängerschaft wieder enger hinter sich zu versammeln. Dieses Kalkül ist
jedoch nicht aufgegangen.
Dieser Artikel wurde aktualisiert um 18.05 Uhr.
1 May 2015
## AUTOREN
Jürgen Gottschlich
## TAGS
Gewerkschaft
Schwerpunkt AKP
Recep Tayyip Erdoğan
Taksim-Platz
Schwerpunkt Türkei
Deutschland
Ex-Präsident
Essen
Schwerpunkt Neonazis
Berkin Elvan
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Türkei
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