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# taz.de -- Wahl in Großbritannien: Cameron gewinnt deutlich
> Die Tories triumphieren bei der Wahl, Labour ist weit abgeschlagen. Viele
> schottische Nationalisten werden im Parlament sitzen.
Bild: Gewann nicht nur in seinem Wahlkreis: David Cameron.
CAMBRIDGE taz | David Cameron bleibt Premierminister von Großbritannien.
Entgegen sämtlichen Prognosen und Umfragen vor der Wahl haben Camerons
Konservative bei den Parlamentswahlen vom Donnerstag einen deutlichen Sieg
eingefahren. Am Freitagmorgen standen sie nach BBC-Berechnungen sogar am
Rande einer absoluten Mehrheit der Sitze im Unterhaus und dürften in der
Lage sein, ohne Koalitionspartner zu regieren.
Um 7.30 Uhr (Ortszeit) am Freitag lagen die Konservativen nach Auszählung
von 580 der 650 Wahlkreise bei 277 Sitzen, Labour bei 216 und die bisher
mitregierenden Liberaldemokraten bei acht. Die BBC-Prognose gab den
Konservativen 329 Sitze insgesamt – eine knappe absolute Mehrheit – und
Labour 233.
Im britischen Unterhaus sitzen ausschließlich direkt gewählte
Wahlkreisabgeordnete. Alle Umfragen hatten zuvor ein Kopf-an-Kopf-Rennen
zwischen den Konservativen und der Labour-Opposition vorausgesagt, den
Konservativen Verluste und Labour Gewinne prognostiziert. Dass es jetzt
umgekehrt kommen könnte, hatte niemand vorhergesehen.
Zweiter Sieger der Wahlen sind die schottischen Nationalisten der SNP
(Scottish National Party). Sie gewannen 56 der 59 schottischen Wahlkreise –
bisher hielten sie sechs. Labour, die Konservativen und die
Liberaldemokraten hatten je einen schottischen Sitz. Bisher hatte Labour 41
schottische Sitze.
## Der Niedergang der Liberaldemokraten
Durch das Debakel in Schottland ist Labour im britischen Parlament jetzt
noch schwächer als vorher und hat voraussichtlich das schlechteste Ergebnis
seit 32 Jahren eingefahren. Die Partei dürfte am Ende fast 100 Sitze hinter
den Konservativen zurückliegen.
Quelle: BBC
Zweiter Verlierer der Wahlen sind die bisher mit den Konservativen in einer
Koalition mitregierenden Liberaldemokraten, die fast spiegelbildlich zum
Aufstieg der SNP nahezu ausgelöscht worden sind. Von ihren bisher 57
Mandaten dürften sie nur eine einstellige Zahl behalten. Alle
liberaldemokratischen Führungsfiguren verloren ihre Wahlkreise und damit
ihre Parlamentssitze und ihre politische Karriere – mit Ausnahme des
Parteichefs Nick Clegg, der dank zahlreicher konservativer Leihstimmen
seinen Wahlkreis Sheffield-Hallam gegen eine starke Labour-Opposition
verteidigen konnte, wenngleich mit reduzierter Mehrheit.
Die in den letzten Tagen alles beherrschende Frage, was für eine Art
Koalitionsangebot die Liberalen den großen Parteien unterbreiten würden,
stellt sich jetzt aber nicht mehr. Die Konservativen werden voraussichtlich
alleine regieren können. Notfalls können sie sich auf die Stimmen der
protestantischen Unionisten aus Nordirland verlassen.
## Zusammenarbeit statt Konfrontation
Wahlsieger Cameron trat gegen 5.40 Uhr nach dem Ende der Auszählung in
seinem südenglischen Wahlkreis Witney in Oxfordshire vor die Wähler und
sprach von einer „sehr starken Nacht für die Konservativen“. Die Wähler
hätten „eine positive Antwort auf einen positiven Wahlkampf gegeben“, so
der Parteichef und Premierminister. Seinen Wahlsieg wolle er nutzen, um das
gespaltene Großbritannien wieder zu vereinen.
Der Wirtschaftsaufschwung müsse jetzt alle Bevölkerungsgruppen und alle
Landesteile erreichen, und er wolle „einen Anspruch zurückgewinnen, den wir
nie hätten verlieren dürfen: den der vereinten Nation“ – die Parole „One
Nation“ steht in der britischen Politik für gemäßigten Konservatismus, der
auf Zusammenarbeit statt Konfrontation setzt.
