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# taz.de -- Gedenken und Gewalt in Istanbul: „Berkin ist hier“
> Vor einem Jahr starb der 15-jährige Berkin Elvan bei den Gezi-Protesten.
> Nun ging die Polizei erneut gewaltvoll gegen die Gedenkdemonstrationen
> vor.
Bild: „Für Berkin Elvan“.
ISTANBUL afp | Die türkische Polizei ist am Mittwoch in mehreren Städten
gewaltsam gegen Demonstrierende vorgegangen, die des [1][Todes des
15-Jährigen Berkin Elvan] durch eine Tränengaspatrone vor einem Jahr
gedachten. Im Istanbuler Stadtteil Okmeydani, in dem der Jugendliche
tödlich verletzt worden war, gab es Zusammenstöße mit linken
Regierungsgegnern. Die Bereitschaftspolizei setzte Tränengas und
Wasserwerfer ein, die Demonstranten warfen Steine und Molotowcocktails.
Auch in Ankara, Izmir und rund zwanzig anderen Städten gingen die Menschen
im [2][Gedenken an Berkin Elvan] auf die Straße – und wurden oft von den
Sicherheitskräften auseinandergetrieben. In Ankara wurden der Lokalpresse
zufolge elf Menschen festgenommen, als sie Gerechtigkeit für das Opfer der
Polizeigewalt forderten. Auch aus Istanbul wurden mehrere Festnahmen
gemeldet, dort wollten sich Regierungsgegner [3][vor dem Gezi-Park]
versammeln. Auf einem ihrer Plakate stand: „Berkin ist hier.“
Die geplante Zerstörung des Parks im Herzen Istanbuls hatte am 31. Mai 2013
massive Proteste ausgelöst, die zur bis dahin härtesten Kraftprobe für die
konservativ-islamische Regierung des damaligen Ministerpräsidenten und
heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wurde. Elvan war im Juni 2013 von
einer Tränengaspatrone am Kopf getroffen worden, als er nach Angaben seiner
Eltern Brot kaufen wollte und dabei in die Unruhen geriet. Er fiel für 269
Tage ins Koma und starb am 11. März 2014. Bislang wurde kein Polizist dafür
vor Gericht gestellt.
Im Zuge der Anti-Erdogan-Proteste verloren mehrere Menschen ihr Leben. Je
nachdem, welche Todesfälle man mitzählt, schwankt die [4][Zahl der Opfer
zwischen acht und 15]. Besonders der Tod des 15-jährigen Berkin wurde aber
zu einem traurigen Symbol für die Polizeigewalt. Nach der Nachricht von
seinem Tod waren vor einem Jahr landesweit hunderttausende Menschen auf die
Straßen gezogen, auch an seiner Beisetzung nahmen zahllose Istanbuler teil.
Erdogan hatte den Jugendlichen als „Terroristen“ bezeichnet und seine
Anhänger bei einer Kundgebung ermutigt, die Mutter des Jungen auszubuhen.
Der Polizei bescheinigte er, sie habe während der Gezi-Unruhen ein
„Heldenepos“ geschrieben. Das Parlament prüft derzeit ein Gesetzesvorhaben,
das der [5][Polizei bei Demonstrationen noch mehr Handlungsspielraum] geben
soll. Die Opposition sieht darin den Versuch, aus der Türkei einen
Polizeistaat zu machen.
Der Intellektuellen-Verband Sanat Meclisi appellierte am Mittwoch an die
Politiker des Landes, den Tod Berkins nicht länger ungesühnt zu lassen. Die
Eltern fordern nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Dogan vom
Innenministerium Schmerzensgeld von umgerechnet 350.000 Euro. Im westlichen
Izmir wurde am Mittwoch eine kleine Statue von Berkin beschädigt:
Unbekannte fügten ihr am Kopf eine dicke Schramme zu, womöglich um an die
tödliche Verletzung zu erinnern. Auf Twitter verschickten am Mittwoch
zahlreiche Türken die Nachricht „Wir haben Dich nicht vergessen, Berkin
Elvan“.
11 Mar 2015
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