| # taz.de -- Strategie im NSU-Prozess: Belastende Sprachlosigkeit | |
| > Im Verfahren fällt Beate Zschäpe das Schweigen immer schwerer. Die | |
| > Opferanwälte sehen die Anklage bestätigt. | |
| Bild: Nur einmal verlor Beate Zschäpe im Prozess bisher die Nerven | |
| MÜNCHEN taz | Kein Wort zu den Anschuldigungen. Kein Satz zu den | |
| politischen Motiven. Es bleibt die Konstante im NSU-Prozess vor dem | |
| Oberlandesgericht in München: das Schweigen der Hauptbeschuldigten Beate | |
| Zschäpe. Die „effektivste Waffe der Verteidigung“, wie ihre Rechtsbeistän… | |
| Wolfgang Heer, Wolfgang Stahl und Anja Sturm glauben. Aber: Das stumme | |
| Ausharren fällt ihrer Mandantin immer schwerer. | |
| Vor zwei Jahren, am 6. Mai 2013, betrat Zschäpe erstmals den fensterlosen | |
| Saal A 101. In einem aktuellen, 17-seitigen Gutachten des Psychiaters | |
| Norbert Nedopil wird klar, wie sehr es die 40-Jährige belastet, jede Regung | |
| zu vermeiden. Zschäpe erzählte ihm, dass sie den Gerichtssaal als | |
| „Kriegsgebiet“ empfinde. Sie schaffe es nicht mehr, sich davon zu erholen. | |
| Immer schwerer falle es ihr, die Gesichtszüge zu kontrollieren. Die | |
| Sprachlosigkeit, so Nedopil, habe zu psychosomatischen Erkrankungen | |
| geführt, von Erbrechen bis zu einer Röschenflechte. Zschäpe leide unter | |
| einer „chronischen Belastungsreaktion“, die von der „extrem kraftraubenden | |
| Verteidigungsstrategie“ herrühre. | |
| Im Juli 2014 verlor Zschäpe schon einmal die Nerven, wollte ihre | |
| Verteidiger entlassen. Der Antrag scheiterte. Der Vorsitzende Richter | |
| Manfred Götzl reagierte allerdings im Frühjahr auf die zunehmende | |
| Angeschlagenheit Zschäpes: Er begrenzte die Sitzungswoche von drei auf zwei | |
| Verhandlungstage. Fotoaufnahmen sind nur noch zweimal pro Monat erlaubt. | |
| Die Verteidiger indes beharren auf der Schweigestrategie: Zschäpe soll der | |
| Anklage keine neuen Hinweise liefern. Mühevoll muss das Gericht daher | |
| Indizien zusammentragen. | |
| ## Zwischenfazit der Anwälte | |
| Für die Anklage sehen die Verteidiger indes nach über 500 befragten Zeugen | |
| keine Grundlage mehr. Diese sieht Zschäpe als gleichberechtigtes Mitglied | |
| des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Doch ein dauerhaftes | |
| Zusammenleben der drei sei nicht bewiesen, sagt Verteidiger Heer. Auch | |
| Zschäpes Funktion als „Finanzverwalterin“ der Gruppe sei nicht belegt, | |
| ebenso wenig wie ihr Mitwirken am „Zeitungsarchiv“ des NSU. | |
| Ganz anders lautet das Zwischenfazit der Opferanwälte. „Aus unserer Sicht | |
| sind alle Anklagepunkte erwiesen“, sagt Alexander Kienzle, Vertreter der | |
| Angehörigen von Halit Yozgat, der in Kassel erschossen wurde. Es sei klar, | |
| dass Zschäpe die Bekennervideos verschickt habe. Sein Kollege Alexander | |
| Hoffmann verweist auch auf die zuletzt verhandelten Banküberfälle des NSU. | |
| „In der Frühlingsstraße lagen Geldbündel mit gekennzeichneten Banderolen | |
| und Stadtpläne, auf denen die Banken eingezeichnet waren. Das legt sehr | |
| nahe, dass Zschäpe die Vorbereitungen der Überfälle mitbekommen haben | |
| muss.“ | |
| In einem Punkt sehen die Nebenklage-Anwälte die Anklage dagegen widerlegt. | |
| „Es ist deutlich geworden“, so Hoffmann, „dass das Trio keineswegs eine | |
| isoliert agierende Zelle war.“ Zumindest bis 2001 war es fest im | |
| Neonazi-Netzwerk „Blood & Honour“ integriert. Dortige Mitglieder besorgten | |
| den Untergetauchten Pässe, Wohnungen oder Geld. Sie versuchten sogar, | |
| Waffen zu besorgen. | |
| Auch bestehen bei zwei Tatkomplexen weiter mehr Fragen als Antworten: die | |
| Ermordung der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn und die | |
| Anwesenheit des Exverfassungsschützers Andreas Temme beim Mord an Halit | |
| Yozgat in Kassel. Gül Pinar, Vertreterin der Familie des NSU-Opfers | |
| Süleyman Tasköprü, wirft den Behörden vor, zu mauern. „Das Verhalten der | |
| Verfassungsschützer erschüttert meine Mandanten weiterhin.“ | |
| 6 May 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Speit | |
| Konrad Litschko | |
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