Die größte Herausforderung für den Wahlsieger Cameron wird der Umgang mit
dem anderen Wahlsieger sein – der SNP, die so stark ist wie nie zuvor. „Der
schottische Löwe hat gebrüllt und brüllt im ganzen Land!“, rief der
historische SNP-Führer Alex Salmond in seiner Siegesrede – er wird
zukünftig im Londoner Unterhaus sitzen und da mit seiner Redegewandtheit
für viel Ärger sorgen.
## Dezentralisierung könnte kommen
Verschiedene Stimmen von konservativer Seite und auch von unabhängigen
Beobachtern forderten bereits eine stärkere Föderalisierung
Großbritanniens. Londons Oberbürgermeister Boris Johnson, der für den
Wahlkreis Uxbridge ins Parlament einzieht und als möglicher Nachfolger
Camerons als konservativer Parteichef und Premierminister bei den nächsten
Wahlen 2020 gehandelt wird, sagte: „Es muss eine Art föderales Angebot
geben“, mit Dezentralisierung auf allen Ebenen.
Der für seine Entschlossenheit bekannte Cameron dürfte der Idee nicht
abgeneigt sein, einen entsprechenden Vorstoß zu machen, um der SNP nicht
die Initiative zu überlassen. Diese Thematik überschattet damit vermutlich
die andere Verfassungsbaustelle, zu der sich Cameron nach seinem Wahlsieg
erneut bekannt hat: das für 2017 geplante Referendum über den Verbleib
Großbritanniens in der EU.
Wie es bei den beiden Wahlverlierern Labour und Liberaldemokraten
weitergeht, war am Freitagmorgen noch offen. Beobachter rechneten mit dem
umgehenden Rücktritt der beiden Parteichefs Ed Miliband und Nick Clegg.
## Lange Gesichter bei Labour
Für Labour ist die Enttäuschung besonders groß – die Partei hatte sich bis
zur letzten Minute Hoffnungen gemacht, eine Minderheitsregierung führen zu
können, wenn Cameron keine eigene Mehrheit zustande bekäme. Wichtige
Labour-Politiker beharrten auch noch auf dieser Möglichkeit, als sich in
der Nacht das Debakel bereits abzeichnete. Aber je klarer die Ergebnisse
wurden, desto länger wurden die Labour-Gesichter – zum Beispiel, als
Labours Schattenaußenminister und Wahlkampfleiter Douglas Alexander seinen
schottischen Wahlkreis an eine 20-jährige Studentin von der SNP verlor.
Das Ausmaß der Labour-Niederlage in Schottland hatte sich in Umfragen
abgezeichnet, aber seine Wucht traf die Parteiführung offenbar doch härter
als erwartet. „In Schottland hat eine Welle des Nationalismus unsere Partei
überrollt“, sagte Miliband in seiner Rede, nachdem er seinen Wahlkreis
Doncaster gehalten hatte. „Die nächste Regierung wird vor einer großen
Verantwortung stehen, die schwierige Aufgabe zu meistern, das Land
zusammenzuhalten.“
Die rechtspopulistische Ukip konnte nicht den Durchbruch erzielen. Obwohl
sie in Stimmen mit rund zwölf Prozent deutlich vor den Liberaldemokraten
lag und doppelt so viele Wählerstimmen erzielte wie die auf Schottland
beschränkte SNP, hatte sie am Freitagmorgen erst einen Sitz gewonnen – den
des konservativen Überläufers Douglas Carswell in Clacton im südenglischen
Essex. Ob Ukip-Parteiführer Nigel Farage es schaffen würde, den Wahlkreis
Thanet South in Kent zu gewinnen, war noch offen.
Die Grünen kamen nicht über ihren bisherigen einzigen Wahlkreis im
südenglischen Brighton heraus. Carswell von der Ukip sagte in seiner
Siegesrede, insgesamt hätten in Großbritannien fünf Millionen Menschen für
Ukip und Grüne gestimmt und seien nun so gut wie gar nicht im Parlament
vertreten – ein klarer Beweis, dass das politische System des Landes nicht
mehr funktioniere.
8 May 2015
## AUTOREN
Dominic Johnson
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