# taz.de -- Kommentar Pro Bahnstreik: Die GDL streikt nicht nur für sich | |
> Ein Großteil der grün-affinen Mittelschicht will gesellschaftlichen | |
> Wandel ohne Wohlstandseinbuße. Der Lokführerstreik zeigt: Das geht nicht. | |
Bild: Die Lokführer streiken zunächst für sich selbst, letztlich aber für d… | |
„Weselsky legt sich mit Deutschland an“, titelte am Dienstag selbst die | |
Berliner Zeitung, die gewöhnlich klügere Schlagzeilen produziert. Und lag | |
damit auf einer Linie mit Bild: „Claus Weselsky: Schon als junger Mann war | |
er Außenseiter“, hieß es dort über den Chef der Lokführer-Gewerkschaft GD… | |
Die Mehrheit der veröffentlichten Meinung hat mit Weselsky wieder jemanden | |
gefunden, den sie ohne Zögern außerhalb des nationalen Kollektivs verortet: | |
als unseren gemeinsamen Gegner. | |
Das ist einerseits widerlich und eines demokratischen Staates unwürdig. | |
Denn die GDL macht das, was eine Gewerkschaft üblicherweise macht, um für | |
die Rechte ihrer Mitglieder zu kämpfen: Sie streikt, weil sie es mit einem | |
renitenten Gegner zu tun hat. Die Bahn verweigert der GDL ein Tarifangebot | |
für einige Berufsgruppen – und hofft statt dessen auf einen billigeren | |
Abschluss mit der willfährigen DGB-Gewerkschaft EVG. Will der Gesetzgeber | |
solch lange Streiks vermeiden, weil er die Bahn zur öffentlichen | |
Daseinsvorsorge zählt, muss er das Zugpersonal eben wieder verbeamten. | |
Und andererseits treffen Schlagzeilen wie die von Bild und Berliner Zeitung | |
einen Nerv in der Bevölkerung. Selbst viele Teile der grün-affinen | |
Mittelschichten glauben heute, dass gesellschaftliche Veränderungen möglich | |
sind, ohne auch nur kleinste Unbequemlichkeiten oder Wohlstandseinbußen in | |
Kauf nehmen zu müssen. Einkaufen im Bioladen ist beliebt, der Verzicht auf | |
den ökologisch viel schädlicheren Kurzurlaub in Barcelona nicht. | |
Während Politik und Gesellschaft unter Angela Merkel immer unbeweglicher | |
geworden sind, halten viele die jederzeitige persönliche Mobilität für ein | |
Grundrecht. Und reagieren deshalb verständnislos, wenn für ein paar Tage | |
Reisen etwas schwieriger wird. | |
Dabei streikt die GDL zwar zunächst für sich selbst, letztlich aber für die | |
meisten von uns. Denn starke DGB-Gewerkschaften wie IG Metall und IG BCE, | |
die jetzt auf das Tarifeinheitsgesetz hoffen, vertreten vornehmlich die | |
privilegierten Stammbelegschaften. Um prekär Beschäftigte kümmern sie sich | |
kaum – und werden es auch nicht tun, solange sie keine Konkurrenz von | |
Spartengewerkschaften wie der GDL fürchten müssen. | |
Das CDU-Mitglied Weselsky legt sich daher nicht mit Deutschland an, aber | |
mit dem SPD-nahen DGB. Auch deshalb stellt sich SPD-Chef Sigmar Gabriel im | |
Bahnkonflikt auf die Arbeitgeberseite. | |
6 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Martin Reeh | |
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