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# taz.de -- Besuch im Streiklokal der GDL: Weselsky hat doch noch Freunde
> Im Streiklokal der Lokführer sind die Mitglieder erleichtert über den
> langen Ausstand. Endlich werde einmal „Kante gezeigt“.
Bild: Die Streikenden vor dem Café Style in Berlin sagen: Es fehlt „an allen…
BERLIN taz | Kein Streik ohne anständiges Streiklokal. Das „Cafe Style“
liegt in Sichtweite des Berliner Ostbahnhofs im Bezirk Friedrichshain und
nur ein paar hundert Meter vom Bezirksbüro der Gewerkschaft Deutscher
Lokomotivführer (GDL) entfernt. Beste Voraussetzungen für einen Treffpunkt
der streikenden GDL-Mitglieder, der bis zum Streikende am Sonntag früh rund
um die Uhr geöffnet sein wird.
So ein Streiklokal hat eher wenig mit Klassenkampfromantik zu tun. Hier
müssen sich alle Streikenden der Berliner Einsatzstellen des Bahn-Konzerns
unter Vorlage ihres Dienstplans in Listen eintragen, um später das
Streikgeld zu erhalten. Die Gewerkschaft zahlt 10 Euro netto pro Stunde,
maximal 75 Euro pro Schicht.
Für die Streikenden bedeutet das teilweise beträchtliche Lohneinbußen, und
es gebe auch vereinzelt GDL-Mitglieder, die eine Teilnahme am Arbeitskampf
aus materiellen Gründen ablehnten, räumt ein Ortsgruppenfunktionär ein. Mit
diesen Kollegen müsse man nach dem Ende der Tarifauseinandersetzung mal
„ein ernsthaftes Wort reden“, denn eigentlich hätten die „in einer
Gewerkschaft nichts verloren“, meint er. Probleme gebe es auch mit einigen
Lokführern vor allem in der Güterverkehrssparte, die wenig Verständnis
dafür aufbringen, dass sie jetzt für Schaffner die Kohlen aus dem Feuer
holen sollen.
In der Tat könnten Zugbegleiter, Bordgastronomen und Disponenten ohne die
gut organisierten Lokführer wohl kaum ausreichend Druck auf die Bahn AG zur
Durchsetzung tariflicher Forderungen ausüben. Aber „wir sind kein
Lokführerverein mehr, sondern eine Gewerkschaft für das Zugpersonal, auch
wenn das einige Kollegen noch nicht so richtig wahrhaben wollen“,
bekräftigt ein DB-Regio-Betriebsrat.
## Erstaunlich entspannt
Abgesehen von diesen Ärgernissen ist die Stimmung am Dienstagmorgen im Café
Style erstaunlich entspannt. Rund 70 GDLer verteilen sich in zwei Räumen
sowie im Vorgarten und diskutieren angeregt. Dabei überwiegt so etwas wie
Erleichterung, dass die Führung der GDL nach einem zehnmonatigen Tarifpoker
„endlich Kante zeigt“, wie es ein S-Bahner formuliert.
Als die Gewerkschaft zuletzt am 21. April zu einem zweitägigen Ausstand
aufgerufen hatte, gab es viel interne Kritik, auch hier im Streiklokal.
Zwei Tage, das bringe doch nichts, war der allgemeine Tenor. Damals
kursierte auch eine Unterschriftenliste für eine von Mitgliedern aller fünf
Berliner GDL-Ortsgruppen verfassten Resolution. Darin hieß es unter
anderem: „Offensichtlich beeindruckt auch unser 7. Streik die DB nicht
wirklich. So sehen wir keinen anderen Weg, als dass wir unsere Interessen
durch einen unbefristeten Streik durchsetzen.“
Nachdem die GDL-Führung jetzt den längsten Streik in der Geschichte der
Deutschen Bahn ausgerufen hat, fühlt man sich bestätigt und ist voll des
Lobes für den GDL-Vorsitzenden Claus Weselsky.
## Es geht um Arbeitsbelastung
Allen Streikenden ist bewusst, dass es diesmal nicht in erster Linie um
mehr Geld geht, sondern vor allem um die Arbeitsbelastung. Bereitwillig
zeigt ein S-Bahner die vielen SMS-Meldungen, die er in den vergangenen
Wochen von seinem Gruppenleiter erhalten hat. Immer wieder würden
Triebfahrzeugführer gesucht, die kurzfristig Zusatzschichten übernehmen; es
fehle „an allen Ecken und Enden an Personal“.
Deswegen hat die Forderung nach einer tariflichen Begrenzung der
Überstunden einen hohen Stellenwert in dieser Tarifrunde. Doch für die
Streikenden im Café Style geht es einhellig auch um das Grundrecht, sich
als Gewerkschaft für die Interessen der Mitglieder einsetzen zu können.
Vor den vermeintlichen oder realen „empörten Fahrgästen“ will man ebenso
wenig den Kopf einziehen wie vor dem überwiegend verheerenden Medienecho
auf den Streik. Um 11 Uhr kommt Bewegung in die Runde. Aus dem Bezirksbüro
werden Transparente, Fahnen und Streikwesten geholt und um 12 zieht man
gemeinsam zum Ostbahnhof, um Präsenz zu zeigen und gern auch über den
Streik zu diskutieren. „Wir brauchen uns nicht zu verstecken, wir kämpfen
für eine gerechte Sache, die alle etwas angeht“, beschreibt ein
Regio-Lokführer die Stimmung.
5 May 2015
## AUTOREN
Rainer Balcerowiak
## TAGS
Deutsche Bahn
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Lokführer
Streik
GDL
Streik
Lokführer
Lokführer
Streitfrage
Claus Weselsky
Schwerpunkt Bahnstreik
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